Leitsatz (amtlich)

hat der Versicherungsträger in einem rechtskräftig gewordenen Bescheid ein Leiden als Berufskrankheit anerkannt und stirbt der Versicherte an diesem Leiden, so hat der Bescheid keine bindende Wirkung hinsichtlich der Ansprüche der Hinterbliebenen.

Zur Ablehnung dieser Ansprüche bedarf es nicht des Nachweises, daß der frühere Bescheid unrichtig ist; für den Nachweis der anspruchsbegründenden Tatsachen gelten dieselben Beweisgrundsätze wie in jedem Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Begriff "Schlüssigkeit" wird nur in Bezug auf ein Prozeßvorbringen (Begründung eines Anspruchs, Einwendung, Einrede) gebraucht. Als Kennzeichnung eines Beweisgrundsatzes ist der Begriff "Schlüssigkeit" dagegen unbekannt.

 

Normenkette

RVO § 586 Fassung: 1924-12-15; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03, § 128 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19 . September 1956 wird zurückgewiesen .

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten .

Von Rechts wegen .

 

Gründe

I

Der Ehemann der Klägerin war selbständiger Maler . Im Jahre 1950 hatte er der Beklagten angezeigt , daß er seit Dezember 1949 an Schrumpfnieren , Schwindelanfällen und Augenflimmern leide . Er hatte seine Erkrankung auf Bleiweißvergiftungen in den Jahren 1902 , 1911 und 1913 zurückgeführt . In dem Feststellungsverfahren hatte die II . Medizinische Klinik des Städtischen Krankenhauses K ... am 13 . Juli 1951 ein Gutachten erstattet mit folgendem Ergebnis: Der Versicherte leide an hochgradiger Arteriosklerose und Schrumpfnieren . Die Arteriosklerose könne altersmäßig bedingt sein , die Beurteilung der Schrumpfnieren mache besondere Schwierigkeiten . In Würdigung der drei manifesten Bleierkrankungen lasse sich eine geringe Wahrscheinlichkeit nicht widerlegen , daß die Schrumpfnieren auf Bleieinwirkungen zurückzuführen seien Abschließend war vorgeschlagen worden , aus Billigkeitsgründen eine Rente zu gewähren und nach dem Ableben des Erkrankten autoptisch den Bleigehalt von Leber und Nieren festzustellen . Der Staatliche Gewerbearzt hatte sich dem Vorschlag , eine Berufskrankheit nach Nr . 1 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) anzuerkennen , angeschlossen und dabei "den Grad der Wahrscheinlichkeit bedeutend höher" geschätzt als die Gutachter der Klinik . Außerdem hatte sich Prof . Dr . K ... in einem Gutachten vom 4 . August 1951 mit einer gewissen Zurückhaltung für die Anerkennung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der Schrumpfnieren und den Bleieinwirkungen ausgesprochen .

Mit Bescheid vom 28 . August 1951 hatte die Beklagte dem Ehemann der Klägerin eine vorläufige Rente von 80 v . H . der Vollrente gewährt und diese mit Bescheid vom 25 . Juni 1952 als Dauerrente festgesetzt . In der Begründung ist ausgeführt: "Nach den ärztlichen Gutachten wird es als wahrscheinlich angesehen , daß der derzeitige Erkrankungszustand (Nierenerkrankung , Bluthochdruck , Gefäßerkrankung) auf eine jahrelange Bleiaufnahme zurückzuführen und daher eine Berufserkrankung im Sinne der Nr . 1 BKVO anzunehmen ist . "

Am 5 . Juni 1953 starb der Ehemann der Klägerin .

Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Leiche von Prof . Dr . R ... obduziert . In seinen Gutachten vom 3 . Juli 1953 führte dieser Sachverständige u . a . aus: Der Ehemann der Klägerin sei an doppelseitigen primären (genuinen) Schrumpfnieren und deren Folgen gestorben , also an derselben Krankheit , die zu seinen Lebzeiten als Berufskrankheit anerkannt gewesen sei . Die Leichenöffnung habe keine Gewebs- oder Organveränderungen aufgedeckt , die mit Sicherheit als Restzustände früherer Bleivergiftungen hätten angesehen werden müssen . Die Auffassung , daß Bleivergiftungen für die Entstehung genuiner Schrumpfnieren eine erhebliche Rolle spielten , sei heute weitgehend verlassen worden . Daran ändere auch die Tatsache nichts , daß im amerikanischen Schrifttum gelegentlich wieder ein Zusammenhang zwischen einer Bleiintoxikation und der Entstehung einer arteriosklerotischen Schrumpfniere angenommen werde , es beständen erhebliche Zweifel , ob die Bleivergiftungen in den Jahren 1902 , 1911 und 1913 die Erkrankung des Ehemannes der Klägerin und den Eintritt seines Todes überhaupt beeinflußt hätten . Er könne sich der Beurteilung durch Prof . Dr . K ... vom 4 . August 1951 nicht anschließen und wäre wahrscheinlich auch zu Lebzeiten des Versicherten nicht zu einer solchen Beurteilung gekommen . Indessen werde man wohl die einmal ausgesprochene Anerkennung nicht wieder rückgängig machen können , ohne auf völliges Unverständnis bei den Hinterbliebenen zu stoßen .

Gestützt auf die medizinischen Ausführungen dieses Gutachtens lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23 . Juli 1953 den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente mit der Begründung ab , daß ihr Ehemann nicht an einer Berufskrankheit , sondern an den Folgen einer Arteriosklerose gestorben sei .

Diesen Bescheid hat die Klägerin innerhalb eines Monats bei dem Oberversicherungsamt (OVA . ) K ... angefochten . Das OVA . hat eine Äußerung des behandelnden Arztes , Dr . … eingeholt . Dieser hat ausgeführt: Es stehe ihm nicht zu , das Gutachten eines Fachmannes wie Prof . Dr . R ... kritisch zu erörtern , er sei jedoch angesichts der wissenschaftlich nicht geklärten Zusammenhänge , im übrigen auch schon aus rein formaljuristischen Gründen der Auffassung , daß der einmal anerkannte ursächliche Zusammenhang zwischen den Schrumpfnieren und den Bleivergiftungen auch weiterhin anerkannt bleiben müsse . Nachdem das Verfahren mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Sozialgericht (SG . ) Karlsruhe übergegangen war , hat die Beklagte ein zweites Gutachten des Prof . Dr . K ... vom 21 . April 1954 vorgelegt . Darin führt der Sachverständige aus: Bei der Erstattung seines früheren Gutachtens sei ihm nicht bekannt gewesen , daß der Ehemann der Klägerin - wie die Obduktion ergeben habe - an einer ausgedehnten allgemeinen Arteriosklerose gelitten habe . Heute würde er - der Sachverständige - der Bleigefährdung in den Jahren bis 1913 nicht mehr die krankmachende Bedeutung zuerkennen , wie er es früher getan habe . Er würde heute mit größerer Wahrscheinlichkeit ein konstitutionelles Leiden annehmen , also eine Berufskrankheit nicht mehr anerkennen .

Das SG . hat ferner den Sachverständigen Dr . S ... gehört . Es hat ihm die Frage vorgelegt ,

ob durch die bisherigen Gutachten medizinisch der schlüssige Beweis (nicht lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit) dafür erbracht sei , daß die Anerkennung der Nierenerkrankung , des Bluthochdrucks und der Gefäßerkrankung des Malers V ... N ... zu Unrecht erfolgt und sein Tod mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (nicht überwiegender Wahrscheinlichkeit) nicht Folge dieser als Berufskrankheit anerkannten Krankheit sei .

Der Sachverständige hat diese Frage verneint .

Schließlich hat die Beklagte noch ein Gutachten der Krankenanstalten "Bergmannsheil" in Bochum (Dr . Z ... / Dr . D ... ) vom 12 . Oktober 1954 vorgelegt . Darin ist ausgeführt: Die Leichenöffnung habe gegenüber früher keine neuen Gesichtspunkte ergeben , die für oder gegen eine Berufskrankheit gedeutet werden könnten; in pathologisch-anatomischer Hinsicht sei nämlich eine Bleiarteriosklerose von einer genuinen Arteriosklerose bzw . genuinen oder primären Schrumpfniere nicht eindeutig zu unterscheiden . Auch heute könne man dem Blei für das Zustandekommen von krankhaften Gefäß- und Nierenprozessen einen Teilfaktor noch nicht mit Sicherheit absprechen . Die Berufsvorgeschichte und die zeitlichen Zusammenhänge zwischen der Bleigefährdung bzw . den Bleierkrankungen des Ehemannes der Klägerin und dem Erkrankungsbeginn ließen es wenig wahrscheinlich erscheinen , daß das Blei für die Entwicklung der Arteriosklerose bzw . der genuinen Schrumpfniere von Bedeutung gewesen sei . Auch ohne Kenntnis des pathologisch-anatomischen Gutachtens hätten sie - die Gutachter von "B ... - die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Bleischrumpfniere nicht für gegeben gehalten .

Das SG . hat durch Urteil vom 21 . Dezember 1954 die Beklagte dem Grunde nach verurteilt , den Tod des Ehemannes der Klägerin als Folge einer Berufskrankheit anzuerkennen . Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt: Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente stelle einen selbständigen , vom Rechtsanspruch des Erkrankten unabhängigen Anspruch dar . Da jedoch im vorliegenden Falle die Berufskrankheit dem Versicherten gegenüber rechtskräftig anerkannt gewesen sei , bedürfe die Behauptung der Beklagten , daß eine Berufskrankheit nicht vorgelegen habe bzw . zu Unrecht anerkannt worden sei , den Hinterbliebenen gegenüber eines schlüssigen Beweises (Bayer . LVAmt vom 28 . 2 . 1950) . Ein solcher Beweis sei nicht geführt , wenn auch heute der ursächliche Zusammenhang der früher anerkannten Berufskrankheit mit den Bleischädigungen nicht mehr als wahrscheinlich anzusehen sei .

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG . ) Baden-Württemberg durch Urteil vom 19 . September 1956 die Entscheidung des SG . aufgehoben und den Bescheid der Beklagten vom 23 . Juli 1953 wiederhergestellt . Das Urteil ist im wesentlichen wie folgt begründet: Durch die Anerkennung der Berufskrankheit zu Lebzeiten des Ehemannes der Klägerin sei die Beklagte nicht gehindert gewesen , bei der Beurteilung des Anspruchs auf Witwenrente erneut zu prüfen , ob die Schrumpfniere eine Berufskrankheit war . Es sei also zu entscheiden , ob die Schrumpfniere mit Wahrscheinlichkeit durch die Bleierkrankungen verursacht oder wesentlich beeinflußt worden sei . Dabei hätten sowohl neue Tatsachen als auch neue medizinische Erkenntnisse herangezogen werden können . Die im vorliegenden Verfahren erstatteten Gutachten ließen weder für sich allein noch in Verbindung mit dem Ergebnis des früheren Feststellungsverfahrens den Schluß zu , daß die Bleierkrankungen die Schrumpfniere mit Wahrscheinlichkeit verursacht oder verschlimmert hätten .

Das LSG . hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen , über die es zu entscheiden hatte , die Revision zugelassen .

Das Urteil ist der Klägerin am 1 . Oktober 1956 zugestellt worden . Sie hat hiergegen am 22 . Oktober 1956 Revision eingelegt und diese am 5 . November 1956 folgendermaßen begründet: Das LSG . habe § 586 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verletzt und die Rechtsgrundsätze über die Bindung an eine frühere rechtskräftige Entscheidung unrichtig angewandt . Die Klägerin verkenne zwar nicht , daß der Anspruch auf Hinterbliebenenrente einen selbständigen , vom Rechtsanspruch des Versicherten unabhängigen Anspruch darstelle und daß die Rechtskraft der Entscheidung , welche die Entschädigung dem Erkrankten gegenüber feststelle , weder für noch gegen den Anspruch der Hinterbliebenen geltend gemacht werden könne . Nachdem jedoch die Berufskrankheit gegenüber dem Versicherten rechtskräftig anerkannt worden sei , bedürfe die Behauptung , daß eine Berufskrankheit nicht vorgelegen habe bzw . zu Unrecht anerkannt worden sei , den Hinterbliebenen gegenüber eines schlüssigen Beweises . Ein solcher Beweis sei jedoch , wie sich aus den Entscheidungsgründen des SG . ergebe , nicht erbracht .

Die Klägerin beantragt ,

das Urteil des LSG . aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen , den Tod des Ehemannes der Klägerin als Folge einer Berufskrankheit anzuerkennen und ihr die gesetzliche Hinterbliebenenrente zu gewähren ,

hilfsweise ,

die Sache zur erneuten Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen .

Die Beklagte beantragt ,

die Revision zurückzuweisen .

Sie schließt sich im wesentlichen der Begründung des angefochtenen Urteils an .

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs . 2 SGG) einverstanden erklärt . Von der Möglichkeit , in dieser Weise zu verfahren , hat der Senat Gebrauch gemacht .

II

Die Revision ist zulässig , aber nicht begründet .

Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 29 . März 1957 (BSG . 5 S . 96 [98]) entschieden , daß unter der Herrschaft der Verfahrensvorschriften der RVO ergangene Rentenbescheide auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung erstinstanzliche Wirkung hatten und daß ihnen eine der materiellen Rechtskraft von Urteilen entsprechende Bindung zukam . Eine solche Bindungswirkung hatten auch die dem Ehemann der Klägerin erteilten Rentenbescheide vom 28 . August 1951 und 25 . Juni 1952 , mit denen die Beklagte dem Erkrankten eine Rente von 80 v . H . der Vollrente gewährt hatte , weil nach ihrer damaligen Auffassung eine Berufskrankheit im Sinne der Nr . 1 der Anlage zur BKVO vorlag . Das Ausmaß und die Grenzen der Bindung richten sich nach den schon vom RVA . in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundsätzen , die im Zivilprozeß für die materielle Rechtskraft entwickelt worden sind (vgl . Entscheidung Nr . 1832 in AN . 1901 S . 170) . Danach wirkt die Rechtskraft grundsätzlich nur für und gegen die Parteien des Rechtsstreits und nur insoweit , als über den erhobenen Anspruch entschieden , d . h . eine bestimmte Rechtsfolge aus einem bestimmten Tatbestand bejaht oder verneint worden ist (vgl . BSG . 5 S . 99 , 100 mit weiteren Nachweisen) . Überträgt man diese Grundsätze auf das Verfahren der Unfallversicherung , so ergibt sich , daß ein Bescheid , der die Anerkennung einer Berufskrankheit und eine Rentengewährung an den Erkrankten zum Inhalt hat , keine bindende Wirkung auf die im Verfahren über die Rentenansprüche der Hinterbliebenen zu treffende Entscheidung ausübt; denn diese Ansprüche werden von anderen Personen erhoben und auch auf einen anderen Tatbestand gestützt , als es im Feststellungsverfahren über die Ansprüche des Erkrankten der Fall war . Demnach hat das Berufungsgericht mit Recht und auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung und dem Schrifttum angenommen , daß der Anspruch der Klägerin von dem früheren Entschädigungsanspruch ihres Ehemannes unabhängig ist und daß die Klägerin sich deshalb nicht auf die Bindungswirkung der gegenüber ihrem Ehemann ergangenen Entscheidung berufen kann (so auch RVA . in AN . 1903 S . 566 und 1907 S . 486; LVAmt Württemberg-Baden in Breithaupt 1950 S . 528; Bayer . LVAmt in Amtsbl . 1950 S . 406 und Breithaupt 1951 S . 670; Bayer . LSG . in Breithaupt 1954 S . 1011; RVO-Mitgl . Komm . § 586 Anm . 2; Schulte-Holthausen , Unfallversicherung , 4 . Aufl ., § 586 Anm . 9 a; Lauterbach , Unfallversicherung , 2 . Aufl ., § 586 Anm . 12) .

Auch die Revision zieht die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung nicht in Zweifel . Sie meint jedoch in Anlehnung an das erstinstanzliche Urteil , in dem vorliegenden Rechtsstreit dürfe die Frage , ob der Ehemann der Klägerin an einer Berufskrankheit gelitten hat , nur dann abweichend von dem das frühere Feststellungsverfahren abschließenden Bescheid entschieden werden , wenn der schlüssige Beweis vorliege , daß die Nierenerkrankung , der Bluthochdruck und die Gefäßerkrankung zu Unrecht als Berufskrankheit anerkannt worden seien . Hierbei ist nicht ohne weiteres verständlich , was der Ausdruck "schlüssiger Beweis" bedeuten soll . Dieser Begriff wird in der von der Revision und vom SG . angeführten Entscheidung des Bayer . LVAmts vom 26 . Februar 1950 (Amtsbl . 1950 S . 406) nicht verwendet , vielmehr findet er sich nur in dem der Entscheidung vorangestellten Leitsatz . Den Begriff der Schlüssigkeit gebraucht man nach der im Verfahrensrecht üblichen Terminologie in Bezug auf ein Prozeßvorbringen; reicht dieses zur Begründung eines Anspruchs , einer Einwendung oder einer Einrede aus , so bezeichnet man es als "schlüssig" (vgl . z . B . Rosenberg , Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts , 7 . Aufl ., S . 496; Sattelmacher , Bericht , Gutachten und Urteil , 22 . Aufl . S . 18 , 37 , 40) . Als Kennzeichnung eines Beweisgrundsatzes ist der Begriff der Schlüssigkeit dagegen unbekannt . Wie sich dem an Dr . S ... gerichteten Äußerungsersuchen entnehmen läßt , hat das SG . unter einem schlüssigen Beweis einen solchen Beweis verstanden , der "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" geführt ist . Es ist daher anzunehmen , daß auch die Revisionsbegründung in diesem Sinne verstanden sein will . Ihre Auffassung , im vorliegenden Verfahren dürfe eine der Klägerin ungünstige Entscheidung nur ergehen , wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung des Ehemannes der Klägerin und den Bleieinwirkungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann , trifft jedoch nicht zu .

Ist , wie bereits dargelegt wurde , der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ein selbständiger , vom Entschädigungsanspruch des Versicherten unabhängiger Anspruch und hat die gegenüber dem Verletzten ergangene Entscheidung keinerlei bindende Wirkung für das Verfahren über die Hinterbliebenenrente , so bedeutet dies , daß die Entscheidung in dem vorliegenden Verfahren genau so zu treffen ist , wie wenn jener Bescheid gegenüber dem Verletzten überhaupt nicht ergangen wäre . Es sind daher auch dieselben Beweisgrundsätze wie in jedem anderen Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung anzuwenden . Hiernach setzt die Zuerkennung der Hinterbliebenenrente voraus , daß für die anspruchsbegründenden Tatsachen ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit besteht , daß sich vernünftigerweise die richterliche Überzeugung darauf gründen kann (RVA . in EuM . 18 S . 185) . Es genügt also nicht die bloße Möglichkeit , daß der Ehemann der Klägerin an den Folgen einer Berufskrankheit gestorben ist , vielmehr muß dies in dem angeführten Sinne hinreichend wahrscheinlich sein . Würde man die berufsbedingte Entstehung der Krankheit , die zum Tode des Ehemannes der Klägerin geführt hat , schon dann - wie die Revision es für richtig hält , - als erwiesen ansehen , wenn sich eine schicksalsmäßige oder andersartige Entwicklung nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen läßt , so würde dies zu dem mit den Beweisgrundsätzen im Verfahren der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu vereinbarenden Ergebnis führen , daß schon die bloße Möglichkeit zur Beweisführung ausreicht . Das LSG . hat daher mit Recht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der als Todesursache feststehenden Erkrankung an Schrumpfnieren und den Bleieinwirkungen gefordert (vgl . auch Bayer . LVAmt , Breith , 1951 S . 670 und Bayer . LSG ., Breith . 1954 S . 1011) . Seine auf dem Gesamtergebnis des Verfahrens beruhende Feststellung , daß ein solcher ursächlicher Zusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne nicht wahrscheinlich sei , ist von der Revision nicht mit zulässigen Revisionsgründen angegriffen worden; sie ist daher für das Bundessozialgericht bindend (§ 163 SGG; vgl . BSG . SozR .SGG § 162 Bl . Da 30 Nr . 106) . Es ist auch weder gerügt noch ersichtlich , daß das LSG . den Begriff der Wahrscheinlichkeit verkannt hätte .

Da somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Hinterbliebenenrente nicht nachgewiesen sind , hat das LSG . mit Recht das Urteil des SG . aufgehoben und - was der an sich gebotenen Klagabweisung gleichkommt - den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 23 . Juli 1953 wiederhergestellt .

Die Revision ist daher unbegründet und mußte zurückgewiesen werden (§ 170 Abs . 1 Satz 1 SGG) .

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG .

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324404

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