Orientierungssatz

Die Assistentenzeit (Ausbildungszeit) an einem (Hochschul-)Institut ist keine Hochschulausbildung iS des RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 4.

 

Normenkette

RVO § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Fassung: 1965-06-09; AVG § 36 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Fassung: 1965-06-09

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. April 1968 wird zurückgewiesen.

2. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der im Jahre 1900 geborene Kläger erhält von der Beklagten Altersruhegeld (Bescheide vom 11. März 1966 und 29. November 1967). Er beendete sein medizinisches Studium im Januar 1925 und war von Februar bis September 1925 Praktikant beim Physiologischen Institut in K und von Oktober 1925 bis Dezember 1928 wissenschaftlicher Assistent an der Universitäts- und Poliklinik K. Nach seinem Vorbringen mußte er dann wegen einer Krankheit das Berufsziel wechseln. Er entschloß sich, Fischerei-Sachverständiger zu werden und arbeitete von Februar 1929 bis März 1934 als Assistent am Fischerei-Institut der Universität K. Nach seinen Angaben verdiente er als Praktikant und Assistent 120,- bis 250,- RM monatlich.

Mit seinem Begehren, bei der Rentenberechnung die Praktikanten- und Assistentenzeit von Februar 1925 bis März 1934 als Ausfallzeit anzurechnen, hatte der Kläger in den Vorinstanzen keinen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts (SG) Speyer vom 7. September 1967 und des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz vom 29. April 1968). Im Revisionsverfahren erstrebt er nur noch die Anrechnung der Assistentenzeit am Fischerei-Institut.

Das LSG ließ dahingestellt, ob es sich hierbei um eine - zweite - abgeschlossene Hochschulausbildung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG - (i.d.F. des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes - RVÄndG - vom 9. Juni 1965) handele; selbst dann sei sie nämlich keine Ausfallzeit, weil nicht im Anschluß daran oder nach Beendigung einer an die Hochschulausbildung anschließenden Ersatzzeit innerhalb von fünf Jahren eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen worden sei. Die Fünfjahresfrist sei allerdings gewahrt, weil die Ausbildung am Fischerei-Institut im März 1934 beendet und der erste Pflichtbeitrag im April 1934 entrichtet worden sei. Die Ausbildungszeit am Fischerei-Institut habe sich aber nicht an die im Januar 1925 beendete medizinische Hochschulausbildung "angeschlossen". Insoweit sei zwar eine folgende Ausfallzeit einer folgenden Ersatzzeit gleichzustellen; auf Grund der Rechtsänderungen durch das RVÄndG müsse ferner die bisher von der Rechtsprechung zugestandene Zwischenzeit (Anschlußzeit) von zwei Jahren, wenn auch nicht auf fünf, so doch auf drei Jahre verlängert werden; die Zeit vom Ende des medizinischen Studiums bis zum Beginn der Ausbildung am Fischerei-Institut (Januar 1925 bis Februar 1929) überschreite jedoch diese Zeitspanne.

Mit der zugelassenen Revision beantragt der Kläger,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide zu verurteilen, die Zeit vom Februar 1929 bis März 1934 als Ausfallzeit anzurechnen.

Der Kläger rügt, das LSG habe die Anrechnung der Ausfallzeit nicht wegen einer Fristüberschreitung ablehnen dürfen; er ist ferner der Ansicht, daß seine Assistentenzeit am Fischerei-Institut eine Hochschulausbildung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG darstelle.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

Dem LSG ist darin zuzustimmen, daß die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG für die Wertung der Assistentenzeit von Februar 1929 bis März 1934 als Ausfallzeit nicht gegeben sind. Da es sich weder um eine Lehrzeit noch um eine Schul- oder Fachschulausbildung gehandelt hat, wäre diese Assistentenzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG (Buchst. b) nur dann Ausfallzeit, wenn 1. sie als Zeit einer abgeschlossenen Hochschulausbildung anzusehen und 2. a) im Anschluß daran oder b) nach Beendigung einer an die Hochschulausbildung anschließenden Ersatzzeit im Sinne des § 28 AVG innerhalb von fünf Jahren eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen worden wäre. Entgegen der Auffassung des LSG und in Übereinstimmung mit den Auffassungen der Beteiligten wäre allerdings die zweite Voraussetzung erfüllt. Das LSG hat verkannt, daß diese Voraussetzung zwei - durch "oder" verbundene - Alternativen (2 a u. b) enthält, von denen bereits die erste zutrifft. Der Kläger hat schon im April 1934, also in dem der Assistentenzeit am Fischerei-Institut nächstfolgenden Monat, mithin ohne Zweifel "im Anschluß daran" und innerhalb von fünf Jahren danach eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit aufgenommen. Die zweite Alternative (2 b) bedurfte daher keiner Prüfung; zu den einschlägigen Ausführungen des LSG braucht der Senat keine Stellung zu nehmen.

Gleichwohl ist das Urteil des LSG im Ergebnis richtig, weil die Assistentenzeit (Ausbildungszeit) am Fischerei-Institut keine Hochschulausbildung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG ist. Mit dem Begriff der Hochschulausbildung in dieser Vorschrift hat sich das Bundessozialgericht (BSG) schon mehrfach befaßt; in BSG 20, 35 hat es dargelegt, daß darunter nur das Hochschulstudium und nicht jede an einer Hochschule zurückgelegte Ausbildung zu verstehen ist; dies ist ständige Rechtsprechung des BSG (vgl. die Urteile vom 19. Januar 1966 - 11 RA 144/64 - und vom 26. Juli 1967 - 1 RA 131/65). Von ihr abzugehen, besteht kein Anlaß. In der Zeit von Februar 1929 bis März 1934 mag der Kläger zwar an einem Hochschul-Institut ausgebildet worden sein; die Beklagte mag darum diese Zeit - ebenso wie das medizinische Studium und die Praktikanten- und Ausbildungszeit in den Jahren 1925 bis 1928 zu Recht als Ausbildung im Sinne des § 28 Abs. 2 (Buchst. a) AVG gewertet und infolgedessen die Militärdienstzeit im 1. Weltkrieg zu Recht als Ersatzzeit angerechnet haben. Im Gegensatz zu § 28 Abs. 2 AVG erfaßt aber § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG nicht jede, sondern nur ganz bestimmte Ausbildungen; der Gesetzgeber hat hier - und auch das nur begrenzt - allein der Lehrzeit sowie der Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung durch Anerkennung als Ausfallzeit eine rentensteigernde Wirkung verliehen. Eine solche Ausbildung ist die Assistentenzeit von Februar 1929 bis März 1934 nicht gewesen. Der Kläger hat während dieser Zeit nicht an der Hochschule studiert, er ist damals nicht mehr dort immatrikuliert gewesen. Daran vermögen auch die vom Kläger in der Revisionsbegründung vorgetragenen Billigkeitserwägungen - bei denen er zudem auf einen Akademiker abstellt, "der bei seiner langen Ausbildung keinen Erwerb hatte und deshalb auch keine Beiträge zur Angestelltenversicherung entrichten konnte", was in seinem Fall wohl nicht zutraf - nichts zu ändern.

Die Revision muß daher als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2285075

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