Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung der Mitgesellschafter einer Vor-GmbH. Gesamtschuldverhältnis

 

Orientierungssatz

Nimmt der Unfallversicherungsträger den Gesellschafter einer Vor-GmbH für eine Beitragsforderung in Anspruch, sind die Mitgesellschafter notwendig beizuladen (vgl BSG 30.8.1984 2 RU 37/83). Dies ergibt sich aus dem Wesen des Gesamtschuldverhältnisses ebenso wie aus den Beziehungen unter den Mitgliedern.

 

Normenkette

SGG § 75 Abs 2 Alt 1 Fassung: 1953-09-03; BGB § 421 S 1, § 422 Abs 1 S 1, § 426 Abs 1 S 1; GmbHG § 11 Abs 2

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 21.03.1984; Aktenzeichen L 17 U 174/82)

SG Duisburg (Entscheidung vom 26.08.1982; Aktenzeichen S 10 U 10/81)

 

Tatbestand

Der Kläger wird von der Beklagten zur Beitragsleistung herangezogen. Hiergegen wendet er sich - bisher erfolglos - im anhängigen sozialgerichtlichen Verfahren.

Der Kläger, Frau A E (E.) und Herr L J (J.) schlossen am 25. Januar 1977 einen notariellen Gesellschaftsvertrag zur Gründung der "W & J Gesellschaft mit beschränkter Haftung". Der Kläger wurde zum allein vertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt.

Die Beklagte nahm die Gesellschaft in ihr Unternehmerverzeichnis auf. Zur Eintragung in das Handelsregister kam es nicht. Das Unternehmen wurde am 30. Januar 1978 beim Gewerbeamt abgemeldet.

Durch ihre Bescheide vom 25. April 1979 (Veranlagungsjahr 1978) und 11. April 1980 (Veranlagungsjahr 1977) nahm die Beklagte den Kläger für die Beiträge der Gesellschaft in Anspruch. In dem Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1980 heißt es dazu, der Kläger hafte als Gesellschafter und Geschäftsführer persönlich für die Beiträge.

In dem klageabweisenden Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 26. August 1982 ist ausgeführt, der Kläger hafte gem § 11 Abs 2 des GmbH-Gesetzes (GmbH-G) persönlich und solidarisch für die Beiträge der Vorgesellschaft. Das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen gerichtete Berufung durch Urteil vom 21. März 1984 zurückgewiesen, weil der Kläger einerseits nach den Vorschriften des GmbH-G und außerdem als Gesellschafter zur Beitragszahlung in Anspruch genommen werden könne. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Nach seiner Auffassung kommt eine direkte Anwendung des § 11 Abs 2 GmbH-G von vornherein nicht in Betracht; auch eine entsprechende Anwendung dieser Norm hält er für unzulässig. Die Heranziehung als Gesellschafter ist nach seiner Überzeugung ebenfalls nicht möglich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. März 1984 sowie das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26. August 1982 abzuändern und die Beitragsbescheide für die Jahre 1977 und 1978 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 1980 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für richtig.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-); denn da der Kläger auch als Gesellschafter in Anspruch genommen wird, wären die anderen beiden Mitgesellschafter, E. und J., zum Verfahren notwendig beizuladen gewesen (§ 75 Abs 2 Alternative 1 SGG). Dieser Verfahrensmangel ist von Amts wegen zu beachten (BSG SozR 1500 § 75 Nrn 1 und 21).

Die Beiladung ist nach § 75 Abs 2 Alternative 1 SGG notwendig, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist der Fall, wenn die im Rechtsstreit zu erwartende Entscheidung über das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines anderen unmittelbar eingreift (s zB BSG SozR 1500 § 75 Nrn 8, 15 und 21 mwN). So liegen die Dinge hier.

Die Beklagte nahm, wie sich aus ihrem Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1980 ergibt, den Kläger auch als Gesellschafter der Vor-GmbH für die hier streitige Beitragsforderung in Anspruch. Das LSG hat sein Urteil ebenfalls darauf gestützt, daß der Kläger auch als Mitglied einer "gesamtschuldnerischen Personenvereinigung", nämlich als Gesellschafter einer Vorgesellschaft, für die Beitragsschuld einzustehen habe. Bei der Entscheidung darüber, ob die Beklagte den Kläger wegen der von ihr geforderten Beiträge als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen darf, werden die Rechte und Interessen von E. und J. unmittelbar betroffen. Dies folgt, wie der Senat in seinen Urteilen vom 20. Oktober 1983 - 2 RU 82/82 - und 30. August 1984 - 2 RU 37/83 - näher ausgeführt hat, aus dem Wesen des Gesamtschuldverhältnisses ebenso wie aus den Beziehungen unter deren Mitgliedern. Insbesondere die den übrigen Mitgliedern des Gesamtschuldverhältnisses gem § 426 Abs 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gegenüber dem in Anspruch genommenen Mitglied obliegende Ausgleichungspflicht berührt diese unmittelbar. Im sozialgerichtlichen Verfahren bestand daher für E. und J. von Anfang an die Gefahr, daß sie im Falle der Erfolglosigkeit der Klage unmittelbar selbst gegenüber dem Kläger zur Ausgleichung gem § 426 Abs 1 Satz 1 BGB verpflichtet würden. Daher waren die Mit-Gesamtschuldner zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren notwendig beizuladen. Ob bei einer Beschränkung der Haftung des Klägers als Geschäftsführer eine Beiladung - wie die Beklagte meint - nicht notwendig wäre, kann dahinstehen, da sie die Beklagte im Bescheid und auch das LSG sie nicht getroffen haben.

Da es im Revisionsverfahren nicht zulässig ist, die unterbliebene Beiladung der Mitgesellschafter nachzuholen (§ 168 SGG), mußte das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656010

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