Leitsatz (amtlich)

Der Unterhaltsbeitrag, der einer "nachgeheirateten" Witwe eines Beamten von dessen Dienstherrn nach BBG § 125 Abs 1 (in der bis 1966-12-31 geltenden Fassung) iVm BBG § 123 Abs 1 S 1 Nr 2 bewilligt worden ist, ist als "neuer Versorgungsanspruch" iS von AVG § 68 Abs 2 S 1 Halbs 2 = RVO § 1291 Abs 2 S 1 Halbs 2 auf die "wiederaufgelebte" Witwenrente aus der 1. Ehe anzurechnen; es ist unerheblich, daß der Bescheid, mit dem der Unterhaltsbeitrag bewilligt worden ist, auf einer "Kann-Vorschrift" beruht hat.

 

Normenkette

RVO § 1291 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 68 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 Fassung: 1957-02-23; BBG § 125 Abs. 1 Fassung: 1953-07-14, § 123 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1965-10-22

 

Tenor

Die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. Februar 1965 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin, geboren am 8. Juli 1895, war zweimal verheiratet. Nach dem Tode ihres ersten Ehemannes im Jahre 1949 erhielt sie von der Beklagten Witwenrente. Im Dezember 1956 heiratete sie einen damals 72 Jahre alten Oberzollsekretär im Ruhestand. Auf ihren Antrag wurde ihr von der Beklagten eine Witwenabfindung gewährt. Nach dem Tode des zweiten Ehemannes im Februar 1963 bewilligte die Oberfinanzdirektion H, in deren Bereich der zweite Ehemann zuletzt tätig war, der Klägerin ab 1. März 1963 "unter Vorbehalt des Widerrufs bei Wegfall der Voraussetzungen" einen Unterhaltsbeitrag nach § 125 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (in der bis 31. Dezember 1966 geltenden Fassung - BBG aF -) in Verbindung mit § 123 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG in Höhe von zunächst 243,18 DM, ab 1. April 1963 in Höhe von 245,61 DM; der Unterhaltsbeitrag entsprach 60 v.H. des Witwengeldes.

Im Februar 1963 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die "wiederaufgelebte" Witwenrente aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes. Mit Bescheid vom 13. Dezember 1963 wurde der Anspruch von der Beklagten in Höhe von 100,30 DM "erneut anerkannt", eine Zahlung jedoch abgelehnt, weil auf diesen Anspruch der (höhere) neue Versorgungsanspruch anzurechnen sei (§ 68 Abs. 2 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -, 2. Halbsatz). Die Klägerin und die vom Sozialgericht (SG) Hamburg beigeladene Bundesrepublik Deutschland - im Verfahren vertreten durch den Bundesminister der Finanzen, dieser vertreten durch den Oberfinanzpräsidenten der Oberfinanzdirektion Hamburg - begehrten die Zahlung der Witwenrente an die Klägerin. Diese Klage wies das SG ab (Urteil vom 1. April 1964). Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen wies das Landessozialgericht (LSG) Hamburg zurück (Urteil vom 12. Februar 1965); es führte aus: Als Versorgungsanspruch im Sinne von § 68 Abs. 2 Satz 1 AVG sei jede Unterhaltszwecken dienende, regelmäßig wiederkehrende, auf einer Rechtsgrundlage beruhende Leistung zu verstehen; dabei müsse es sich nicht um einen "gesetzlichen Anspruch im rechtstechnischen Sinne des § 194 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)" handeln; es sei deshalb für die Anrechnung unerheblich, daß der Unterhaltsbeitrag der Beigeladenen eine "Kann-Leistung" sei; der Gesetzeswortlaut müsse hinter dem Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschrift, mit der zwar ein einmal von der Witwe erworbener Besitzstand garantiert, aber auch eine Doppelversorgung ausgeschlossen werden solle, zurücktreten. Die Anrechnung des Unterhaltsbeitrags auf die Witwenrente sei aber auch dann rechtmäßig, wenn für die Anrechnung nur ein Rechtsanspruch im Sinne von § 194 BGB in Betracht käme. Die Klägerin habe gegenüber der Beigeladenen nach dem Tode des zweiten Ehemannes zunächst zwar nur Anspruch auf eine sachgerechte Ermessensentscheidung gehabt; nachdem die Beigeladene aber im Rahmen ihres Ermessens einen Unterhaltsbeitrag gewährt habe, habe die Klägerin durch den bindend gewordenen Bewilligungsbescheid der Beigeladenen einen "echten Rechtsanspruch" auf den Unterhaltsbeitrag erworben, der Anspruch auf die sachgerechte Ermessensentscheidung habe sich damit in einen Anspruch auf diese ermessensgerechte Leistung "verdichtet". Das LSG ließ die Revision zu.

Die Klägerin und die Beigeladene legten frist- und formgerecht Revision ein. Sie beantragten,

die Urteile des SG Hamburg vom 1. April 1964 und des LSG Hamburg vom 12. Februar 1965 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 13. Dezember 1963 zu verurteilen, der Klägerin die Witwenrente ab 1. März 1963 ungekürzt auszuzahlen.

Zur Begründung trugen die Klägerin und die Beigeladene vor, das LSG habe § 68 Abs. 2 Satz 1 AVG unrichtig angewandt.

Sie machten - im wesentlichen übereinstimmend - geltend, bei dem nach dieser Vorschrift anzurechnenden Versorgungsanspruch müsse es sich um einen Anspruch im Sinne von § 194 BGB handeln, also um das Recht, von einem anderen der Versorgung dienende Leistungen zu verlangen. Nach § 125 Abs. 1 BBG erwerbe die "nachgeheiratete" Witwe aber infolge des Todes des Ehemannes nur einen Anspruch auf eine sachgerechte Ermessensentscheidung darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ihr ein Unterhaltsbeitrag gewährt werde; vor Erlaß eines Bewilligungsbescheides sei die Witwe nicht "versorgt", ein auf die Witwenrente anrechenbarer Betrag sei weder bestimmt noch bestimmbar, es fehle daher an einer "Doppelversorgung". Mit dem Erlaß des Bewilligungsbescheides entstehe zwar ein (allerdings widerruflicher) Unterhalts- oder Versorgungsanspruch in der festgestellten Höhe, diesen Anspruch erwerbe die Witwe aber nicht "infolge der Auflösung der Ehe". Hierfür genüge es nicht, daß der Anspruchserwerb lediglich zeitlich der Ehe folge oder anläßlich der Eheauflösung begründet werde, der Anspruch müsse vielmehr unmittelbar, also ohne dazwischengeschaltete Willenserklärung des Verpflichteten ausgelöst werden, mindestens aber mittelbar, indem die Witwe das Recht erhalte, die Abgabe der Verpflichtungserklärung zu fordern; dies sei hier nicht der Fall. Der Anspruch auf sachgerechte Ermessensentscheidung sei und bleibe gegenüber dem durch den Bewilligungsbescheid begründeten Versorgungsanspruch ein aliud. In dem Bewilligungsbescheid konkretisiere oder verdichte sich auch nicht ein Zahlungsanspruch, der schon vor Auflösung der Ehe bestanden hätte, vielmehr werde in dem Bescheid im Rahmen des Verwaltungsermessens ein Betrag festgestellt und erst dadurch ein Anspruch begründet. Um eine "Versorgung aus der Ehe" könne es sich auch nach dem Sinn und Zweck des § 68 Abs. 2 AVG nur handeln, wenn diese Versorgung durch einen Rechtsanspruch begründet und gesichert sei. Die Klägerin wies noch darauf hin, daß § 125 Abs. 1 BBG lediglich eine "Aussicht" auf Versorgung eröffne.

Die Beklagte beantragte,

die Revisionen zurückzuweisen.

Alle Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 165, 154 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden.

II

Die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen sind zulässig. Die Beigeladene kann, obwohl es sich um eine nicht notwendige Beiladung handelt (§ 75 Abs. 1 Satz 1 SGG), selbständig Revision einlegen (§ 75 Abs. 4 SGG); sie ist durch das klagabweisende Urteil des LSG beschwert, weil dieses Urteil sie im Falle der Rechtskraft bindet (§ 141 Abs. 1 SGG; Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 27. November 1962, BSG 18, 131, 132); es ist nicht zu prüfen, ob das SG zu Recht die Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG bejaht hat. Beide Revisionen sind jedoch nicht begründet. Das LSG hat ebenso wie das SG im Ergebnis zutreffend den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 13. Dezember 1963 für rechtmäßig gehalten.

Nach § 68 Abs. 2 Satz 1 AVG, 2. Halbsatz (= § 1291 Abs. 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -, 2. Halbsatz) - die Voraussetzungen des 1. Halbsatzes sind hier unstreitig gegeben - ist ein von der Witwe infolge Auflösung der (zweiten) Ehe erworbener Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenanspruch auf die Witwenrente (aus der Versicherung des ersten Ehemannes) anzurechnen. Der Begriff des "Anspruchs" (auf Versorgung, Unterhalt, Rente) im 2. Halbsatz des § 68 Abs. 2 Satz 1 AVG ist dabei - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen (ebenso auch Urteil des LSG Berlin vom 1. April 1960, Breithaupt, Sammlung 1960, 609 ff) - nicht anders zu verstehen als in § 194 BGB und in zahlreichen anderen Vorschriften sonstiger Rechtsgebiete, auch des Rechts der Sozialversicherung, nämlich als das "Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen"; dabei ist die Klagbarkeit eine notwendige Eigenschaft des Anspruchs (Enneccerus/Nipperdey, Allg. Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl. 1367; ebenso Urteil des BSG vom 26. September 1967 - 1 RA 203/65 -). Der Begriff des Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenanspruchs im 2. Halbsatz des § 68 Abs. 2 Satz 1 AVG ist kein anderer als der des "Anspruchs" auf die Witwen- oder Witwerrente im 1. Halbsatz (vgl. hierzu Beschluß des Großen Senats des BSG vom 9. Juni 1961, BSG 14, 238, 240). Für die Anrechenbarkeit der im 2. Halbsatz genannten Ansprüche genügt es deshalb nicht - wie das LSG meint - daß für die Leistung eine "Rechtsgrundlage" besteht, wenn diese "Rechtsgrundlage" lediglich eine "Kann-Vorschrift" ist; es muß dann hinzukommen, daß die Verwaltung von ihrem Ermessen auch durch Erlaß eines begünstigenden Verwaltungsakts Gebrauch gemacht hat. Auch auf den Unterhaltsbeitrag, den eine Witwe nach § 125 Abs. 1 BBG aF erhalten "kann" (nach § 125 Abs. 1 BBG in der seit dem 1. Januar 1967 geltenden Fassung "ist" unter den dort genannten Voraussetzungen ein Unterhaltsbeitrag zu gewähren, vgl. Bekanntmachung der Neufassung des BBG vom 22. Oktober 1965, BGBl I 1776 ff in Verbindung mit Art. 13 Nr. 1 Buchst. e des Haushaltssicherungsgesetzes vom 20. Dezember 1965, BGBl I 2065), besteht kein Rechtsanspruch; ob und in welcher Höhe der "nachgeheirateten" Witwe eines Beamten unter den Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBG in Verbindung mit § 125 Abs. 1 BBG aF ein Unterhaltsbeitrag gewährt wird, hat der Dienstherr, hier die Beigeladene, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (vgl. auch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 8. Juni 1960, BVerwGE 10, 352 und vom 13. Juli 1964, Juristische Rundschau 1965, 192). Solange nach dem Tode des Beamten eine Entscheidung des Dienstherrn noch nicht ergangen ist, hat die Witwe keinen einklagbaren Anspruch auf Zahlung eines Unterhaltsbeitrags, sondern nur einen Anspruch auf eine sachgerechte Ermessensentscheidung, also einen Anspruch, der dem durch Gesetz begründeten Rechtsanspruch auf eine öffentlich-rechtliche Leistung in der Regel nicht gleichzusetzen ist (vgl. insoweit die Urteile des BVerwG vom 13. Oktober 1961 und 6. Juli 1965, Monatsschrift für Deutsches Recht, 1962, 242 und 1965, 1020 und des BSG vom 24. Februar 1966 - 12 RJ 506/64 -, die die Vererblichkeit von Ansprüchen auf Ermessensleistungen betreffen); auf den Ausnahmefall, daß jede ablehnende Entscheidung des Dienstherrn ermessensfehlerhaft und nur die Gewährung einer Leistung in bestimmter Höhe ermessensgerecht wäre, braucht hier nicht eingegangen zu werden. Solange kein Bewilligungsbescheid vorliegt, kann deshalb auch kein Versorgungs- oder Renten-"Anspruch" auf die Witwenrente nach § 68 Abs. 2 Satz 1 AVG angerechnet werden.

Anders ist die Rechtslage jedoch dann, wenn die Verwaltung ihr Ermessen ausgeübt und einen die Witwe begünstigenden Verwaltungsakt erlassen hat. Von diesem Zeitpunkt ab ist die rechtliche Beziehung, die zunächst nur in dem Anspruch auf eine sachgerechte Ermessensentscheidung bestanden hat, dahin konkretisiert - verfestigt, verdichtet -, daß nun ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung, nämlich einen bestimmten Unterhaltsbeitrag besteht (ebenso Zeihe in "Die Kriegsopferversorgung", 1966, 147, 149). Die Rechtsposition der Witwe, der ein Unterhaltsbeitrag bewilligt ist, ist von diesem Zeitpunkt an - abgesehen von der Möglichkeit des "Widerrufs" des Bewilligungsbescheids durch den Dienstherrn bei nachträglicher Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse - gegenüber dem Dienstherrn keine grundsätzlich andere als die einer Witwe, der ein Anspruch auf Witwengeld nach § 123 Abs. 1 Satz 1 BBG zusteht oder - seit dem 1. Januar 1967 - einer Witwe, der bei Vorliegen der in § 125 Abs. 1 BBG nF genannten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Unterhaltsbeitrag eingeräumt ist. Ihre Rechtsposition ist nicht deshalb schwächer, weil der Bescheid, der zu ihren Gunsten ergangen ist, auf einer "Kann-Vorschrift" beruht. Es handelt sich auch um einen "infolge" der Auflösung der Ehe erworbenen Anspruch. Der Dienstherr hat den Unterhaltsbeitrag nur deshalb gewährt und gewähren dürfen, weil die Ehe der Klägerin durch den Tod ihres zweiten Ehemannes aufgelöst worden ist (und ein Anspruch auf Witwengeld nicht bestanden hat); der rechtliche Zusammenhang - Grund und Folge - zwischen der Auflösung der Ehe und dem Erwerb des Anspruchs durch die Witwe, der mit den Worten "infolge Auflösung der Ehe" in § 68 Abs. 2 Satz 1 AVG, 2. Halbsatz verlangt und ebenso in den gleichartigen Regelungen in § 44 Abs. 5 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in der seit dem 1. Juni 1960 geltenden Fassung (und in § 44 Abs. 7 BVG aF), in § 615 Abs. 2 Satz 2 RVO, in § 164 Abs. 3 BBG für die Anrechenbarkeit vorausgesetzt wird, ist nicht, wie die Beigeladene meint, deshalb zu verneinen, weil unter den hier vorliegenden Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BBG die Auflösung der Ehe für die Klägerin nicht unmittelbar, sondern erst mittelbar, auf Grund des von der Beigeladenen ausgeübten Ermessens, zum Erwerb des Anspruchs geführt hat; es handelt sich dabei nicht um einen Anspruch, der "lediglich zeitlich" der Eheauflösung folge oder "lediglich anläßlich der Eheauflösung" begründet worden ist, sondern um einen Anspruch, der in dem durch § 68 Abs. 2 Satz 2 AVG geforderten rechtlichen Zusammenhang mit der Eheauflösung steht. Für die Anrechenbarkeit der im 2. Halbsatz des § 68 Abs. 2 Satz 1 AVG genannten Ansprüche genügt es, daß sie begründet worden sind, um der Ehefrau nach Auflösung der Ehe die Bestreitung ihres Lebensunterhalts zu ermöglichen oder zu erleichtern (vgl. Urteil des BSG vom 11. November 1966, BSG 25, 262 bis 265 zu der entsprechenden Regelung in § 44 Abs. 5 BVG nF, § 44 Abs. 7 BVG aF). Auch wenn der Unterhaltsbeitrag nur dem Ausgleich von Härten und nicht etwa der Sicherstellung des standesgemäßen Lebensunterhalts zu dienen bestimmt ist (vgl. Urteil des BVerwG vom 13. Juli 1964, Juristische Rundschau, 1965, 192), erleichtert er jedenfalls der Klägerin die Bestreitung ihres Lebensunterhalts. Damit entspricht seine Anrechnung aber auch dem Sinn und Zweck des § 68 Abs. 2 Satz 1 AVG. Die wiederaufgelebte Witwenrente, ebenso wie die Rentenabfindung nach § 81 AVG, ist dazu bestimmt, einer Frau, deren erste Ehe durch den Tod des Ehemannes (oder durch Scheidung ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe) aufgelöst ist, den Entschluß zur Wiederheirat zu erleichtern. Zu diesem Zweck wird ihr, wenn die zweite Ehe aufgelöst ist, grundsätzlich die gleiche Rente gewährleistet wie die Rente nach der ersten Ehe. Diese "Mindestversorgung" soll jedoch in erster Linie aus den infolge der zweiten Ehe neu erworbenen Versorgungs-, Unterhalts- oder Rentenansprüchen bestritten werden, erst wenn die Versorgung hieraus hinter dem Rentenanspruch aus der ersten Ehe zurückbleibt, soll die wiederaufgelebte Witwenrente - hilfsweise (subsidiär) - die entstandene Versorgungslücke füllen (vgl. Urteile des BSG vom 29. Mai 1963 und 2. September 1964, BSG 19, 153 und SozR Nr. 9 zu § 1291 RVO = § 68 AVG). Eine Versorgungslücke ist aber für die Klägerin im vorliegenden Falle insoweit nicht entstanden, als die Versorgung aus dem ihr infolge des Todes des zweiten Ehemannes bewilligten Unterhaltsbeitrag bestritten werden kann. Da dieser Unterhaltsbeitrag höher ist als die Rente, die die Klägerin aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes zu beanspruchen hätte, hat die Beklagte zu Recht den Rentenantrag der Klägerin abgelehnt.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist es unerheblich, ob die Beigeladene - wie sie im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hat - den Unterhaltsbeitrag etwa auch deshalb in Höhe von (nur) 60 v.H. des Witwengeldes festgestellt hat, weil sie möglicherweise davon ausgegangen ist, der Klägerin stehe - neben ihrer eigenen Rente wegen Berufsunfähigkeit - auch ein Anspruch auf die wiederaufgelebte Witwenrente zu. Im übrigen ist in den Richtlinien zum BBG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. September 1962, Bundesanzeiger Nr. 183 vom 26. September 1962, Beilage S. 36 unter Nr. 2 zu § 125 Abs. 1 BBG) aber auch bestimmt, daß bei der Feststellung der Höhe des Unterhaltsbeitrags "Leistungen, die auf Grund anderer Gesetze oder Verordnungen nur subsidiär gewährt werden ... außer Betracht zu lassen" sind. Nach Nr. 2 Abs. 5 der Richtlinien zu § 125 BBG - nF - in der Fassung vom 17. November 1966 - Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 220 vom 25. November 1966 - wird der Versorgungsanspruch auf einen Unterhaltsbeitrag nach § 125 Abs. 1 BBG auf die "wiederaufgelebte Versorgungsleistung" - wiederaufgelebtes Witwengeld, wiederaufgelebte Witwenrente - angerechnet. Ob die Beigeladene den Unterhaltsbeitrag auf Grund des in dem Bewilligungsbescheid enthaltenen Widerrufsvorbehalts allein deshalb widerrufen könnte, weil die Klägerin nach Meinung der Beigeladenen einen Anspruch auf die "wiederaufgelebte" Witwenrente gegen die Beklagte hat, ist in dem anhängigen Rechtsstreit nicht zu prüfen.

Das LSG hat sonach die Rechtslage - wenn auch nur aus hilfsweise erörterten Gründen - zutreffend beurteilt. Die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen sind unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2374939

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge