Leitsatz (amtlich)

1. Ein Versicherter kann das Begehren auf geldliche Förderung einer Umschulung grundsätzlich auch dann weiterverfolgen, wenn er nach der Antragstellung seine Rehabilitation vorerst ohne Zutun des Versicherungsträgers selbst betrieben hat.

2. Hat ein Versicherter mit seiner Umschulung noch vor der Bescheiderteilung durch den Versicherungsträger begonnen, so beurteilt sich das Förderungsbegehren spätestens nach dem zu Beginn der Umschulung geltenden Recht.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Bestimmung des anzuwendenden Rechts und zur Förderungshöchstdauer bei Rehabilitationsmaßnahmen - Die Umschulung ist auch im Rahmen der beruflichen Rehabilitation beendet, wenn ein auf dem Arbeitsmarkt verwertbarer Abschluß erreicht ist - Schweigen der Verwaltung bedeutet nicht Zustimmung

 

Normenkette

AVG § 13 Fassung: 1957-02-23, § 14 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1236 Fassung: 1957-02-23, § 1237 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; AVG § 13 Fassung: 1974-08-07, § 14a Abs. 3 Fassung: 1974-08-07; RVO § 1236 Fassung: 1974-08-07, § 1237a Abs. 3 Fassung: 1974-08-07; AFG § 47 Fassung: 1969-09-25, § 57 Fassung: 1969-09-25; GG Art. 12 Abs. 1 Fassung: 1968-06-24; RehaAnO § 27 Abs. 1 S. 3 Fassung: 1970-07-02

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 15.03.1978; Aktenzeichen L 15 An 17/77)

SG Berlin (Entscheidung vom 15.02.1977; Aktenzeichen S 13 An 985/76)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 15. Mars 1978 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die 1949 geborene Klägerin, die für 60 Kalendermonate Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung entrichtet hat, beantragte bei der Beklagten im Februar 1974 wegen fortschreitender gesundheitlicher Beschwerden bei der Ausübung ihres Berufes als Kinderkrankenschwester eine Ausbildungsbeihilfe für eine Umschulung zur Sozialarbeiterin. Der Ausbildungsgang umfaßt ein dreijähriges Studium, das die Klägerin im April 1974 an der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in B. begann und inzwischen abschloß, und ein anschließendes einjähriges Berufspraktikum. Die staatliche Anerkennung als Sozialarbeiterin wird nach Abschluß des Berufspraktikums erteilt.

Die Beklagte lehnte nach ärztlicher Begutachtung, die sich durch eine Schwangerschaft der Klägerin verzögerte, mit Bescheid vom 20. Januar 1976, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 1976, die beantragte Umschulung ab, da die in § 14a Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) idF des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes (RehaAnglG) festgelegte Förderungsdauer von zwei Jahren überschritten sei.

Die vom Sozialgericht (SG) beigeladene Bundesanstalt für Arbeit (BA) kommt nach ihrer Ansicht als Leistungsträger nicht in Frage.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) sah ebenfalls das AVG idF des RehaAnglG als maßgebend an, da die ablehnende Entscheidung der Beklagten nach dessen Inkrafttreten zum 1. Oktober 1974 ergangen sei. Die zweijährige Regelumschulungszeit des § 14a AVG werde selbst dann um ein Jahr überschritten, wenn die Zeit des Berufspraktikums unberücksichtigt bleibe. Eine Ausnahme von der Regelumschulungszeit sei nicht möglich, da für die Klägerin andere beispielhaft angeführte Berufe mit einer Umschulungszeit bis zu zwei Jahren in Betracht kämen.

Die Beklagte sei auch nicht nach dem Grundsatz des Vertrauensschutzes verpflichtet, die länger dauernde Umschulung zur Sozialarbeiterin zu gewähren. Bei Antragstellung im Februar 1974 habe noch § 14 Abs 3 AVG aF gegolten, wonach Leistungen zur Berufsförderung in der Regel nicht länger als ein Jahr zu gewähren seien. Die Klägerin habe sich bereits vor Antragstellung einen Studienplatz besorgt und stets nur diese bestimmte Umschulungsmaßnahme erstrebt. Die lange Verfahrensdauer sei der Beklagten nicht anzulasten. Denn erst die ärztliche Begutachtung habe geklärt, ob eine Umschulung in der Regelzeit möglich sei.

Auch wenn die Beklagte in einem vergleichbaren Einzelfall die Umschulung gewährt haben sollte, sei sie nicht gehalten, auch in anderen Fällen das Gesetz fehlerhaft anzuwenden.

Von der Beigeladenen müsse eine Umschulungsmaßnahme schon dann abgelehnt werden, wenn die Gesamtausbildung mehr als 3 Jahre erfordere (§§ 47 Abs 3 Satz 2, 56 Abs 4 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-).

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 14a AVG iVm Art 12 des Grundgesetzes (GG). Das LSG habe verkannt, daß nur auf Eignung und Neigung des Versicherten unter angemessener Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit abzustellen sei. Im übrigen würde auch die Ausbildung in den vom LSG vorgeschlagenen Berufen zwei Jahre überschreiten. Die lange Verfahrensdauer könne nur als konkludente Zustimmung der Beklagten zu der beabsichtigten Umschulung gewertet werden. Ferner sei Art 3 GG verletzt, da das LSG die Verwaltungsakten über das von der Klägerin angeführte Beispiel einer Bewilligung der Umschulung zum Sozialarbeiter nicht beigezogen habe.

Das LSG habe schließlich verkannt, daß für die Beigeladene die gleichen Richtlinien Geltung hätten wie für die Beklagte. Die Beigeladene sei ebenfalls zur Gewährung der Umschulungsmaßnahme verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen und die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte

- hilfsweise die Beigeladene -

zu verpflichten, die Kosten für die Umschulung der Klägerin zur Sozialarbeiterin zu übernehmen.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen

Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

II

Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen.

Dem LSG ist im Ergebnis darin zuzustimmen, daß die Klage weder gegenüber der beklagten BfA noch gegenüber der beigeladenen BA gerechtfertigt ist.

1. Die Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden die beantragte Ausbildungshilfe für die Umschulung zur Sozialarbeiterin rechtmäßig abgelehnt.

a) Mit der Beklagten ist davon auszugehen, daß das hier geltend gemachte Begehren auf geldliche Förderung der Umschulung zur Zeit der Bescheiderteilung durch die Beklagte nicht bereits deshalb gegenstandslos geworden war, weil die Klägerin schon vor der Bescheiderteilung mit der Umschulung begonnen hatte. Ebensowenig steht dem Weiterverfolgen dieses Begehrens der wohl inzwischen erfolgte Abschluß der Umschulung entgegen. Zwar sind alle Leistungen zur Rehabilitation final auf den Zweck der Rehabilitation ausgerichtet; auch die geldlichen Leistungen des Versicherungsträgers für eine Umschulung sind "zur Rehabilitation" (§ 13 AVG) bestimmt; sie können daher grundsätzlich nur für eine zukünftige, nicht für eine zurückliegende Maßnahme begehrt und bewilligt werden. Die Klägerin hat jedoch die Förderung ihrer Umschulung hier schon vor deren Beginn beantragt; da Rehabilitation regelmäßig keinen Aufschub zuläßt, darf es einem Versicherten bei notwendiger Rehabilitation nicht zum Nachteil gereichen, wenn er nach der Antragstellung seine Rehabilitation vorerst ohne Zutun des Versicherungsträgers selbst betrieben hat. In einem solchen Falle ist der Versicherte bei begründetem Antrag so zu stellen, als ob er die beantragten Leistungen rechtzeitig erhalten hätte; geldliche Leistungen sind daher dann noch im nachhinein zu gewähren.

b) Das LSG und die Beklagte haben jedoch zu Unrecht angenommen, der Förderungsanspruch richte sich nach den §§ 13 ff AVG idF des seit 1. Oktober 1974 geltenden RehaAnglG. Dieses war zwar bei Erlaß der Verwaltungsbescheide bereits in Kraft getreten. Wie der 1. Senat des BSG jedoch schon entschieden hat (BSG SozR 2200 § 182 Nr 29; Urteil vom 25. 10. 1978 - 1 RA 1/78 - mit weiteren Nachweisen), bestimmt sich bei Rehabilitationsmaßnahmen das anzuwendende Recht nach dem Zeitpunkt, zu dem diese notwendig geworden sind; dem schließt sich der erkennende Senat an. Hiernach ist jedoch zu unterscheiden zwischen Fällen, in denen bei der Bescheiderteilung durch den Versicherungsträger die Rehabilitationsmaßnahme noch bevorsteht, und solchen, in denen sie bei der Bescheiderteilung als einmalige Maßnahme bereits durchgeführt war oder als länger dauernde Maßnahme bereits begonnen hatte. In den erstgenannten Fällen mag es zulässig sein, die Notwendigkeit der Rehabilitation nicht nur nach dem Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auch noch nach dem Zeitpunkt der Bescheiderteilung zu beurteilen; in den letztgenannten Fällen kommt für die Beurteilung der Rehabilitationsnotwendigkeit dagegen als spätester Zeitpunkt bei einmaligen Maßnahmen der Zeitpunkt der Durchführung und bei länger dauernden Maßnahmen nur der Zeitpunkt ihres Beginns in Betracht. Insoweit ist bei den länger dauernden Maßnahmen nämlich zu beachten, daß sie für die Beurteilung der Notwendigkeit nicht in Teilmaßnahmen zerlegt werden können, vielmehr als einheitliche Rehabilitationsmaßnahme zu behandeln sind. Nach diesen Grundsätzen ist auch der 1. Senat in vergleichbaren Fällen verfahren: so hat er in SozR 2200 § 1236 Nr 3 bei einem Streit um einen Kraftfahrzeugzuschuß auf den Zeitpunkt des Kraftfahrzeugerwerbs (einmalige Maßnahme) abgestellt; in SozR 2200 § 182 Nr 29 hielt er bei einem Streit um einen Zuschuß zu Zahnbehandlungskosten bei einer von März 1973 bis Juni 1975 dauernden Behandlung (länger dauernde Maßnahme) den Beginn dieser Maßnahme für entscheidend. Sonach ist im vorliegenden Fall das Begehren der Klägerin, da Antragstellung und Umschulungsbeginn zeitlich noch vor dem Inkrafttreten des RehAAnglG liegen, nach dem damals geltenden Recht zu beurteilen; das RehaAnglG enthält keine dem entgegenstehende Bestimmung; sein § 39 ordnet für laufende Maßnahmen nur hinsichtlich der Höhe der Leistung die Anwendung neuen Rechts ab 1. Oktober 1974 an. Auch die Neufassung der §§ 13 ff AVG durch das 20. Rentenanpassungsgesetz vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1040) ist somit nicht auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

c) Gleichwohl hat das LSG im Ergebnis zu Recht die Klage als unbegründet angesehen. Denn auch bei Anwendung des vor dem 1. Oktober 1974 geltenden Rechts hat die Beklagte den Antrag der Klägerin ablehnen müssen, und zwar jedenfalls deshalb, weil die Umschulung länger als drei Jahre gedauert hat. Insoweit war ihr kein Ermessen eingeräumt. Nach § 14 Abs 3 AVG (= § 1237 Abs 3 RVO) aF durfte sie eine Berufsförderung "nicht über weitere zwei Jahre" über die Regelförderungszeit von einem Jahr hinaus ausdehnen.

Die von der Klägerin beantragte und durchgeführte Umschulung zur Sozialarbeiterin dauerte länger als drei Jahre. Denn die Umschulung war erst mit Erteilung der staatlichen Anerkennung als Sozialarbeiterin nach Abschluß des Anerkennungsjahres (Anerkennungspraktikum) abgeschlossen. Das SG hat hierzu festgestellt, daß die staatliche Anerkennung als Sozialarbeiter erst nach Abschluß des einjährigen Berufspraktikums erteilt wird. Das LSG hat keine abweichende Feststellung getroffen; es hat lediglich die Rechtsfrage offengelassen, ob unter diesen Umständen die Umschulung rechtlich schon mit dem Abschluß des Studiums nach drei Jahren oder erst mit Abschluß des Praktikums nach vier Jahren ende. Diese Rechtsfrage ist im Sinne der Einbeziehung des Praktikums zu entscheiden.

Eine Umschulung soll die Ausübung eines neuen Berufes ermöglichen. Sie ist grundsätzlich bis zur Erreichung des angestrebten Berufszieles zu fordern (§ 14 Abs 3 Satz 2 AVG aF, § 14a Abs 3 Satz 1 AVG nF). Diesem Ziel entsprechend, ist die Umschulung erst dann beendet, wenn sie zu einem Abschluß geführt hat, der die Aufnahme der angestrebten Berufstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt ermöglicht. Insoweit gelten für die Umschulung als Rehabilitationsmaßnahme in der Rentenversicherung die gleichen Grundsätze wie sie das BSG zur Umschulung nach dem AFG, sei es als Rehabilitationsmaßnahme, sei es als Maßnahme der beruflichen Bildung nach § 47 AFG in der vor dem Gesetz vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) geltenden Fassung entwickelt hat (vgl BSG. SozR 2200 § 1237a Nr 3). Zu § 47 AFG ist bereits entschieden, daß die Umschulung zum Grundschullehrer erst mit der zweiten Lehrerprüfung (vgl BSGE 37, 223 = SozR 4100 § 47 Nr 1; BSGE 40, 185 = SozR 4100 § 47 Nr 13; SozR 4100 § 47 Nr 13) und die Umschulung zum Masseur und medizinischen Bademeister erst mit Abschluß des Nachpraktikums (BSG SozR 4100 § 47 Nr 12) beendet sei.

Demnach war der Beklagten gem § 14 Abs 3 AVG aF die Bewilligung der begehrten Umschulung verwehrt, da diese die Höchstdauer von drei Jahren überschritt.

Auf die vom LSG erörterte Frage, ob der Klägerin eine Umschulung in einen anderen Beruf mit kürzerer Umschulungszeit zumutbar war, mit der sich die Revision ausführlich auseinandersetzt, kommt es daher nicht an.

d) Auf andere Rechtsgrundlagen als das AVG kann die Klägerin ihr Begehren ebenfalls nicht stützen.

Die Versagung der Umschulungsförderung für den von der Klägerin gewünschten Beruf verstößt nicht gegen Art 12 GG. Den Rehabilitationsbestimmungen des AVG fehlt jede berufsregelende Tendenz (vgl SozR Nr 9 zu § 1237 RVO und ferner SozR 4100 § 36 Nr 5 hinsichtlich der dortigen Ausführungen zu Art 12 GG); durch die Versagung ist die Klägerin tatsächlich auch nicht gehindert worden, den Beruf ihrer Wahl zu ergreifen. Im übrigen hat sie eine Verletzung des Art 12 GG nur im Zusammenhang mit § 14a AVG idF des RehaAnglG gerügt, der hier ohnehin nicht anwendbar ist.

Die lange Dauer des Verwaltungsverfahrens bis zur Erteilung des ersten Bescheides läßt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht als konkludente Zustimmung der Beklagten zu der beabsichtigten Umschulung im Sinne der Zusage eines diese Umschulung fördernden Verwaltungsaktes werten; schon deshalb kann dahinstehen, ob die Beklagte an diese (rechtwidrige) "Zusage" gebunden wäre.

Der Klageanspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines öffentlich-rechtlichen Schadensersatzanspruchs (sozialrechtlichen Schadensersatzanspruchs) begründet. Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte die Klägerin noch vor der im Antrag angekündigten Aufnahme des Studiums für April 1974 hätte darauf hinweisen müssen, daß eine Förderung der Maßnahme ausgeschlossen sei. Denn durch das Fehlen eines derartigen Hinweises könnte die Klägerin allenfalls insofern Schaden erlitten haben, als sie nicht rechtzeitig die Ausbildung für einen anderen Beruf begonnen hätte. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es der Klägerin jedoch um die Förderung der Umschulung zur Sozialarbeiterin.

Da die Förderung der Umschulung hier der Beklagten aus Rechtsgründen verwehrt war, kann die Klägerin schließlich sich schon aus diesem Grunde nicht darauf berufen, daß die Beklagte in anderen vergleichbaren Fällen die Ausbildungsbeihilfe bewilligt habe. Eine Verwaltungsübung, die dem Gesetz nicht entspricht, gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung (BSGE 38, 63; 40, 246, 251).

2. Zu Recht hat das LSG auch nicht gem § 75 Abs 5 SGG die beigeladene BA verurteilt. Diese ist zur - nachträglichen - Gewährung der Umschulungsförderung ebenfalls nicht verpflichtet.

Dabei braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob die BA nach dem hier gleichfalls anzuwendenden Recht vor Oktober 1974 zur Berufsförderung Behinderter auch dann verpflichtet sein konnte, wenn der Behinderte die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zu dem vom Versicherungsträger zu betreuenden Personenkreis erfüllte. In der Rechtsprechung des BSG war die Verpflichtung der BA unter der Geltung des AVAVG zumindest als gleichrangig angesehen worden (SozR Nr 4 zu § 39 AVAVG). Entsprechend war zu § 57 AFG idF vom 25. September 1969 unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte ausgeführt, der in dieser Vorschrift enthaltene Zusatz, "soweit nicht ein anderer Träger zuständig ist" bewirke nicht den vollständigen Ausschluß von Leistungen der BA, wenn ein anderer Träger gleiche oder ähnliche Leistungen erbringen müsse; die in der Vorschrift zum Ausdruck kommende Subsidiarität der Leistungsverpflichtung besage lediglich, daß die BA die ihr nach dem AFG obliegenden Leistungen unter Berücksichtigung der entsprechenden Leistungen anderer Rehabilitationsträger zu erbringen, sie also "aufzustocken" habe (BSGE 41, 241). Folgt man dieser Rechtsprechung, obgleich das Gesetz nicht von der Leistungsverpflichtung, sondern von der Zuständigkeit des anderen Rehabilitationsträgers spricht und obgleich hier ein Fall der Aufstockung nicht gegeben ist, so ist der Anspruch gegen die beigeladene BA gleichwohl wegen der Maßnahmedauer nicht begründet.

Vor dem Inkrafttreten des § 56 Abs 4 AFG idF des RehaAnglG enthielt das AFG keine Vorschrift über die Maßnahmedauer bei berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation. Eine solche Regelung ist jedoch in § 27 Abs 1 Satz 3 der vom Verwaltungsrat der BA aufgrund der §§ 39, 191 Abs 3 AFG erlassenen Anordnung über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter vom 2. Juli 1970 -AReha - (ANBA 1970, 637) enthalten. Nach deren § 27 Abs 1 Satz 3, der von den fünf folgenden Änderungsanordnungen unberührt blieb, wird die Teilnahme an Maßnahmen, die bei Vollzeitunterricht zwei Jahre, bei Einarbeitungsmaßnahmen ein Jahr übersteigen, nur gefördert, wenn die berufliche Fortbildung oder Umschulung auf andere Weise nicht verwirklicht werden kann und die Förderungsdauer drei Jahre nicht überschreitet. Hierzu hat das BSG bereits näher ausgeführt, daß der Begriff "Förderungsdauer" trotz der mißverständlichen Wortbildung nach Sinn und Zweck der Regelung die "Dauer der Umschulungsmaßnahme" iS des § 47 AFG meine. Auch nach § 27 Abs 1 Satz 3 AReha sei daher die Förderungspflicht der BA für Behinderte auf solche Umschulungsmaßnahmen beschränkt, die objektiv nicht länger als drei Jahre dauerten. Die Beschränkung auf drei Jahre sei für die Gerichte bindend; denn die nach §§ 39, 191 Abs 3 AFG ergangenen Anordnungen der BA seien autonomes Satzungsrecht mit Rechtsnormcharakter. Die Regelung werde auch von der Ermächtigung gedeckt (BSG SozR 4100 § 47 Nr 1). Dem schließt sich der erkennende Senat an.

Damit kommt auch eine Verurteilung der Beigeladenen nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653874

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