Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 21.01.1987)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Januar 1987 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin ist eine Musikschule, deren Träger ein eingetragener Verein ist. Sie ist als gemeinnützig anerkannt und hat sich die Förderung musikalischer Jugend- und Laienbildung zum Ziel gesetzt.

Im März 1983 gab die Klägerin auf einem Fragebogen der Künstlersozialkasse an, bei ihr seien aufgrund von Lehraufträgen 30 Lehrkräfte tätig, für die keine Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten seien. Die Künstlersozialkasse erließ den „Bescheid über die Feststellung der Künstlersozialabgabepflicht” vom 12. April 1983. Darin hieß es: Die Klägerin sei ein Unternehmer, der eine Musikschule betreibe. Das führe nach § 24 des Künstlersozialversicherungesetzes (KSVG) vom 27. Juli 1981 zur Künstlersozialabgeabepflicht.

Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 1983; Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Oldenburg vom 10. Juli 1985; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Niedersachsen vom 21. Januar 1987). Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Das KSVG sei mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Die Künstlersozialkasse sei befugt, die Abgabepflicht zunächst unabhängig davon festzustellen, ob die Klägerin tatsächlich Leistungen von selbständigen Künstlern in Anspruch nehme. Die Klägerin sei auch Unternehmerin iS des § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG. Daß sie die Musikschule in einer Rechtsform des Privatrechts betreibe und keinen Gewinn erzielen wolle, sei unerheblich. Insofern sei dem Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 12. Juli 1985 – L 4 Kr 2619/84 – zu folgen.

Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Klägerin neben der Verfassungswidrigkeit des KSVG die Verletzung des § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG. Das Wort „Unternehmer” im Sinne dieser Vorschrift knüpfe an den betriebswirtschaftlichen Unternehmensbegriff an.

Die besondere Erwähnung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Gesetz sei so zu verstehen, daß diese Körperschaften Theater, Orchester, Musikschulen und Museen nichtunternehmerisch im betriebswirtschaftlichen Sinne betrieben und dennoch in die Abgabepflicht hätten einbezogen werden sollen. Juristische Personen des Privatrechts wie sie (die Klägerin) seien dagegen nicht abgabepflichtig, wenn sie nicht Unternehmer im betriebswirtschaftlichen Sinne seien. Das sei bei ihr nicht der Fall, weil die Gebühren, die für den Unterricht gezahlt würden, ihre Kosten nicht deckten und sie von den Gebietskörperschaften einschließlich des Landes subventioniert werde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtmäßig ist. Der Senat hat das Urteil des LSG Baden-Württemberg, dem das LSG Niedersachsen in dem hier angefochtenen Urteil gefolgt ist, durch Urteil vom 8. Dezember 1988 – 12 RK 1/86 – (zur Veröffentlichung bestimmt) ebenfalls bestätigt.

Die Beklagte hat in dem hier angefochtenen Bescheid festgestellt, daß die Klägerin eine Musikschule betreibt und deshalb nach § 24 KSVG zur Künstlersozialabgabe verpflichtet ist. Zu einer solchen Feststellung war die Beklagte befugt, obwohl das KSVG sie nicht ausdrücklich dazu ermächtigt.

Von wem und in welcher Weise die Mittel für die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten aufzubringen sind, regelt das KSVG – in der hier noch anzuwendenden Fassung vom 27. Juli 1981 mit den Änderungen vom 18. Dezember 1987 (BGBl I 1981 S 705 und 1987 S 2794) – im Vierten Kapitel (§§ 10 ff), und zwar entsprechend den besonderen Verhältnissen und Bedürfnissen der versicherten Personen (vgl dazu BT-Drucks 8/3172, S 19 f). Die Künstlersozialversicherung wird danach zur einen Hälfte aus Beitragsanteilen der Versicherten finanziert (vgl §§ 11 bis 13 KSVG), zur anderen Hälfte durch eine Umlage (Künstlersozialabgabe) bestimmter Unternehmer, die Werke oder Leistungen der Künstler oder Publizisten vermarkten (§§ 23 bis 26 KSVG) und, soweit deren Werke oder Leistungen nicht durch solche Unternehmer, sondern von ihnen selbst vermarktet werden, durch einen Zuschuß des Bundes (§ 34 KSVG). Alle genannten Finanzierungsbeträge erhält zunächst die Künstlersozialkasse, die daraus für die einzelnen Versicherten die Beiträge zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung an den jeweils zuständigen Versicherungsträger entrichtet (§§ 381b, 393 Abs 1 Satz 2 und Abs 2, 515b der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫, § 126a des Angestelltenversicherungsgesetzes, alle Vorschriften in der Fassung von §§ 49, 50 KSVG). Die Künstlersozialkasse war ursprünglich eine selbständige bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts, ist aber seit dem 1. Januar 1988 eine Abteilung der Landesversicherungsanstalt Oldenburg-Bremen, auf die die Rechte und Pflichten der aufgelösten Anstalt übergegangen sind (§§ 37, 37a KSVG idF des Gesetzes vom 18. Dezember 1987). Demgemäß hat der Senat die Bezeichnung der Beklagten geändert.

Das Bundesverfassungsgericht hat am 8. April 1987 entschieden, daß die Künstlersozialversicherung als Teil der „Sozialversicherung” (Art 74 Nr 12 GG) in einem Gesetz des Bundes und ohne Zustimmung des Bundesrats geregelt werden konnte und daß auch das im KSVG vorgesehene Finanzierungssystem, soweit es die Erhebung der Künstlersozialabgabe betrifft, verfassungsgemäß ist, insbesondere keine Grundrechte der Abgabepflichtigen nach Art 2 und 3 GG verletzt (BVerfGE 75, 108 = SozR 5425 § 1 Nr 1). Die von der Klägerin hilfsweise begehrte Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG kommt schon aus diesem Grunde nicht mehr in Betracht.

Das KSVG regelt nun die Erhebung der Künstlersozialabgabe in der Weise, daß es zunächst den abgabepflichtigen Personenkreis umschreibt (§ 24) und danach bestimmt, von welchen Entgelten (von welcher Bemessungsgrundlage) und nach welchem Vomhundertsatz die Abgabe zu entrichten ist (§§ 25 und 26); außerdem enthält es Vorschriften über das Melde- und Abgabeverfahren (§ 27 bis 32).

Bei den nach § 24 KSVG abgabepflichtigen Unternehmern geht der Gesetzgeber davon aus, daß sie „typischerweise und entsprechend dem Zweck ihres Unternehmens künstlerische und publizistische Leistungen verwerten” (so ua die Begründung zur beabsichtigten Neufassung des § 24 KSVG, der „wie bisher” die abgabepflichtigen Unternehmer abschließend aufzählen soll, BT-Drucks 11/2964, S 18, zu Nr 5; ähnlich schon BT-Drucks 8/3172, S 19). Obwohl der Gesetzgeber hiernach bei den in § 24 KSVG genannten Unternehmern als typisch unterstellt, daß sie Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten in Anspruch nehmen, um sie zu vermarkten, daß mithin die genannten Unternehmer Entgelte für Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten zahlen, gehört die entgeltliche Inanspruchnahme solcher Leistungen – anders als die entgeltliche Beschäftigung bei der Versicherungspflicht der Arbeitnehmer (vgl §§ 165 Abs 2, 1227 Abs 1 Nr 1 RVO) – nicht zum Tatbestand der Abgabepflicht nach § 24 KSVG. Diese ist vielmehr eine Abgabepflicht lediglich „dem Grunde nach” (BT-Drucks 11/2964 aaO), besteht also unabhängig davon, ob tatsächlich Entgelt für künstlerische oder publizistische Leistungen gezahlt wird, von dem dann Künstlersozialabgabe zu entrichten ist (§ 25 KSVG).

Schon diese Systematik des Gesetzes – Trennung der Abgabepflicht dem Grunde nach von der (erst mit der Zahlung von Entgelt entstehenden) Pflicht zur Entrichtung von Künstlersozialabgabe – läßt es geboten erscheinen, eine besondere Feststellung (Vorabentscheidung) über die Abgabepflicht zuzulassen, auch wenn dies eine gewisse Komplizierung des Verwaltungsverfahrens zur Folge hat. Es kommt hinzu, daß erst eine – positive oder negative – Entscheidung über die Zugehörigkeit zum abgabepflichtigen Personenkreis für die Beteiligten Klarheit schafft, ob von ihnen gezahltes Entgelt der Abgabepflicht unterliegt, ob sie darüber Aufzeichnungen zu führen haben und ob sie das Entgelt der Künstlersozialkasse melden, davon die Abgabe berechnen und zahlen müssen (§§ 27 und 28 KSVG). Zugleich gewinnt auch die Künstlersozialkasse erst mit verbindlichen Feststellungen nach § 24 KSVG eine zuverlässige Übersicht über den Kreis der abgabepflichtigen Unternehmer, denen sie dann die erforderlichen Meldevordrucke zuzusenden hat,

von denen sie Auskünfte verlangen kann und bei denen sie die Entrichtung der Abgabe zu überwachen hat (§§ 27 Abs 1 Satz 2, 29, 35 KSVG). Mit dem Berufungsgericht ist deshalb davon auszugehen, daß die Beklagte über die Abgabepflicht des Klägers nach § 24 KSVG einen besonderen Feststellungsbescheid (Erfassungsbescheid) erlassen durfte.

Der der Klägerin erteilte Bescheid ist auch inhaltlich rechtmäßig. Nach § 24 Abs 2 KSVG sind außer den in Absatz 1 genannten Unternehmern zur Künstlersozialabgabe „ferner verpflichtet:

  1. Rundfunkanstalten und
  2. Unternehmer und juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Theater (ausgenommen Filmtheater), Orchester, Musikschulen oder Museen betreiben.”

Die Klägerin betreibt eine Musikschule. Ob sie dabei auch Leistungen selbständiger Künstler in Anspruch nimmt und ihnen Entgelte iS des § 25 KSVG zahlt, kann für die Entscheidung des vorliegenden Falles dahingestellt bleiben. Denn dieser Umstand gehört, wie ausgeführt, nicht zum Tatbestand des § 24 KSVG, auf dem allein der angefochtene Bescheid beruht.

Die Klägerin ist auch Unternehmer iS des § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG. Da der Unternehmerbegriff dort nicht näher erläutert ist, muß sich seine Auslegung entscheidend am Zweck des KSVG ausrichten, nämlich alle Personen zu erfassen, die Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten in Anspruch nehmen und vermarkten, sofern sie überhaupt ein Unternehmen betreiben, dh eine nachhaltige (nicht nur gelegentliche), auf die Erzielung von Einnahmen gerichtete Tätigkeit ausüben. Da die Inanspruchnahme von Leistungen selbständiger Künstler oder Publizisten nach der Wertung des Gesetzgebers „typischerweise” für alle (natürlichen oder juristischen) Personen gilt, deren Tätigkeit einem der in § 24 Abs 1 und Abs 2 KSVG genannten Zwecke dient, sind grundsätzlich alle diese Personen abgabepflichtige Unternehmer im Sinne der genannten Vorschrift.

Entgegen der Ansicht der Klägerin beschränkt § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG den Kreis der danach Abgabepflichtigen nicht auf öffentlich-rechtlich organisierte. Wenn dort neben „Unternehmern” noch ausdrücklich „juristische Personen des öffentlichen Rechts” genannt sind, so sollte damit lediglich klargestellt werden, daß a u c h juristische Personen des öffentlichen Rechts abgabepflichtig sind, wenn sie einen der in § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG genannten Unternehmenszwecke verfolgen. Eine solche Klarstellung hielt der Gesetzgeber offenbar deshalb für nötig, weil die in § 24 Abs 1 genannten Unternehmer in aller Regel Privatpersonen sind, dies dagegen für die in § 24 Abs 2 genannten überwiegend nicht gilt (in Zukunft soll die ausdrückliche Erwähnung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in § 24 KSVG als entbehrlich gestrichen werden; andererseits soll es statt „Rundfunkanstalten” künftig nur „Rundfunk” heißen, um alle Arten der Veranstaltungen von Rundfunk unabhängig von der Rechtsform zu erfassen, BT-Drucks 11/2964, S 18). Die – lediglich klarstellende – Anführung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG läßt hiernach nicht den Schluß zu, daß nur sie, nicht dagegen privatrechtlich organisierte Unternehmer wie die Klägerin abgabepflichtig sind.

Für eine solche Einschränkung des Gesetzes spricht auch nicht, daß § 24 Abs 2 Nr 2 KSVG Filmtheater ausdrücklich von der Abgabepflicht ausnimmt. Das ist nicht deswegen geschehen, weil Filmtheater üblicherweise von Privatpersonen betrieben werden, sondern weil die Betreiber nicht selbst künstlerische oder publizistische Leistungen in Anspruch nehmen, dies auch schon technisch gar nicht können, so daß sie nicht zu den Vermarktern iS des § 24 KSVG gehören. Vermarkter sind insoweit vielmehr nur die Unternehmer, die den bespielten Bildträger (Film) herstellen (§ 24 Abs 1 Nr 3 KSVG), während die Filmtheater lediglich das fertige Werk nutzen.

Nach dem Gesetz ist schließlich nicht entscheidend, ob der Unternehmer Gewinn erzielt oder dieses auch nur beabsichtigt. Vielmehr reicht es aus, wenn seine Tätigkeit auf das Erzielen von Einnahmen gerichtet ist, auch wenn diese nicht kostendeckend sind, der Unternehmer von der öffentlichen Hand subventioniert wird und er gemeinnützig tätig ist.

Der Senat hat nach allem die Revision der Klägerin für unbegründet gehalten und über die Kosten des Revisionsverfahrens nach § 193 SGG entschieden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172969

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