Beteiligte

Land Nordrhein-Westfalen

Landesversorgungsamt Nordrhein-Westfalen

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. November 1997 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Der 1926 geborene Kläger wurde im September 1944 durch einen Steckschuß am rechten Oberschenkel und im Februar 1945 durch Granatsplitter an Hals und Kiefer verletzt. Der Beklagte erkannte mit Bescheid vom 15. Januar 1958 ua eine Kantenabsprengung am vierten Lendenwirbelkörper mit geringer Verschmälerung der Bandscheibe zwischen 3. und 4. Lendenwirbelkörper und Wurzelneuralgien als Schädigungsfolge an und bewilligte Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH.

Im Oktober 1983 beantragte der Kläger die Anerkennung von Wirbelsäulenbeschwerden als weitere Schädigungsfolge. Die gegen den Ablehnungsbescheid und den entsprechenden Widerspruchsbescheid des Beklagten erhobene Klage nahm er im September 1991 zurück. In diesem Klageverfahren hatte sich herausgestellt, daß die Kantenabsprengung am 4. Lendenwirbelkörper zu Unrecht als Schädigungsfolge anerkannt worden war. Mit Bescheid vom 5. Mai 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1995 stellte der Beklagte fest, daß der Bescheid vom 15. Januar 1958 und seine Folgebescheide rechtswidrig seien, soweit darin „Kantenabsprengung am 4. Lendenwirbelkörper mit geringer Verschmälerung der Bandscheibe zwischen 3. und 4. Lendenwirbelkörper und Wurzelneuralgien” als Schädigungsfolge … anerkannt und eine MdE in rentenberechtigendem Grade festgestellt worden seien (Verfügungssatz Nr 1). Zugleich kündigte er in Verfügungssatz Nr 2 an, er werde bei künftig eintretenden Änderungen zugunsten des Klägers die Grundrente in Anwendung des § 48 Abs 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) solange nur in der bisherigen Höhe weiter gewähren, bis der Betrag von 211,00 DM ohne Rücksicht auf die Bestandskraft der früheren Bescheide von der dem Kläger tatsächlich zustehenden Leistung überschritten werde.

Diesen Bescheid hat das Sozialgericht (SG) Düsseldorf mit Urteil vom 28. Januar 1997 insoweit aufgehoben, als der Beklagte die Leistung auf den Zahlungsbetrag von 211,00 DM „eingefroren” hatte, und im übrigen die Klage abgewiesen. Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Nordrhein-Westfalen vom 13. November 1997). Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt, die Bescheide des Beklagten widersprächen dem Urteil des Senats vom 29. August 1990 (9a/9 RV 32/88 = SozR 3-3100 § 62 Nr 2). Hinsichtlich der alljährlichen Rentenanpassung sei die Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X „durch die Vorschrift des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG” ausgeschlossen. § 48 Abs 3 SGB X sei bei älteren langjährigen Beziehern von Versorgungsrenten iS des § 62 Abs 3 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) nur ausnahmsweise, etwa im Fall einer Leidensverschlimmerung, anwendbar.

Zur Begründung der – vom Senat zugelassenen – Revision macht der Beklagte ua geltend, es sei nach systematischer Stellung und Entstehungsgeschichte der fraglichen Normen unzulässig, den Anwendungsbereich des § 48 Abs 3 SGB X durch eine entsprechende Anwendung des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG einzuschränken, zumal die letztgenannte Vorschrift einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sei. Selbst wenn man aber der zum Verhältnis des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG und § 48 Abs 3 SGB X ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) folge, sei hier eine Abschmelzung dennoch gerechtfertigt. Denn die Unrichtigkeit des Altbescheides vom 15. Januar 1958 habe sich in dem Verwaltungsverfahren über den im Oktober 1983 gestellten Antrag des Klägers nach § 44 SGB X und in dem anschließenden Klageverfahren vor dem SG Düsseldorf (S 30 V 162/86) herausgestellt. Die in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse seien Anlaß für die erneute Überprüfung der Versorgungsangelegenheit des Klägers gewesen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28. Januar 1997 und das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. November 1997 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG für richtig.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.

II

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen den allein vom Kläger noch angegriffenen Verfügungssatz Nr 2 im Bescheid des Beklagten vom 5. Mai 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 1995 (Nr 2 des Bescheides) aufgehoben.

Auch Nr 2 des Bescheides trifft eine – feststellende – Regelung, gegen die die hier vorliegende Anfechtungsklage iS des § 54 Abs 1 SGG statthaft ist. Es liegt insoweit nicht etwa nur die Ankündigung eines Verwaltungsakts vor (vgl dazu Meyer-Ladewig SGG 6. Aufl RdNr 7a nach § 54; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Aufl, RdNr 32a zu § 35; BSG SozR 2940 § 7 Nr 2 auf S 3 f). Denn der Beklagte hatte mit Nr 2 des Bescheides (zusätzlich) festgestellt, daß die im Verfügungssatz Nr 1 des Bescheides getroffene Feststellung, wonach bestimmte die Wirbelsäule betreffende Schädigungsfolgen und eine rentenberechtigende MdE seinerzeit zu Unrecht anerkannt worden waren, ein „Einfrieren” iS des § 48 Abs 3 SGB X rechtfertige. Sinngemäß hat der Beklagte damit seine Befugnis festgestellt, die weiter zu gewährende Leistung so lange von Leistungserhöhungen auszunehmen, bis sie bei Wegdenken des 1958 bei der Anerkennung der Schädigungsfolgen unterlaufenen Fehlers einen Betrag von 211,00 DM monatlich übersteigt. Die verbindliche Feststellung dieser Rechtsfolge durch Nr 2 des Bescheides schon vor der ersten zukünftigen Erhöhung war grundsätzlich zulässig (vgl BSGE 63, 254, 256; 266, 267 f; Steinwedel in Kasseler Kommentar RdNr 67 zu § 48 SGB X).

Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Nr 2 des Bescheides ergeben sich nicht schon daraus, daß ein (belastender) feststellender Verwaltungsakt einer gesetzlichen Grundlage bedarf (vgl BVerwGE 72, 265, 268); denn eine nicht ausdrückliche gesetzliche Grundlage reicht insoweit aus (BVerwG aaO). Sie kann sich – wie hier – aus der Systematik des Gesetzes und aus der Eigenart des zwischen der Behörde und dem Einzelnen bestehenden Rechtsverhältnisses – hier des Versorgungsrechtsverhältnisses – ergeben (vgl dazu BSG SozR 3-4100 § 128 Nr 4 auf S 35 ff einerseits und BSGE 61, 203, 205 = SozR 4100 § 186a Nr 21; BSGE 69, 259, 260 ff = SozR 3-5425 § 24 Nr 1; BSGE 64, 221, 223 ff = SozR 5425 § 24 Nr 2 andererseits). Ein Sozialrechtsverhältnis, das laufende Leistungen zum Gegenstand hat, erfordert – gerade im Interesse des Leistungsberechtigten – möglichst bald Klarheit darüber, ob der Berechtigte mit weiteren Leistungserhöhungen rechnen kann oder nicht. Es widerspricht dem existenzsichernden Zweck laufender Sozialleistungen und des ihnen zugrunde liegenden Dauerrechtsverhältnisses, die alsbaldige verbindliche Klärung dieser Grundfrage einer vom Berechtigten möglicherweise nicht oder zu spät erhobenen vorbeugenden Feststellungsklage zu überlassen. Ein Bedürfnis nach dem beschriebenen Feststellungsbescheid besteht insbesondere hinsichtlich der alljährlichen Anpassung der Leistungen an die wirtschaftliche Entwicklung (Dynamisierung), weil diese regelmäßig von Amts wegen, mechanisch und ohne umfassende rechtliche Prüfung erfolgt. Außerdem brauchen zur Bewirkung der Abschmelzung in diesen Fällen Verwaltungsakte nicht notwendig zu ergehen, weil auch eine schlichte stillschweigende Aussetzung der Anpassungen die Abschmelzung bewirken würde. Gerade deswegen – um den Betroffenen über den Grund dieses Unterbleibens von Erhöhungen zu unterrichten – ist ein vorausgehender Feststellungsbescheid notwendig. Er liegt auch im Interesse des Leistungsträgers selbst. Denn wenn der Leistungsträger die Möglichkeit der Abschmelzung übersieht und weiterhin (mechanische) Abschmelzungsbescheide erläßt, können diese später nur zurückgenommen werden, wenn ihnen ein Feststellungsbescheid vorausgegangen ist (BSGE 63, 259 ff; 266 ff). Die – nicht näher begründeten – Bedenken des 4. Senats (BSGE 65, 8, 12; SozR1300 § 48 Nr 33 auf S 104) gegen die Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden mit dem dargestellten Inhalt teilt der Senat daher nicht. Er sieht den Leistungsträger vielmehr im Interesse der alsbaldigen Klärung des Dauerrechtsverhältnisses weiterhin als berechtigt an, auch schon vor dem Eintritt einer Änderung der Verhältnisse zugunsten der Leistungsberechtigten (zB durch eine generelle Erhöhung der Versorgungsbezüge) das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs 3 SGB X durch Bescheid im voraus festzustellen.

Die angefochtene Feststellung des Beklagten ist indessen – jedenfalls hinsichtlich der laufenden Leistungsanpassungen – rechtswidrig. Zwar stellt auch das Inkrafttreten der in § 56 BVG vorgesehenen Anpassungsverordnungen jeweils eine Änderung in den (rechtlichen) Verhältnissen zugunsten des Berechtigten iS des § 48 Abs 1 SGB X dar (vgl das Urteil des Senats SozR 1300 § 48 Nr 51 und Urteil des 2. Senats SozR 1300 § 48 Nr 54). Jedenfalls für diese Anpassungen stand dem Beklagten die von ihm beanspruchte Befugnis zur „Abschmelzung” der vom Kläger bezogenen Leistung aber nicht zu, da der Kläger bei Bekanntgabe des Bescheides vom 5. Mai 1995 bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatte und er die Leistung bereits seit zehn Jahren nach einer unverändert gebliebenen MdE bezog. In einem derartigen Fall ist die Regelung des § 62 Abs 3 Satz 1 BVG heranzuziehen. Aus ihr ergibt sich, daß bei dem in der Vorschrift genannten Personenkreis die alljährlichen Anpassungen der Versorgungsrente nach § 56 BVG und den entsprechenden Anpassungsverordnungen nicht der Abschmelzung unterliegen (vgl dazu Entscheidungen des Senats SozR 3-3100 § 62 Nr 1, 2 und 3). Wie der Senat bereits mit Urteil vom 20. August 1990 (SozR 3-3100 § 62 Nr 1) entschieden hat, ist die an sich nur für den Fall der Besserung des Versorgungsleidens (Änderung der Verhältnisse „zu Ungunsten” des Versorgungsberechtigten) geltende Regelung des § 62 Abs 3 BVG auch für den Fall anwendbar, daß die seit mehr als zehn Jahren unverändert anerkannte MdE zu Unrecht festgestellt war (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl unveröffentlichtes Urteil vom 8. März 1995 - 9 RV 7/93; SozR 3-3100 § 62 Nr 2). Die dogmatische Begründung für die Übertragung der Regelung des § 62 Abs 3 auf diesen Fall hat der Senat allerdings erst in seinem Urteil vom 28. Juli 1999 (SozR 3-3100 § 62 Nr 3 = br 1999, 183) gegeben: Es sei insoweit eine Gesetzeslücke zu schließen. Der Gesetzgeber habe in der Regelung des § 62 Abs 3 BVG zu erkennen gegeben, daß ein über 55-jähriger Bezieher von laufenden Versorgungsbezügen gegen einen Eingriff in seinen sozialen Besitzstand, der auf einer langjährig anerkannten, wenngleich unzutreffenden MdE beruhe, weitgehend geschützt sein solle. Dies gesetzgeberische Ziel lasse sich nur erreichen, wenn der Versorgungsberechtigte gegen einen Eingriff in diesen Besitzstand nicht nur wegen einer durch eine Änderung der Verhältnisse rechtswidrig gewordenen (vgl § 48 Abs 1 SGB X), sondern auch wegen einer ursprünglich rechtswidrigen Anerkennung (§ 45 Abs 1 SGB X) geschützt werde. Seien aber in § 62 Abs 3 BVG genannte Personen, deren MdE die Versorgungsverwaltung von Anfang an zu hoch festgestellt habe, den Personen gleichzustellen, deren MdE nachträglich abgesunken sei, so verbiete es sich auch, die Abschmelzungsregelung des § 48 Abs 3 SGB X auf sie anzuwenden. Denn auch die Leistungen an diejenigen Personen, deren anerkannte MdE erst später – wegen einer Änderung der Verhältnisse (§ 48 Abs 1 SGB X) – der tatsächlich vorliegenden MdE nicht mehr entspreche, unterlägen nicht der Abschmelzungsregelung (vgl Entscheidung des Senats SozR 3-3100 § 62 Nrn 1 und 3). An dieser Rechtsprechung hält der Senat nach erneuter Prüfung fest.

Der Ausnahmecharakter des § 62 Abs 3 BVG steht der analogen Anwendung auf die Fälle nicht entgegen, in denen der Versorgungsträger von Anfang an eine zu hohe Leistung bewilligt hat. Es trifft nämlich nicht zu, daß Ausnahmebestimmungen eine Analogie verbieten und zu einem Umkehrschluß zwingen (vgl auch Urteil des Senats vom 28. Juli 1999 aaO mwN). Zwar darf eine Vorschrift, die für einen bestimmten Ausnahmefall oder eine Gruppe solcher Fälle erlassen ist, nicht analog angewandt werden auf Fälle, in denen die Ausnahmesituation nicht gegeben ist; in den Grenzen des Grundgedankens der Ausnahmevorschrift ist aber sehr wohl eine Analogie statthaft (BSGE 10, 244, 247). Die Herkunft der vom Senat entwickelten Regelung aus der Gleichstellung der älteren Empfänger von Versorgungsbezügen nach einer schon anfänglich zu Unrecht festgestellten MdE mit den in § 62 Abs 3 BVG ausdrücklich genannten Personen führt somit dazu, daß auch der gleichgestellte Personenkreis bei einer Änderung der Verhältnisse gegen eine (zeitweilige) Entdynamisierung der Leistung geschützt ist.

Bei den sonstigen – nicht die regelmäßige Anpassung der Leistungen betreffenden – Änderungen der Verhältnisse zugunsten des Berechtigten (zB Wegfall der Voraussetzungen für die Teilversorgung bei gleichzeitigem Eintritt der Voraussetzungen für die Vollversorgung – vgl unveröffentlichtes Urteil des Senats vom 8. März 1995 9 RV 7/93 – oder Erhöhung der MdE - SozR 3-3100 § 62 Nr 2 -) bleibt es dagegen bei der Anwendung des § 48 Abs 3 SGB X. Denn derjenige, dessen MdE gemäß der in § 62 Abs 3 BVG getroffenen Regelung nicht mehr verändert werden kann, kann sich nur darauf verlassen, daß ihm die Leistung mit den sich aus der Dynamisierung ergebenden Erhöhungen so verbleibt, wie es dem endgültig festgestellten, nicht mehr zu seinen Lasten veränderbaren MdE-Grad entspricht. Der Versorgungsberechtigte ist aber nach § 62 Abs 3 BVG nur gegen eine Herabsetzung des erreichten Grades der MdE geschützt. Für sonstige, dh nicht die Dynamisierung betreffende Änderungen der Verhältnisse zugunsten des Berechtigten ist daher eine Ausnahme von den Grundsätzen des § 48 Abs 3 SGB X nicht gerechtfertigt, weil insoweit § 62 Abs 3 BVG keinen Schutz bietet. Deshalb kann die Leistung bei solchen sonstigen Zugunsten-Änderungen nur auf die dem Berechtigten bei fehlerfreier Leistungsfeststellung zustehende Höhe und für den Fall, daß bei fehlerfreier Leistungsfeststellung kein Anspruch zustehen würde, überhaupt nicht erhöht werden.

Das SG hat den Verfügungssatz Nr 2 des angefochtenen Bescheides vom 5. Mai 1995 zu Recht in vollem Umfang aufgehoben. Eine nur teilweise Aufhebung wäre nur dann geboten gewesen, wenn das SG hätte davon ausgehen müssen, daß der Beklagte den Bescheid auch wegen der „sonstigen” Abschmelzungsfälle allein erlassen haben würde oder hätte erlassen müssen (vgl Kopp, VwVfG, 6. Aufl, RdNr 62 zu § 44; ders VwGO 10. Aufl RdNr 17 zu § 42; RdNr 14 zu § 113; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, RdNr 3b zu § 131). Diese Voraussetzung ist aber nicht erfüllt. Die von dem Beklagten getroffene Feststellung zu den Rechtsfolgen des § 48 Abs 3 SGB X ist nur wegen der laufenden Anpassungen sinnvoll, weil nur diese in vorhersehbarer Regelmäßigkeit und ohne umfassende rechtliche Prüfung (siehe oben) stattfinden. Dagegen haben Leistungserhöhungen aufgrund sonstiger Änderungen der Verhältnisse zugunsten des Berechtigten Ausnahmecharakter. Sie bedingen in der Regel eine weitergehende tatsächliche und rechtliche Prüfung. In diesen Fällen genügt es nicht nur, sondern liegt es sogar nahe, den Hinweis auf die Möglichkeit der Abschmelzung erst zusammen mit dem Bescheid zu erteilen, der anläßlich der Änderung der Verhältnisse ergeht (BSG SozR 3-3100 § 62 Nr 2).

Es kommt – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht darauf an, auf welche Weise der Versorgungsträger von der Unrichtigkeit des früheren Bescheides erfahren hat. Für die Zulässigkeit der Abschmelzung iS des § 48 Abs 3 BVG bei dem in § 62 Abs 3 BVG genannten Personenkreis spielt allein die Art der Änderungen der Verhältnisse eine Rolle. Dies hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 28. Juli 1999 (SozR 3-3100 § 62 Nr 3) ausgesprochen. Aus dem Urteil des Senats vom 12. Dezember 1995 (SozR 3-3100 § 62 Nr 2) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zwar hat der Senat dort ausgeführt, die Regelung des § 62 Abs 3 BVG beruhe auch auf der Absicht des Gesetzgebers, die Behelligung älterer Versorgungsempfänger durch medizinische Ermittlungen über den seinerzeitigen und den derzeitigen Gesundheitszustand möglichst zu vermeiden; dies spreche dagegen, die alljährliche Erhöhung der Versorgungsrenten zum Anlaß für medizinische Ermittlungen zu nehmen; doch entfalle dieser Gesichtspunkt, wenn der Beschädigte selbst einen Antrag auf Erhöhung seiner Versorgungsbezüge wegen Verschlimmerung seiner schädigungsbedingten Leiden gestellt habe. Daraus läßt sich aber nicht mit dem Beklagten der Schluß ziehen, bei einer ursprünglichen Unrichtigkeit der MdE-Feststellung, die sich aufgrund einer Initiative des Berechtigten herausstellt, sei eine Abschmelzung nach § 48 Abs 3 SGB X auch hinsichtlich der laufenden Leistungsanpassungen zulässig. Der Regelung des § 62 Abs 3 BVG ist lediglich zu entnehmen, daß spontane routinemäßige Nachuntersuchungen des Leistungsberechtigten bei älteren Versorgungsberechtigten unterbleiben sollen. Zu solchen medizinischen Ermittlungen wäre der Versorgungsträger, der den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichtet ist, aber gerade gezwungen, wenn eine Abschmelzung von laufenden Erhöhungen aufgrund der Unrichtigkeit des Altbescheides auch bei älteren Versorgungsberechtigten uneingeschränkt zulässig wäre. Er dürfte (und müßte ggf sogar) auch diese Personen von sich aus untersuchen lassen, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für die als zulässig gedachte Abschmelzung vorliegen, dh insbesondere, ob die der Versorgung zugrundeliegenden Altbescheide zu Recht ergangen sind. Ein derartiges Vorgehen widerspräche aber dem Zweck der in § 62 Abs 3 BVG getroffenen Regelung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 543081

SozSi 2001, 179

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