Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung von Leistungen. Bösgläubigkeit

 

Orientierungssatz

1. Wissen oder Wissenmüssen des Empfängers von Versorgungsleistungen, daß ihm die Versorgungsbezüge nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustehen, muß im Zeitpunkt des Zahlungsempfanges vorhanden sein (vgl BSG 1960-08-30 9 RV 854/57 = BSGE 13, 56).

2. Ist das Einkommen des Rentenempfängers geringer als die ungekürzte Grund- und Ausgleichsrente eines Erwerbsunfähigen, so ist ohne weitere Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse die Rückforderung als nicht vertretbar anzusehen.

 

Normenkette

KOVVfG § 47 Abs. 2 Fassung: 1955-05-02

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 13.10.1960)

SG Reutlingen (Entscheidung vom 12.11.1958)

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13. Oktober 1960 wird aufgehoben; die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Klägerin (geboren am 3. November 1905) erhielt als Kriegerwitwe von Juni 1944 an für sich und ihre 1941 geborene Tochter M... Hinterbliebenenbezüge auf Grund der damals geltenden Vorschriften. Durch Umanerkennungsbescheid des Versorgungsamts (VersorgA) Rottweil vom 9. April 1951 wurden die Versorgungsbezüge mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) festgestellt und neu berechnet. Der Bescheid enthielt den Hinweis, daß jede Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere der Beginn und die Änderung eines Einkommens jeder Art dem VersorgA unverzüglich anzuzeigen sei, unrechtmäßig empfangene Versorgungsbezüge seien zurückzuzahlen.

Am 16. Juni 1952 erhielt die Klägerin eine Stelle als Näherin in der Universitäts-Kinderklinik T.... Sie zeigte dieses Beschäftigungsverhältnis dem VersorgA an und legte eine Bescheinigung der Universitätskasse über ihren monatlichen Durchschnittsverdienst vor. Da sich das Einkommen der Klägerin in der Folgezeit änderte, wurde die Rente der Klägerin mehrfach neu berechnet; dabei wurden geringfügige "Überzahlungen" festgestellt, diese wurden in Raten von der laufenden Rente einbehalten. Die Bescheide enthielten jeweils den Hinweis auf die Anzeigepflicht.

Am 27. Dezember 1955 teilte das Universitätsrentamt Tübingen dem VersorgA mit, es sei nach einem Erlaß des Finanzministeriums möglich, der Klägerin mit Wirkung vom 1. April 1953 an den Kinderzuschlag für ihre Tochter nachzuzahlen; die Nachzahlung betrage für die Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. August 1955 monatlich 22,50 DM, ab 1. September 1955 monatlich 26,25 DM, die Auszahlung werde voraussichtlich mit den Januarbezügen 1956 erfolgen; das Rentamt fragte an, ob sich diese Nachzahlung auf die Ausgleichsrente der Klägerin auswirke. Das VersorgA antwortete dem Universitätsrentamt unter dem 25. Januar 1956, der Kinderzuschlag führe zu einer Minderung der Ausgleichsrente der Klägerin, bei der rückwirkenden Neufeststellung der Versorgungsbezüge der Klägerin werde sich eine Überzahlung ergeben, diese werde in tragbaren Raten von den laufenden Versorgungsbezügen einbehalten.

Mit Bescheid vom 23. Mai 1956 stellte das VersorgA die Witwenrente der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 1953 an neu fest; es berücksichtigte nunmehr den Kinderzuschlag und errechnete für die Zeit vom 1. Mai 1953 bis 30. Juni 1956 eine "Überzahlung" von 757,-- DM; es forderte diesen Betrag zurück und verfügte, daß dieser Betrag mit monatlich 15,-- DM von den laufenden Bezügen einbehalten werde.

Die Klägerin wandte sich mit ihrem Widerspruch vom 8. Juni 1956 gegen die Rückforderung. Sie habe zur Zeit der Zahlung der Rente nicht gewußt und auch nicht wissen können, daß ihr die Rente in der gezahlten Höhe nicht zustehe. Bei der Nachzahlung des Kinderzuschlages im Januar 1956 sei sie dahin unterrichtet worden, daß dieser Zuschlag nicht zum Einkommen der Mutter gehöre. Die Anfrage des Universitätsrentamts vom Dezember 1955, die sie selbst veranlaßt habe, sei unbeantwortet geblieben, sie habe daher nach Ablauf eines Vierteljahres nicht mehr mit einer Rückforderung gerechnet und die Nachzahlung für dringende Anschaffungen verbraucht. Im übrigen liege ihr Einkommen unter der Grenze der Rente eines Erwerbsunfähigen, so daß die Rückforderungen auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht vertretbar sei. Das Landesversorgungsamt (LVersorgA) gab dem Widerspruch nicht statt. Das Sozialgericht (SG) Reutlingen wies die Klage durch Urteil vom 12. November 1958 ab. Nachdem die Beklagte anerkannt hatte, daß sich der streitige Rückforderungsanspruch von 757,-- DM um 55,-- DM auf 702,-- DM ermäßige, weil für die Zeit vom 1. September 1953 bis 30. September 1954 sowie für die Zeit vom 1. Januar 1955 bis 31. August 1955 keine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten sei (§ 62 Abs. 3 BVG), wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die Berufung durch Urteil vom 13. Oktober 1960 zurück: Die Rückforderung sei nach § 47 Abs. 2 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) gerechtfertigt. Die Klägerin, von der in früheren Jahren bereits zweimal Überzahlungen geringeren Ausmaßes in Raten einbehalten worden seien, habe auch bei nur durchschnittlicher Intelligenz wissen müssen, daß eine rückwirkende Erhöhung ihres Einkommens sich auf die Versorgungsrente auswirken und eine Rückforderung ergeben werde. Entscheidender Zeitpunkt für das Wissen und Wissenmüssen im Sinne des § 47 Abs. 2 erster Halbsatz VerwVG sei der Zeitpunkt des Erhalts der Nachzahlung. Die Rückforderung sei darüber hinaus auch wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin vertretbar; nach der Aufstellung der Universitätskasse habe die Klägerin im November 1955 und im Januar 1956 Nachzahlungen in Höhe von insgesamt ca. 1.000,-- DM erhalten; es komme nicht darauf an, ob die Klägerin zu dieser Zeit geringere Einkünfte gehabt habe, als die ungekürzte Grund- und Ausgleichsrente eines Erwerbsunfähigen betrage; auch sei zu berücksichtigen, daß sich das Einkommen der Klägerin seitdem nicht unbeträchtlich erhöht habe, so daß ihr eine ratenweise Rückzahlung durchaus möglich sei; der Umstand, daß § 71 a BVG n.F. nicht angewandt worden sei, könne dem Beklagten nicht zum Nachteil gereichen; abgesehen davon, daß der Ausgleich über diese Vorschrift dem VersorgA zeitlich nicht möglich gewesen sei, liege es im Ermessen der Versorgungsverwaltung ob sie von dieser Vorschrift Gebrauch machen oder den Weg der Rückforderung beschreiten wolle. Das LSG ließ die Revision zu.

Gegen das am 28. November 1960 zugestellte Urteil legte die Klägerin am 2. Dezember 1960 Revision ein und begründete sie - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 28. Februar 1961 - an diesem Tage. Sie beantragte,

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 13. Oktober 1960 und das Urteil des SG Reutlingen vom 12. November 1958 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 1956 insoweit aufzuheben, als darin ein Rückforderungsanspruch wegen überzahlter Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. Mai 1953 bis zum 31. Dezember 1955 gegen die Klägerin geltend gemacht wird,

hilfsweise,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zu neuer Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Klägerin rügte die Verletzung des § 47 Abs. 2 VerwVG. Für die hier allein streitige Zeit vom 1. Mai 1953 bis zum 31. Dezember 1955 sei der Rückforderungsanspruch nicht begründet; beim Empfang der Versorgungsbezüge für diesen Zeitraum habe sie nicht gewußt und auch nicht wissen müssen, daß ihr die Bezüge in der gezahlten Höhe nicht zuständen. Für die Frage des Wissens oder Wissenmüssens komme es entgegen der Auffassung des LSG nicht auf den Zeitpunkt derjenigen Zahlung an, mit der die Überzahlung bewirkt worden sei, sondern auf den Zeitpunkt der Zahlung jeder einzelnen zu Unrecht geleisteten Versorgungsrente. Die Rückforderung sei auch nicht schon im Hinblick auf die Höhe der Nachzahlung begründet; § 47 Abs. 2 b idF des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960, der auf die Höhe der Nachzahlung abstelle, sei auf Rückforderungsansprüche, die der Beklagte - wie hier - vor dem 2. Juli 1960 erhoben habe, nicht anwendbar. Die Rückforderung sei auch nicht wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin vertretbar; die Klägerin habe zur Zeit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs geringere Einkünfte gehabt als die ungekürzte Grund- und Ausgleichsrente eines Erwerbsunfähigen; dieser Umstand schließe es aus, die Rückforderung ohne Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse als vertretbar anzusehen. Der Rückforderungsanspruch könne auch nicht damit begründet werden, daß sich das Einkommen der Klägerin nach Erlaß des angefochtenen Rückforderungsbescheids nicht unbeträchtlich erhöht habe; insoweit komme es allein auf die Vermögenslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an.

Der Beklagte beantragte,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft; die Klägerin hat sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet; sie ist sonach zulässig; sie ist auch begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 23. Mai 1956 ist rechtmäßig, soweit er feststellt, daß die Klägerin seit dem 1. Mai 1953 die Witwenrente in der gezahlten Höhe nicht zu beanspruchen hat, weil sich ihr anrechenbares Einkommen seit dem 1. April 1953 durch die nachträgliche Zahlung des Kinderzuschlags erhöht hat. Das ist zwischen den Parteien unstreitig. Nach dem Revisionsantrag ist nur darüber zu entscheiden, ob der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid die Rente, die er für die Zeit vom 1. Mai 1953 bis zum 31. Dezember 1955 zuviel gezahlt hat, zu Recht hat zurückfordern dürfen. Insoweit ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß der Rückforderungsanspruch des Beklagten nach § 47 Abs. 2 VerwVG idF vom 2. Mai 1955 - aF- (BGBl I 202) zu beurteilen ist und daß die Neufassung dieser Vorschrift durch Art. II des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 (BGBl. I 453) nicht angewandt werden kann. Der Rückforderungsbescheid, dessen teilweise Aufhebung die Klägerin begehrt, ist ein Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung, es kommt daher auf die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt an, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung, hier also der Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 1956, ergangen ist (vgl. BSG 7, 8, 13 mit weiteren Hinweisen; Haueisen, NJW 1958, 1065 ff; im Ergebnis ebenso BSG 13, 56 sowie Urteil vom 30.5.1961 - 10 RV 585/57 -). Nach § 47 Abs. 2 VerwVG aF kann, soweit die Überzahlung - wie hier - auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruht, der zu Unrecht gezahlte Betrag nur zurückgefordert werden, wenn der Empfänger wußte oder wissen mußte, daß ihm die gezahlten Versorgungsbezüge im Zeitpunkt der Zahlung nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustanden (erster Halbsatz) oder wenn die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar ist (zweiter Halbsatz). Das LSG hat nun festgestellt, die Klägerin habe wissen müssen, daß ihr die Rente in der bisherigen Höhe nicht zustand (§ 47 Abs. 2 erster Halbsatz VerwVG aF); dabei hat es aber allein auf den Zeitpunkt der Nachzahlung des Kinderzuschlags abgestellt und nicht geprüft, ob die Klägerin im Zeitpunkt der Zahlung der jeweiligen Versorgungsbezüge für den hier in Betracht kommenden Zeitraum vom 1. Mai 1953 bis 31. Dezember 1955 gewußt hat oder hat wissen müssen, daß ihr die gezahlte Rente in bisheriger Höhe nicht zustand; es hat dazu auch keine Feststellungen getroffen, gerade darauf ist es aber bei der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsanspruchs nach § 47 Abs. 2 erster Halbsatz VerwVG aF angekommen, denn "Zeitpunk der Zahlung" ist nicht, wie das LSG angenommen hat, der Zeitpunkt derjenigen Zahlung, die bewirkt, daß die Versorgungsbezüge überzahlt sind, sondern der Zeitpunkt, in dem die jeweiligen Versorgungsbezüge - infolge veränderter Verhältnisse ganz oder teilweise zu Unrecht - gezahlt worden sind. Das LSG beruft sich zwar das Urteil des 9. Senats vom 31. Juli 1957 (BSG 5, 267), der 3. Senat hat aber die Ansicht, die er in diesem Urteil vertreten hat, bereits in den Urteilen vom 18. Dezember 1958 (BSG 9, 47, 52) und vom 30. August 1960 (BSG 13, 56, 58) wieder aufgegeben, und zwar nicht, wie das LSG meint, "ohne ersichtlichen Grund", sondern mit eingehender Begründung. Der 7. Senat hat sich inzwischen der neueren Auffassung des 9. Senats angeschlossen (vgl. Urteil vom 4.8.1961 - 7 RV 1018/58 -). Der erkennende Senat ist der gleichen Auffassung.

Das Urteil des LSG beruht auch insoweit auf unrichtiger Anwendung des Gesetzes, als es die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin nach § 47 Abs. 2 zweiter Halbsatz VerwVG aF für vertretbar hält. Zunächst hat das LSG, wie die Revision mit Recht hervorhebt, rechtsirrig die Behauptung der Klägerin, ihr Einkommen sei zur Zeit der Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs geringer als die ungekürzte Grund- und Ausgleichsrente eines Erwerbsunfähigen gewesen, unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 18. Februar 1960 (SozR Nr. 8 zu § 47 VerwVG) für unbeachtlich gehalten. In dieser Entscheidung ist lediglich ausgeführt, daß die Verwaltungsvorschrift Nr. 11 Satz 1 zu § 47 VerwVG insoweit mit dem Gesetz nicht in Einklang steht, als sie bestimmt, eine Rückforderung sei wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Versorgungsempfängers vertretbar, wenn ihm netto mehr Einkünfte zur Verfügung stehen als er haben würde, wenn er nur die ungekürzte Grund- und Ausgleichsrente eines Erwerbsunfähigen beziehen würde. Ist dagegen das Einkommen des Rentenempfängers geringer als die ungekürzte Grund- und Ausgleichsrente eines Erwerbsunfähigen, so ist, wie der 10. Senat in seinem Urteil vom 30. Mai 1961 - 10 RV 585/57 - entschieden hat, die Verwaltungsvorschrift Nr. 11 anwendbar mit der Folge, daß ohne weitere Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse die Rückforderung als nicht vertretbar anzusehen ist. Dieser Auffassung ist auch der erkennende Senat. Das LSG wäre daher verpflichtet gewesen, dem rechtserheblichen Vorbringen der Klägerin nachzugehen und das Einkommen der Klägerin genau zu ermitteln, um prüfen zu können, ob die ungekürzte Rente eines Erwerbsunfähigen erreicht wird. Das LSG hat zur Frage der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin lediglich festgestellt, daß die Klägerin im November 1955 und Januar 1956 größere Nachzahlungen von insgesamt ca. 1000,-- DM erhalten und daß sich ihr Einkommen "seitdem nicht unbeträchtlich erhöht" habe, es hat aus diesen Gründen die Rückforderung für vertretbar gehalten. Auch von seinem Standpunkt aus hat sich aber das LSG für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mit der Feststellung des Zeitpunkts und der Höhe der Nachzahlung sowie dem unbestimmten Hinweis auf die "nicht unbeträchtliche" Erhöhung des Einkommens der Klägerin begnügen dürfen, es hat vielmehr die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, und zwar - wie die Revision mit Recht hervorhebt - die Verhältnisse zur Zeit der letzten Verwaltungsentscheidung (Widerspruchsbescheid vom 18.7.1956) ermitteln und würdigen müssen (vgl. BSG 7, 8). Die "wirtschaftlichen Verhältnisse" sind nicht nur nach den Einkünften zu beurteilen, es kommt auf die gesamte wirtschaftliche Lage an, wobei die Vermögens- und Familienverhältnisse und auch etwaige besondere Aufwendungen zu berücksichtigen sind, denn nach dem Wortlaut und Zweck des Gesetzes soll die Rückforderung nur dann möglich sein, wenn der Empfänger wirtschaftlich so gestellt ist, daß die Rückforderung von ihm erwartet werden kann (vgl. BSG 11, 44, 49). Dabei ist allein auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen. Die Auffassung des Beklagten, die Verwaltung sei befugt, bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse jederzeit einen neuen Bescheid nach § 47 Abs. 2 VerwVG zu erlassen, ist rechtsirrig (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 18.1.1961 - 11 RV 1016/60 -). Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann allerdings auch eine Nachzahlung von Bezügen bedeutsam sein, doch reicht die Tatsache einer Nachzahlung allein nicht aus, um - wie das LSG unter Hinweis auf die Verwaltungsvorschrift Nr. 10 zu § 47 VerwVG meint - den Rückforderungsanspruch nach § 47 Abs. 2 zweiter Halbsatz aaO zu begründen, weil sie allein über die wirtschaftlichen Verhältnisse insgesamt im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nichts aussagt. Die Neufassung des § 47 Abs. 2 VerwVG durch das Erste Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960, nach der nunmehr die Rückforderung auch zulässig ist, soweit sie ua wegen der Höhe einer dem Empfänger von einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn gewährten Nachzahlung vertretbar ist, kann hier nicht angewandt werden, weil sie am 18. Juli 1956, dem Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, noch nicht gegolten hat. Das LSG hat sonach § 47 Abs. 2 VerwVG aF nicht richtig angewandt; das Urteil des LSG ist daher aufzuheben. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, weil sowohl für die Beurteilung - der Frage, ob die Klägerin nach den gesamten Umständen im Zeitpunkt der Zahlung der Versorgungsbezüge für den hier streitigen Zeitraum vom 1. Mai 1953 bis 31. Dezember 1955 gewußt hat oder hat wissen müssen, daß ihr die Rente in der gezahlten Höhe nicht mehr zustand (vgl. hierzu auch Urteil des BSG vom 4.8.1961 - 7/9 RV 1018/58 -), als auch für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung noch tatsächliche. Feststellungen erforderlich sind. Das LSG wird danach den Sachverhalt unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu würdigen haben; die Sache ist daher zu neuer Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2336717

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