Leitsatz (amtlich)

1. Die Verfallswirkung einer Beitragserstattung nach AVG § 82 Abs 7 (= RVO § 1303 Abs 7) umfaßt auch Ansprüche aus fremden Beitragszeiten ungeachtet dessen, daß die während dieser Zeiten entrichteten Beiträge nicht erstattet worden sind.

2. Die Nachentrichtung von Beiträgen nach AnVNG Art 2 § 27 (= ArVNG Art 2 § 28) führt nicht zu einer Wiederherstellung des früheren Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit.

 

Normenkette

AVG § 83 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1304 Fassung: 1957-02-23; AVG § 82 Abs. 7 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1303 Abs. 7 Fassung: 1957-02-23; AnVNG Art. 2 § 27 Fassung: 1969-07-28; ArVNG Art. 2 § 28 Fassung: 1969-07-28; FRG § 15 Abs. 1 Fassung: 1960-02-25, § 17 Abs. 1 Buchst. a Fassung: 1960-02-25

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 30.06.1978; Aktenzeichen L 5 A 3/78)

SG Speyer (Entscheidung vom 01.12.1977; Aktenzeichen S 6 A 84/76)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. Juni 1978 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Wege der Herstellung von Versicherungsunterlagen die Berücksichtigung einer in der DDR zurückgelegten Beitragszeit.

Die Klägerin war vom 1. Oktober 1952 bis zum 20. Juli 1957 in der DDR als Buchhalterin versicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihrer Flucht in die Bundesrepublik Deutschland übte sie vom 26. August 1957 bis zum 3. Oktober 1959 dieselbe Beschäftigung aus. Nach ihrer Eheschließung erstattete ihr die Beklagte antragsgemäß aufgrund des - durch Art 1 § 2 Nr 11 des Finanzänderungsgesetzes 1967 (FinÄndG) vom 21. Dezember 1967 (BGBl I S 1259) mit Wirkung vom 1. Januar 1968 aufgehobenen - früheren § 83 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) die Hälfte der in der Zeit vom 26. August 1957 bis 3. Oktober 1959 entrichteten Beiträge (Bescheid vom 24. Mai 1961).

Nach Inkrafttreten (1. August 1969) des Art 2 § 27 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des Dritten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (3. RVÄndG) vom 28. Juli 1969 (BGBl I S 956) entrichtete die inzwischen wieder versicherungspflichtig beschäftigte Klägerin Beiträge für die Zeit von August 1957 bis Oktober 1959 nach. Ihren Antrag auf Anerkennung der in der DDR zurückgelegten Versicherungszeit vom 1. Oktober 1952 bis 20. Juli 1957 als Beitragszeit nach dem Fremdrentengesetz (FRG) lehnte die Beklagte ab, weil die im Jahre 1961 durchgeführte Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausschließe (Bescheid vom 12. Januar 1976).

Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 1976, Urteile des Sozialgerichts - SG - Speyer, Zweigstelle Mainz, vom 1. Dezember 1977 und des Landessozialgerichts - LSG - Rheinland-Pfalz vom 30. Juni 1978). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt:

Trotz der zwischenzeitlichen Aufhebung des § 83 AVG sei die im Jahre 1961 durchgeführte Beitragserstattung nach wie vor rechtswirksam. Art 2 § 27 AnVNG habe lediglich das Recht auf Nachentrichtung von Beiträgen für den Erstattungszeitraum, nicht aber die Möglichkeit eingeräumt, den Erstattungsbetrag zurückzuzahlen und damit die Beitragserstattung rückgängig zu machen. Die Beitragserstattung habe das Versicherungsverhältnis in vollem Umfange und damit in allen an die zurückgelegten Versicherungszeiten geknüpften Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherten und dem Versicherungsträger beseitigt. Von dieser Wirkung würden auch die in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten erfaßt, weil sie nach § 15 Abs 1 FRG den in der Bundesrepublik nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstünden. Daran ändere nichts, daß nicht auch die in der DDR entrichteten Beiträge erstattet worden seien. Hierin sowie in der sich daraus ergebenden Konsequenz, daß für die entsprechenden Zeiten keine Beiträge nachentrichtet werden könnten, liege keine Benachteiligung der Flüchtlinge und kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG). Insbesondere habe sich der Gesetzgeber damit, daß er die Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 27 AnVNG nur für die Zeiten zugelassen habe, für die Beiträge tatsächlich erstattet worden seien, im Rahmen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit gehalten. - Das LSG hat die Revision zugelassen.

Das angefochtene Urteil ist dem damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 12. Juli 1978 zugestellt worden. Auf ihren Antrag vom 9. August 1978 ist ihr durch Beschluß des Senats vom 6. Oktober 1978 für das Verfahren vor dem Bundessozialgericht (BSG) das Armenrecht bewilligt worden. Nach Zustellung des Beschlusses am 18. Oktober 1978 hat die Klägerin am 15. November 1978 Revision eingelegt und diese am 15. Dezember 1978 begründet.

Sie ist der Ansicht, es treffe zwar zu, daß nach § 82 Abs 7 AVG die Beitragserstattung grundsätzlich weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten ausschließe. Die in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten könnten aber von dieser Wirkung nicht betroffen werden, zumal die Beiträge für diesen Zeitraum nicht erstattet worden seien. Die gegenteilige Ansicht der Vorinstanzen stelle eine Benachteiligung der Flüchtlinge und damit einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG dar.

Die Klägerin beantragt,

1.

ihr wegen Versäumnis der Revisionsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren;

2.

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach dem zuletzt in erster Instanz gestellten Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor, die Frage, ob die Beschränkung des Nachentrichtungsrechts nach Art 2 § 27 AnVNG auf Zeiten, für die tatsächlich Beiträge erstattet worden seien, mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar sei, sei nicht Gegenstand des bisherigen Verfahrens und des Revisionsvorbringens. Zu entscheiden sei allein darüber, ob die Einbeziehung der in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten in die Verfallswirkung des § 82 Abs 7 AVG mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sei. Dies sei mit dem Berufungsgericht zu bejahen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist zulässig. Zwar ist sie entgegen § 164 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 SGG nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Urteils eingelegt und nicht innerhalb zweier Monate nach Zustellung begründet worden. Der Klägerin ist jedoch wegen der Versäumnis dieser Fristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie ist an der Einhaltung der Fristen ohne Verschulden verhindert gewesen (§ 67 Abs 1 SGG). Die Versäumnis beruht allein darauf, daß der Senat über das innerhalb der Revisionsfrist eingebrachte Gesuch der Klägerin auf Bewilligung des Armenrechts erst nach Ablauf der Frist entschieden hat. Daß die Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist nicht ausdrücklich beantragt hat, ist unschädlich (§ 67 Abs 2 Sätze 3 und 4 SGG).

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist, wie durch die Bezugnahme der Revision auf den in erster Instanz zuletzt gestellten Sachantrag nochmals klargestellt ist, allein der Anspruch der Klägerin auf Anerkennung (Feststellung) der in der DDR vom 1. Oktober 1952 bis 20. Juli 1957 zurückgelegten Beitragszeiten als auch nach Bundesrecht anrechenbaren Beitragszeiten. Nicht hingegen betrifft der Rechtsstreit einen Anspruch der Klägerin auf Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit von Oktober 1952 bis Juli 1957. Die Klägerin hat einen solchen Anspruch während des gesamten Verwaltungs- und Streitverfahrens nicht erhoben und ihren Antrag vom 6. Juni 1975 auf Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nach Art 2 § 27 AnVNG ausdrücklich auf die Zeit von August 1957 bis Oktober 1959 beschränkt. Der Senat hat deswegen nicht darüber zu befinden, ob insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Auslegung des Art 2 § 27 AnVNG dahin geboten ist, daß in Fällen der vorliegenden Art die Nachentrichtung von Beiträgen auch für in der DDR zurückgelegte Versicherungszeiten zulässig sein muß.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Feststellung ist § 11 Abs 2 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) vom 3. März 1960 (BGBl I S 137). Hiernach können - und müssen auf Antrag des Versicherten - außerhalb eines Leistungsfeststellungsverfahrens nach Maßgabe des FRG Versicherungsunterlagen auch für Zeiten hergestellt werden, die nach dem FRG anrechenbar sind.

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Zeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 20. Juli 1957 als nach dem FRG anrechenbare Zeit anzuerkennen. Einer solchen Anerkennung steht die im Jahre 1961 durchgeführte Beitragserstattung entgegen.

Zu den anrechnungsfähigen Versicherungszeiten im Sinne der §§ 27 Abs 1, 35 Abs 1 AVG gehören ua Zeiten, für die nach Bundesrecht Beiträge als entrichtet gelten. Nach § 15 Abs 1 FRG stehen bei Personen im Sinne des § 1 FRG die Beitragszeiten, die nach dem 30. Juni 1945 bei einem außerhalb des Geltungsbereichs des Gesetzes befindlichen deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich. Das gilt auch für Personen, die nicht zu dem Personenkreis des § 1 Buchst a) bis d) FRG gehören (§ 17 Abs 1 Buchst a FRG).

Die hiernach grundsätzlich gegebene Möglichkeit der Berücksichtigung von in der DDR zurückgelegten Beitragszeiten ist im Falle der Klägerin infolge der Erstattung der in der Zeit vom 26. August 1957 bis 3. Oktober 1959 entrichteten Beiträge weggefallen.

Nach dem früheren § 83 AVG ist einer Versicherten, wenn sie geheiratet hat, auf Antrag die Hälfte der für die Zeit nach dem 20. Juni 1948 im Bundesgebiet entrichteten Beiträge erstattet worden. § 82 Abs 5 bis 7 AVG hat entsprechend gegolten (§ 83 Abs 3 AVG aF). Nach § 82 Abs 7 AVG schließt die Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten aus. Ausgeschlossen sind somit nicht lediglich Ansprüche, die speziell auf Beitragszeiten und von diesen wiederum auf denjenigen beruhen, für die die Beiträge zur Hälfte erstattet worden sind. Vielmehr führt die Beitragserstattung zu einer rückwirkenden Auflösung des Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit und damit - ausgenommen einen eventuellen Anspruch auf Erstattung restlicher Beiträge (vgl BSG SozR 2200 § 1303 Nr 7 S 15) - zum Verlust aller Rechte aus den vor der Beitragserstattung zurückgelegten Versicherungszeiten, sofern diese nicht erst durch eine nach der Beitragserstattung erfolgte Gesetzesänderung rückwirkend zu Versicherungszeiten geworden sind (BSGE 33, 177, 181 = SozR Nr 3 zu § 1304 RVO; BSG SozR Nr 13 zu § 1303 RVO; vgl ferner BSG SozR 2200 § 1251 Nr 22).

Diese Verfallswirkung der Beitragserstattung erfaßt auch die nach dem 30. Juni 1945 bei einem außerhalb des Geltungsbereichs des FRG befindlichen deutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen zurückgelegten Beitragszeiten, welche gemäß § 15 Abs 1 Satz 1, § 17 Abs 1 Buchst a) FRG den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen (vgl zur Verfallswirkung bezüglich der Fremdzeiten auch Koch/Hartmann/v.Altrock/Fürst, Das Angestelltenversicherungsgesetz, 2. und 3. Aufl, § 82 AVG, Anm D II). Die Gleichstellung dieser Fremdzeiten mit den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten ist in der hier maßgeblichen Hinsicht ohne Einschränkungen vorgenommen worden. § 15 Abs 1 Satz 1 und § 17 Abs 1 Buchst a) FRG bieten keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Gleichstellung nur für den Fall der Gewährung einer Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, nicht aber etwa für den Fall der Beitragserstattung gelten soll. Das Gesetz sieht die Gleichstellung ohne Einschränkungen vor. Infolgedessen sind die fremden Beitragszeiten auch im Sinne des § 82 Abs 7 AVG "bisher zurückgelegte Versicherungszeiten" und somit die aus ihnen abgeleiteten Ansprüche durch eine Beitragserstattung ausgeschlossen.

Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß die Beitragserstattung nach § 83 Abs 1 AVG aF auf die nach den dort genannten Zeitpunkten im Bundesgebiet mit Einschluß des Bundeslandes Berlin entrichteten Beiträge beschränkt ist und somit die während der Fremdzeiten geleisteten Beiträge nicht erfaßt. Es ist schon fraglich, ob dieser Umstand im Rahmen des von der Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit verfolgten Anspruchs Berücksichtigung finden kann oder nicht vielmehr allein die Rechtmäßigkeit der durch den bindenden Bescheid vom 24. Mai 1961 durchgeführten Beitragserstattung selbst berührt. Dies kann jedoch auf sich beruhen. Jedenfalls in der Sache selbst kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß ihr die in der DDR von Oktober 1952 bis Juli 1957 entrichteten Beiträge von der Beklagten nicht erstattet worden sind. Die Verfallswirkung des § 82 Abs 7 AVG ist - wie erwähnt - nicht auf Ansprüche lediglich aus solchen Versicherungszeiten beschränkt, während derer Beiträge entrichtet und für die diese Beiträge später wieder erstattet worden sind. Vielmehr führt sie zu einer rückwirkenden Auflösung des Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit und somit auch bezüglich der Beitragszeiten, für die die Beiträge nicht erstattet werden können. Dieses Ergebnis ist hinsichtlich der von der Klägerin in der DDR entrichteten Beiträge sachlich gerechtfertigt. Die Beiträge sind nicht einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland zugeflossen. Unter diesem Gesichtspunkt läßt sich daher die Berücksichtigung der ihnen zugrunde liegenden Versicherungszeiten als nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten nicht rechtfertigen. Vielmehr hat es der ausdrücklichen Regelung in § 15 Abs 1 Satz 1 und § 17 Abs 1 Buchst a) FRG bedurft, um die Gleichstellung der fremden mit nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten herbeizuführen, obgleich die während der Fremdzeiten entrichteten Beiträge gerade nicht an einen Versicherungsträger der Bundesrepublik Deutschland gelangt sind. Konsequenterweise kann dann aber der Verfall von Ansprüchen aus den fremden Beitragszeiten gemäß § 82 Abs 7 AVG nicht davon abhängig gemacht werden, daß auch die während dieser Zeiten geleisteten Beiträge von einem Versicherungsträger der Bundesrepublik erstattet werden.

Damit zugleich erweist sich die von der Klägerin erhobene Rüge einer Verletzung des Art 3 Abs 1 GG als unbegründet. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz verbietet es, wesentlich gleiche Sachverhalte willkürlich ungleich und wesentlich ungleiche Sachverhalte willkürlich gleich zu behandeln. Dadurch, daß nach § 82 Abs 7 AVG einerseits Ansprüche aus den in § 83 Abs 1 AVG aF genannten Beitragszeiten nur dann verfallen, wenn die während dieser Zeiten abgeführten Beiträge ganz oder zum Teil erstattet worden sind, andererseits die Ansprüche aus fremden Beitragszeiten im Sinne der §§ 15 Abs 1 Satz 1, 17 Abs 1 Buchst a) FRG ohne Beitragserstattung verfallen, werden nicht ungleiche Sachverhalte willkürlich gleich behandelt. Bezüglich der Rechtswirkung der Beitragserstattung liegt eine Ungleichbehandlung von vornherein nicht vor. Die Beitragserstattung führt zum Erlöschen der Ansprüche sowohl aus den in § 83 Abs 1 AVG aF genannten als auch aus den fremden Beitragszeiten. Insofern kann entgegen der Auffassung der Klägerin von einer Benachteiligung der Flüchtlinge gegenüber denjenigen Versicherten, die vor dem Antrag auf Beitragserstattung Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland geleistet haben, nicht die Rede sein. Eine Ungleichbehandlung liegt lediglich insoweit vor, als allein die auf Zeiten im Sinne des § 83 Abs 1 AVG aF entfallenden, nicht hingegen die während fremder Beitragszeiten entrichteten Beiträge erstattet werden. Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob hierdurch nicht allein die Rechtmäßigkeit der Beitragserstattung berührt wird, über die angesichts der Bindungswirkung des Bescheides vom 24. Mai 1961 im vorliegenden Verfahren nicht zu befinden ist. Jedenfalls ist die Ungleichbehandlung bezüglich der Beitragserstattung sachgerecht und nicht willkürlich. Fremde Beitragszeiten im Sinne der §§ 15 Abs 1 Satz 1, 17 Abs 1 Buchst a) FRG werden den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichgestellt, obwohl die während der Fremdzeiten entrichteten Beiträge nicht an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik abgeführt worden sind. Eine Berücksichtigung der nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten setzt hingegen notwendigerweise eine tatsächliche Beitragsentrichtung voraus. Angesichts dieses wesentlichen Unterschiedes kann es nicht als sachwidrig angesehen werden, wenn die Verfallswirkung des § 82 Abs 7 AVG lediglich von der Erstattung der tatsächlich entrichteten Beiträge abhängig gemacht wird. Daß der Gesetzgeber darüber hinaus gehalten ist bzw war, die durch § 15 Abs 1 Satz 1, § 17 Abs 1 Buchst a) FRG gewährte Begünstigung dahin fortzuschreiben, daß auch die während der Fremdzeiten entrichteten Beiträge im Rahmen des § 83 Abs 1 AVG aF zu erstatten sind, obgleich sie dem erstattungspflichtigen Versicherungsträger tatsächlich gar nicht zugeflossen sind, läßt sich aus dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG nicht herleiten.

Die Zeit der Beitragsleistung der Klägerin in der DDR von Oktober 1952 bis Juli 1957 ist nicht nachträglich wieder zu einer anrechnungsfähigen Versicherungszeit im Sinne der §§ 27 Abs 1, 35 Abs 1 AVG geworden. Im Verlaufe des Berufungsverfahrens hat die Klägerin dies daraus herzuleiten versucht, daß § 83 AVG aF mit Wirkung zum 1. Januar 1968 aufgehoben worden und damit auch die Bezugnahme auf § 82 Abs 7 AVG entfallen sei, so daß Ansprüche aus den fremden Beitragszeiten nicht weiterhin als verfallen angesehen werden könnten. Das Berufungsgericht hat demgegenüber ausgeführt, ein in der Vergangenheit liegender abgeschlossener Tatbestand werde durch eine Gesetzesänderung nur berührt, wenn und soweit dies ausdrücklich geregelt worden sei; für die Beitragserstattung nach § 83 AVG habe der Gesetzgeber eine entsprechende Bestimmung nicht getroffen. Dem stimmt der Senat zu. Die Klägerin hat diesen Gesichtspunkt im Revisionsverfahren auch nicht mehr aufgegriffen.

Die von der Klägerin vorgenommene Nachentrichtung von Beiträgen für die Zeit vom 26. August 1957 bis zum 3. Oktober 1959 gemäß Art 2 § 27 AnVNG kann ebenfalls nicht bewirken, daß die in der DDR von Oktober 1952 bis Juli 1957 zurückgelegten Beitragszeiten rückwirkend wieder zu einer anrechnungsfähigen Versicherungszeit werden. Die Beitragsnachentrichtung nach Art 2 § 27 AnVNG führt nicht zu einer Beseitigung der mit der früheren Beitragserstattung nach § 82 Abs 7 AVG verbundenen Verfallswirkung und damit zu einer Wiederherstellung des früheren Versicherungsverhältnisses in seiner Gesamtheit. Das ergibt sich insbesondere aus einem Vergleich mit Art 2 § 5 a Abs 2 AnVNG. Hiernach können Versicherte im Sinne des Abs 1 der Vorschrift, denen aufgrund des § 82 Abs 1 AVG Beiträge erstattet worden sind, auf Antrag den für die Zeit nach dem 31. Dezember 1955 erstatteten Beitrag wieder einzahlen. Im Falle der Wiedereinzahlung gilt die Erstattung für Beiträge nach dem 31. Dezember 1955 als nicht durchgeführt. Die wiedereingezahlten Beiträge bilden damit jedenfalls dann, wenn die Erstattung nur Beitragszeiträume ab 1. Januar 1956 erfaßt hatte, einen wiederhergestellten Versicherungsverlauf (vgl Koch/Hartmann/v.Altrock/Fürst, aaO, § 83, Anm B III 1). Art 2 § 27 AnVNG läßt demgegenüber nicht eine Wiedereinzahlung der erstatteten Beiträge, sondern lediglich die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für den Erstattungszeitraum zu. Diese Nachentrichtung hebt die Beitragserstattung nicht auf. Sie begründet einen neuen Versicherungsverlauf, ohne daß dadurch vor dem Erstattungszeitpunkt liegende und durch die Erstattung untergegangene weitere Versicherungszeiten wieder anrechenbar würden (Koch/Hartmann/v. Altrock/Fürst, aaO; Verbandskommentar zur Reichsversicherungsordnung, Viertes und Fünftes Buch, Bd III, Art 2 § 28 ArVNG, Anm 3). Auch der erkennende Senat hat - wenn auch in anderen Zusammenhängen - wiederholt auf den Rechtscharakter der nach Art 2 § 27 AnVNG nachentrichteten Beiträge als freiwillige Beiträge und damit auf ihre fehlende Identität mit den ursprünglich geleisteten und später erstatteten Beiträgen hingewiesen (vgl BSGE 36, 191, 193 f = SozR Nr 14 zu § 1255 RVO; BSG SozR 2200 § 1251 Nr 20 S 56).

Die Klägerin kann nach alledem unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Anerkennung der Zeit vom 1. Oktober 1952 bis zum 20. Juli 1957 als Beitragszeit verlangen. Dies muß zur Zurückweisung ihrer Revision führen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1656073

BSGE, 63

Breith. 1980, 858

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