Beteiligte

Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagter

Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die beklagte Ersatzkasse dem Kläger die Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe zu erstatten hat (§ 185b der Reichsversicherungsordnung - RVO -).

Der Kläger ist Mitglied der Beklagten. Seine Ehefrau befand sich vom 29. September bis 7. Oktober 1975 (= 9 Tage) im Krankenhaus. Während dieser Zeit führte ihm seine in M… wohnende Schwiegermutter den Haushalt und beaufsichtigte seinen damals dreijährigen Sohn. Als Vergütung zahlte ihr der Kläger vereinbarungsgemäß 40,-- DM pro Tag und ersetzte ihr die Reisekosten von 144,-- DM. Die Beklagte erstattete ihm mit Bescheid vom 27. November 1975 lediglich diese Reisekosten. Eine weitere Kostenerstattung lehnte sie ab. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 1976). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 13. Mai 1976). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte zur Zahlung weiterer 180,-- DM verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dem Versicherten stehe die Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft auch zu, wenn diese Ersatzkraft, mit ihm verwandt sei. Für eine solche Ersatzkraft erscheine ein Stundenbetrag von netto 4,-- DM angemessen, denn eine über 20 Jahre alte ungelernte Haushaltshilfe könne mit einem Bruttostundenlohn von 5,89 DM rechnen. Der vom Kläger mit seiner Schwiegermutter vereinbarte Tagessatz von 40,-- DM entspreche deshalb den Voraussetzungen des § 115b Abs. 2 RVO. Einem Versicherten sei aber zuzumuten, an arbeitsfreien Tagen den Haushalt selbst zu versorgen. Deshalb könne der Kläger für den 4. und 5. Oktober 1975 (Wochenende) keine Kostenerstattung verlangen. Sein Anspruch beschränke sich mithin auf 7 x 40,-- = 280,-- DM.

Gegen dieses Urteil haben beide Beteiligten die - zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügen Verletzung des § 185b Abs. 2 RVO. Der Kläger greift die Auffassung des LSG an, ihm stünde für die beiden Tage des Wochenendes kein Ersatzanspruch zu.

Der Kläger beantragt,das Urteil des LSG zu ändern und die Beklagte zur Zahlung weiterer 80,-- DM zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen, sowie das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Sie meint, für eine "verwandte Ersatzkraft" seien grundsätzlich nur Auslagen und Einbußen zu erstatten; Verwandte seien aufgrund sittlicher Verpflichtung zur unentgeltlichen Hilfeleistung verpflichtet.

Der Kläger beantragt,die Revision dem Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Beide Revisionen sind unbegründet.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist der mit Wirkung vom 1. Januar 1974 in die RVO eingefügte § 185b (vgl. § 1 Nr. 2, § 5 des Gesetzes zur Verbesserung von Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung - Leistungsverbesserungsgesetzes - KLVG - vom 19. Dezember 1973, BGBl. I 1925).

Nach Absatz 1 dieser Vorschrift erhalten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihren oder ihrem Ehegatten wegen Aufenthalts in einem Krankenhaus oder in einer Entbindungsanstalt …, dessen Kosten von der Krankenkasse ganz oder teilweise getragen werden, die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist und eine andere im Haushalt lebende Person der Haushalt nicht weiterführen kann. Voraussetzung ist ferner, daß im Haushalt ein Kind lebt; das das 8. Lebensjahr noch nicht vollendet hat … Diese Voraussetzungen waren beim Kläger - außer samstags und sonntags - unstreitig gegeben. Nach Absatz 2 der genannten Bestimmung ist von der Kasse grundsätzlich eine Ersatzkraft zu stellen. Erst wenn diese Gestellung nicht möglich ist …, sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft in angemessener Höhe zu erstatten.

Die Beklagte hat eine Ersatzkraft nicht gestellt. Der Kläger hat mithin für die von ihm selbstbeschaffte Ersatzkraft einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte in angemessener Höhe.

Dieser Anspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Ersatzkraft die Mutter seiner Ehefrau war. Es braucht nicht erörtert zu werden, inwieweit hier eine "sittliche oder moralische" Pflicht zur Hilfe seitens der Mutter bestand. Sie wäre außerrechtlicher Art; weder der Kläger noch seine Ehefrau könnte sie verlangen. Es kann auch dahinstehen, inwieweit die Mutter nach bürgerlich-rechtlichen Vorschriften verpflichtet war, im Haushalt zu helfen. Nach Auffassung des Senats trifft § 185b RVO eine eigenständige Regelung der Verpflichtung zur Weiterführung des Haushalts. Es heißt nämlich in Absatz 1 Satz 1 a.a.O.; "… und eine andere im Haushalt lebende Person den Haushalt nicht weiterführen kann". Es kommt also für die Frage der Verpflichtung zur Gestellung einer Haushaltshilfe oder der Erstattung der Kosten für eine selbstbeschaffte Ersatzkraft gar nicht darauf an, ob der Haushalt von einer Verwandten oder Verschwägerten weitergeführt werden kann. Dies hat zur Folge, daß keine nicht im Haushalt lebende Person nach § 185b Abs. 1 Satz 1 RVO verpflichtet ist, den Haushalt weiterzuführen. Daß auch eine verwandte oder verschwägerte Ersatzkraft, nicht nur ihre Auslagen ersetzt bekommen, sondern auch für ihre Arbeitsleistung im Haushalt vergütet werden kann, hat bereits der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in seinem Urteil vom 28. Januar 1977 - 5 RKn 32/76 - entschieden. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Für ihre Richtigkeit spricht einmal die Tatsache, daß der Entwurf zum KLVG in seinem § 185b Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 zwar die Kostenerstattung für mit dem Versicherten verwandte und verschwägerte Ersatzkräfte ausschloß (vgl. Entwurf zum KLVG § 1 Nr. 2, BT-Drucks. VI/3588 S. 1), insoweit aber seinerzeit nicht Gesetz geworden ist (siehe auch den Entwurf des Leistungsverbesserungsgesetzes in der späteren BT-Drucks. 7/377). Dafür spricht weiterhin, daß durch das am 1. Juli 1977 in Kraft getretene Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) vom 27. Juni 1977 (BGBl. I 1069) § 185b Abs. 2 RVO nunmehr dahin ergänzt worden ist, daß für bis zum zweiten Grade verwandte und verschwägerte Ersatzkräfte die Kostenerstattung künftig grundsätzlich entfällt (Art 1 § 1 Nr. 12 KVKG). Beide Tatsachen - die Nichtübernahme des im Entwurf des KLVG vorgesehenen Ausschlusses der Kostenerstattung für verwandte und verschwägerte Ersatzkräfte in das Gesetz und der nunmehr ab 1. Juli 1977 für derartige Ersatzkräfte normierte Kostenerstattungsausschluß - lassen nur die Folgerung zu, daß bisher ein derartiger Ausschluß der Kostenerstattung nicht bestand.

Hinsichtlich der Angemessenheit der in Betracht kommenden Vergütung kann nach der Auffassung des 5. Senats, die der erkennende Senat teilt, zwar von mit dem Versicherten verwandten und verschwägerten Ersatzkräften erwartet werden, daß sie bei ihren Forderungen für die von ihnen erbrachte Hilfeleistung Zurückhaltung üben. Eine tägliche Vergütung pro Arbeitsleistung in Höhe von 40,-- DM erscheint dem Senat aber nicht unangemessen. Dabei ist nicht unberücksichtigt geblieben, daß es sich bei der Ersatzkraft um die Schwiegermutter des Klägers gehandelt hat. Allerdings ist vom 5. Senat in dem erwähnten Urteil dieser Betrag auch in einem Fall für angemessen erachtet worden, in dem die Schwägerin des Versicherten, die selbst berufstätig war und ihren Erholungsurlaub dazu verwandt hatte, bei ihrer Schwester als Ersatzkraft auszuhelfen. Außerdem hat der 5. Senat betont, da es sich um einen Achtpersonenhaushalt gehandelt habe, sei die Ersatzkraft überdurchschnittlich beansprucht worden. Aber abgesehen davon, daß im Fall des 5. Senats nicht mehr als 40,-- DM Vergütung pro Tag für die Ersatzkraft beantragt worden war, ist der erkennende Senat der Ansicht, daß bei der Angemessenheit der Vergütung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei einer Massenverwaltung, wie sie von den Trägern der Sozialversicherung ausgeübt wird, eine mehr schematische Betrachtungsweise angebracht ist, so daß kein Unterschied innerhalb der Gruppe der bis zum zweiten Grade Verwandten oder Verschwägerten gemacht werden kann (siehe dazu jetzt § 185b Abs. 2 Satz 3 RVO i.d.F. des Art. 1 § 1 Nr. 12 KVKG). Hinzu kommt, daß hinsichtlich der Belastung der Ersatzkraft im Haushalt nur darauf abgestellt werden kann, wieviel 1 Kinder unter 8 Jahren von ihr zu betreuen sind; denn sind überhaupt keine Kinder unter 8 Jahren vorhanden, geht das Gesetz davon aus, daß der Versicherte keiner Haushaltshilfe bedarf, offenbar weil der Gesetzgeber der Ansicht ist, daß Kinder über 8 Jahren sich selbst helfen können. Geht man hier von ans, dann waren im Falle des 5. Senats lediglich zwei Kinder unter 8 Jahren zu betreuen, im vorliegenden Fell ist es ein Kind unter 8 Jahren. Der Unterschied, in den zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten ist so gering, daß eine andere Beurteilung der Angemessenheit der Entschädigung als wie die, die der 5. Senat getroffen hat, nicht gerechtfertigt erscheint.

Entgegen der Auffassung des Klägers steht ihm jedoch für die beiden arbeitsfreien Tage des Wochenendes vom 4. zum 5. Oktober 1975 kein Erstattungsanspruch zu. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß bei Abwesenheit der Ehefrau der Ehemann an arbeitsfreien Tagen in der Lage ist, den Haushalt weiterzuführen. Auch dies hat bereits der 5. Senat des BSG entschieden, und zwar in zwei Urteilen vom 30. März 1977 - 5 Rkn 20/76 und 5 RKn 23/76 -. Dies kann naturgemäß nicht gelten, wenn an einem üblicherweise arbeitsfreien Tag, also beispielsweise an einem Sonnabend oder Sonntag, von dem Versicherten tatsächlich Arbeit zu leisten ist, etwa bei Schichtdienst, Schalterdienst, Wachdienst und dergleichen; denn dann ist es ihm auch an einem solchen im allgemeinen arbeitsfreien Tag nicht möglich, den Haushalt weiterzuführen, da dieser arbeitsfreie Tag dann für ihn persönlich ein Arbeitstag ist. Ein derartiger Ausnahmefall lag beim Kläger aber nicht vor. Es kann dem Kläger durchaus zugestanden werden, daß er auch an Samstagen arbeitet.

Der Senat teilt aber mit dem LSG die Ansicht, es könne vom Kläger erwartet und ihm auch zugemutet werden, sich in solchen seltenen Ausnahmefällen entweder von seinem Sozietätskollegen vertreten zu lassen oder - falls dieses nicht möglich ist, wofür einige Gründe sprechen mögen - an den Tagen länger zu arbeiten, an denen eine Ersatzkraft zur Verfügung steht.

Nach alledem hat das LSG die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger weitere 280,-- DM (= für 7 Tage je 40,-- DM) zu zahlen. Das Urteil des LSG ist mithin nicht zu beanstanden. Die Revisionen beider Beteiligten sind deshalb unbegründet und müssen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518737

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