Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Bestattungskosten. Unzumutbarkeit der Kostentragung. Einkommenseinsatz. Einsatzgemeinschaft. Absetzung von Versicherungsbeiträgen. Kfz-Haftpflichtversicherung. Einsatz von Einkommen über der Einkommensgrenze. Anwendbarkeit des § 87 Abs 3 SGB 12. Möglichkeit zur Verteilung der Belastung auf mehrere Monate

 

Leitsatz (amtlich)

Dem Bestattungspflichtigen kann auch die Tragung solcher Bestattungskosten zumutbar sein, die er mit dem zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen nicht vollständig im Monat ihrer Fälligkeit bezahlen kann.

 

Orientierungssatz

1. Neben den Einkünften des Bestattungspflichtigen ist nach dem Wortlaut der §§ 19 Abs 3 und 85 Abs 1 SGB 12 auch Einkommen seines nicht getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen. Aus dem Begriff der Zumutbarkeit in § 74 SGB 12 ergeben sich insoweit keine Besonderheiten.

2. Versicherungsbeiträge können das zu berücksichtigende Einkommen nur dann mindern, wenn sie in dem Monat tatsächlich und rechtlich angefallen sind. Eine Aufteilung der Kosten für abzugsfähige Versicherungen auf mehrere Monate ist nicht vorzunehmen, weil es insoweit an einer rechtlichen Grundlage fehlt.

3. Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist keine gesetzlich vorgeschriebene Versicherung im Sinne des § 82 Abs 2 Nr 3 SGB 12. Eine Berücksichtigung der Beiträge über die Öffnungsklausel des § 82 Abs 3 S 3 SGB 12 kommt nur in Betracht, wenn mit der Zahlung sozialhilferechtlich anerkannte Zwecke verfolgt werden.

 

Normenkette

SGB XII §§ 74, 2 Abs. 1, § 19 Abs. 3, § 82 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3, § 85 Abs. 1, § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 3

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 09.05.2018; Aktenzeichen L 4 SO 244/16)

SG Fulda (Urteil vom 30.11.2016; Aktenzeichen S 7 SO 81/14)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Mai 2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Übernahme von Bestattungskosten in Höhe von 3135 Euro.

Der Kläger ist Alleinerbe seiner 1921 geborenen und im Januar 2014 verstorbenen Mutter, die bis zu ihrem Tod in einem Pflegeheim lebte und vom Beklagten hierfür Sozialhilfeleistungen erhielt. Der Nachlass bestand lediglich aus einem Guthaben auf dem von der Pflegeeinrichtung geführten Barbetragskonto in Höhe von 362,78 Euro. Neben seiner Rente und Einkommen aus einer Gutachtertätigkeit erhielt der Kläger Geldbeträge unterschiedlicher Höhe von seinem Sohn. Im Februar 2014 bezog er eine Rente in Höhe von 2534,43 Euro und erhielt von seinem Sohn einen Betrag über 500 Euro. Seine Ehefrau bezog im Februar 2014 lediglich eine Rente in Höhe von 344,98 Euro. Den Einnahmen standen in diesem Monat Mietkosten inklusive Nebenkosten (750 Euro und 30 Euro), Heizkosten (110 Euro), Beiträge für eine Haftpflichtversicherung (6,52 Euro), eine Hausratversicherung (8,27 Euro) und einen Berufsverband (5,83 Euro) sowie Kreditverbindlichkeiten (nach Angaben des Klägers 1041 Euro) gegenüber. Seinen Antrag auf Übernahme der Kosten für die Bestattung seiner Mutter (Gebührenbescheid des Kreiskirchenamtes vom 5.2.2014 über 1557 Euro, Rechnung des Bestattungsunternehmens vom 3.2.2014 über 1339 Euro, Rechnung der Fa. a. vom 1.2.2014 über 239 Euro, insgesamt 3135 Euro) lehnte der Beklagte wegen fehlender Bedürftigkeit des Klägers ab (Bescheid vom 8.4.2014; Widerspruchsbescheid nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter vom 9.12.2014).

Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Fulda vom 30.11.2016; Urteil des Hessischen Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 9.5.2018). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es sei dem Kläger zumutbar, die nach Einsatz des Nachlasses verbleibenden anzuerkennenden Kosten in Höhe von 2765,22 Euro zu tragen. Bei der Bedürftigkeitsprüfung seien vom Einkommen weder die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für den Betrieb seines Pkw noch seine allein der Schuldentilgung dienenden Ratenzahlungsverpflichtungen abzusetzen. Deshalb sei im (maßgeblichen) Monat Februar 2014 ein die Einkommensgrenze nach § 85 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) von 1836 Euro übersteigendes Einkommen in Höhe von 693,73 Euro einzusetzen. Angesichts des engen Verwandtschaftsverhältnisses mit der Verstorbenen und des deutlich über der Grenze des § 85 SGB XII liegenden Einkommens des Klägers sowie dem Umstand, dass es sich um einen lediglich einmaligen Bedarf handle, könne es dem Kläger zugemutet werden, die darüber hinausgehenden Bestattungskosten in einem Zeitraum von vier Monaten zu zahlen.

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung der §§ 74, 85 und 87 Abs 3 SGB XII. Im Sozialhilferecht sei das Monatsprinzip maßgeblich. Abzustellen sei allein auf den Fälligkeitsmonat, in dem zwar ein Einkommensüberhang bestanden habe, welchen einzusetzen dem Kläger aber gleichwohl wirtschaftlich nicht zumutbar sei. Die gesetzlich geregelte Ausnahme des § 87 Abs 3 SGB XII sei weder unmittelbar noch analog anwendbar. Der vom LSG daraus aus Zumutbarkeitserwägungen hergeleitete Zeitraum von vier Monaten erscheine deshalb willkürlich.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. Mai 2018 und des Sozialgerichts Fulda vom 30. November 2016 sowie den Bescheid vom 8. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2772,22 Euro zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), weil der Senat mangels hinreichender Feststellungen des LSG zur Erforderlichkeit der Bestattungskosten und zur Zumutbarkeit der Kostentragung nicht abschließend das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen nach § 74 SGB XII beurteilen kann.

Gegenstand des mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) geführten Verfahrens ist der Bescheid vom 8.4.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.12.2014, soweit der Beklagte die Übernahme von Bestattungskosten für die Mutter des Klägers in Höhe von 2772,22 Euro abgelehnt hat. Die darüber hinausgehenden Bestattungskosten macht der Kläger im Revisionsverfahren angesichts des Nachlasswertes in Höhe von 362,78 Euro nicht mehr geltend. Der Anspruch auf "Übernahme" der Bestattungskosten iS von § 74 SGB XII richtet sich auf Zahlung der erforderlichen Bestattungskosten an den Leistungsempfänger, gleich, ob die Forderung des Bestattungsunternehmens bereits beglichen - Feststellungen des LSG dazu fehlen - oder aber nur fällig sein sollte (Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 9).

Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids folgt aus § 98 Abs 3 SGB XII, da er nach den Feststellungen des LSG der Mutter des Klägers bis zu deren Tod Sozialhilfe für die Unterbringung in einem Pflegeheim in Nordrhein-Westfalen (L.) leistete. Seine sachliche Zuständigkeit folgt aus § 97 Abs 1 iVm Abs 4 SGB XII, wonach die sachliche Zuständigkeit für eine stationäre Leistung auch die sachliche Zuständigkeit für eine Leistung nach § 74 SGB XII umfasst. Eine sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird durch Landesrecht für Leistungen nach § 74 SGB XII nicht und für Leistungen der Hilfe zur Pflege in Einrichtungen, die Leistungen nach § 74 SGB XII umfassen, nur (unter weiteren Voraussetzungen) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bestimmt (§ 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 Nr 1 Ausführungsverordnung zum SGB XII des Landes NRW ≪AV-SGB XII NRW≫ vom 16.12.2004 - GVBl NRW 816 - in der Fassung vom 11.5.2009 - GVBl NRW 299; eingehend BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 11). Der Senat war insoweit zur eigenständigen Anwendung und Auslegung des Landesrechts befugt, weil das LSG dieses unberücksichtigt gelassen hat (s dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 162 RdNr 7b mwN).

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch ist § 74 SGB XII(in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 - BGBl I 3022) . Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Der Kläger ist zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet und damit Anspruchsberechtigter nach § 74 SGB XII, weil er nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) alleiniger Erbe der Verstorbenen ist und als Erbe gemäß § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Kosten der Beerdigung des Erblassers trägt (zu der hier auch nach Landesrecht ≪§ 8 Abs 1 Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen - Bestattungsgesetz - BestG NRW - vom 17.6.2003 - GVBl 313≫ bestehenden Verpflichtung zur Bestattung vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 13 mwN).

War der Kläger danach zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet, fehlt es allerdings an den für eine endgültige Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen des LSG dazu, inwieweit es sich bei den geltend gemachten Kosten um Bestattungskosten iS von § 74 SGB XII handelt, sowie zu ihrer Erforderlichkeit. Dabei ist den angemessenen Wünschen des bestattungspflichtigen Klägers (§ 9 Abs 2 SGB XII) und ggf der Verstorbenen (§ 9 Abs 1 SGB XII) Rechnung zu tragen und unter Beachtung religiöser Bekenntnisse (Art 4 Grundgesetz ≪GG≫) mit Rücksicht auf die auch nach dem Tod zu beachtende Menschenwürde eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung zu treffen (BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2, RdNr 18 mwN). Übernahmefähig sind dabei allerdings nur die Bestattungskosten selbst, zu denen im Sinne eines Zurechnungszusammenhangs, aber auch nach dem Wortlaut, nur die Kosten gehören, die unmittelbar der Bestattung (unter Einschluss der ersten Grabherrichtung) dienen bzw mit der Durchführung der Bestattung untrennbar verbunden und angemessen sind (vgl im Einzelnen BSG, aaO, RdNr 19 ff). Bei der Frage, ob diese Bestattungskosten erforderlich sind, sind die ortsüblichen Preise zu ermitteln und dabei zu berücksichtigen, dass dem Bestattungspflichtigen im Hinblick auf die ihm üblicherweise zur Verfügung stehende nur kurze Zeit und die besondere (Belastungs-)Situation keine umfassende Prüfungspflicht abverlangt werden kann, welches der vor Ort oder im erweiterten Umkreis ansässigen Bestattungsunternehmen die günstigsten Bedingungen bieten kann (BSG, aaO, RdNr 22). Vorliegend spricht angesichts der Höhe der Bestattungskosten zwar Einiges dafür, dass sie erforderlich waren. Die erforderlichen Feststellungen wird das LSG aber ggf nachzuholen haben.

Ob es dem Kläger zumutbar ist, die nach den oben aufgezeigten Grundsätzen erforderlichen Kosten der Bestattung zu tragen, lässt sich anhand der Feststellungen des LSG ebenfalls nicht abschließend klären. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was dem Verpflichteten zugemutet werden kann, bestimmt sich zunächst nach den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts (BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 14; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Mai 2013, K § 74 RdNr 10; Gotzen, ZfF 2006, 1, 3). Dabei sind stets die Umstände des Einzelfalls entscheidend (BT-Drucks 03/1799 S 40; Greiser/Eicher/Siefert in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 74 RdNr 60; Berlit in Lehr- und Praxiskommentar ≪LPK≫ SGB XII, 10. Aufl 2015, § 74 RdNr 7). Da § 74 SGB XII den Anspruch auf Kostenübernahme nicht zwingend an die Bedürftigkeit des Verpflichteten knüpft, sondern die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit verwendet (Bundesverwaltungsgericht ≪BVerwG≫ vom 5.6.1997 - 5 C 13/96 - BVerwGE 105, 51 ff), nimmt er im Recht der Sozialhilfe eine Sonderstellung ein. Die Regelung unterscheidet sich von anderen Leistungen des Fünften bis Neunten Kapitels ua dadurch, dass der Bedarf bereits vorzeitig (vor Antragstellung) gedeckt sein kann, eine Notlage, die andere Sozialhilfeansprüche regelmäßig voraussetzen, also nicht mehr gegeben sein muss. Die Verpflichtung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe setzt nach § 74 SGB XII nur voraus, dass die (ggf bereits beglichenen) Kosten "erforderlich" sind und es dem Verpflichteten nicht "zugemutet" werden kann, diese Kosten (endgültig) zu tragen (BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 14).

Neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten (dazu gleich) können im Rahmen der Zumutbarkeit aber auch Umstände eine Rolle spielen, die im Allgemeinen sozialhilferechtlich unbeachtlich sind, denen jedoch vor dem Hintergrund des Zwecks des § 74 SGB XII Rechnung getragen werden muss (H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 74 RdNr 10; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 74 RdNr 37). Selbst wenn die Kostentragung nicht zur Überschuldung oder gar zur Sozialhilfebedürftigkeit des Kostenverpflichteten führt, kann deshalb der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Kostenbelastung beachtlich sein (BVerwG vom 29.1.2004 - 5 C 2.03 - BVerwGE 120, 111, 114; BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 14). Der Begriff der Zumutbarkeit ist damit nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auszulegen (BVerwGE aaO; BSG, aaO, RdNr 16). Er ist wie der Begriff der Erforderlichkeit ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff (H. Schellhorn, aaO, RdNr 10; Berlit in LPK-SGB XII, 10. Aufl 2015, § 74 RdNr 7). Dabei macht das Wort "soweit" in § 74 SGB XII deutlich, dass in Fällen, in denen dem Verpflichteten die Kostentragung nur teilweise zuzumuten ist, die Sozialhilfe die Restkosten zu übernehmen hat (H. Schellhorn aaO). Eine besondere Bedeutung kommt gleichwohl im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit zunächst den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten zu (BSG, aaO, RdNr 17). Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII (oder Arbeitslosengeld II ≪Alg II≫ nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - ≪SGB II≫) vor, ist nämlich regelmäßig von Unzumutbarkeit auszugehen (BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 17; BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2, RdNr 25).

Liegt - wie hier - keine Bedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des Dritten oder Vierten Kapitels des SGB XII vor, dienen die Bedürftigkeitskriterien der §§ 85 bis 91 SGB XII als Orientierungspunkte für die Beurteilung der Zumutbarkeit (BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2, RdNr 25; BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 17; H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 74 RdNr 12). Dies ergibt sich aus § 2 iVm § 19 Abs 3 SGB XII, wonach ua Hilfen in anderen Lebenslagen (§§ 70 bis 74 SGB XII) nur geleistet werden, soweit den Leistungsberechtigten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels des SGB XII nicht zugemutet werden kann. Dabei kann zu berücksichtigen sein, dass unter den Voraussetzungen des § 88 SGB XII auch der Einsatz von Einkommen unter der Einkommensgrenze verlangt werden kann, etwa wenn mit dem Nachlass bereits der größte Teil der Bestattungskosten gedeckt werden kann und zur Deckung des verbleibenden Bedarfs nur noch geringfügige Mittel erforderlich sind (§ 88 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XII). Nur bei (auch danach) fehlender Bedürftigkeit kommen sonstige Zumutbarkeitsgesichtspunkte zum Tragen, die es rechtfertigen können, auch unter Berücksichtigung der Einkommensgrenze des § 85 Abs 1 SGB XII einsetzbares Einkommen zu schonen.

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Bedürftigkeit bzw Unzumutbarkeit aus anderen Gründen ist nach Sinn und Zweck der Regelung des § 74 SGB XII sowie nach allgemeinen sozialhilferechtlichen Grundsätzen die Fälligkeit (vgl § 271 BGB) der jeweiligen Forderungen, die den Bestattungskosten zugrunde liegen; denn der "Leistungsfall" ist die Verbindlichkeit, nicht die erforderliche Bestattung selbst (BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 17; BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2, RdNr 25). Die Bestattungskosten wurden allesamt im Februar 2014 in Rechnung gestellt, der Gebührenbescheid des Kreiskirchenamtes ist ebenfalls im Februar 2014 erlassen worden. Der Zeitpunkt der Rechnungstellung bzw des Bescheids ist zwar ein Indiz für die Fälligkeit der Forderung, allerdings keine Fälligkeitsvoraussetzung. Das LSG wird die erforderlichen Feststellungen (zB Vereinbarung eines Zahlungsziels, Stundung der Forderung, Zugang der Rechnung) ggf nachzuholen haben.

Selbst wenn, wovon das LSG ausgeht, alle Forderungen im Zusammenhang mit der Bestattung im Februar 2014 fällig geworden sein sollten, lässt sich anhand der Feststellungen des LSG keine sichere Angabe dazu machen, in welcher Höhe die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII in diesem Monat überschritten wurde. Nach § 19 Abs 3 SGB XII iVm § 85 Abs 1 SGB XII ist der nachfragenden Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn ihr monatliches Einkommen zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich aus einem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes, den angemessenen Kosten der Unterkunft und einem Familienzuschlag in Höhe von 70 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 für den nicht getrennt lebenden Ehegatten zusammensetzt (§ 85 Abs 1 SGB XII).

Schon die vom LSG ermittelte Einkommensgrenze von 1836 Euro ist nicht nachvollziehbar. Insbesondere hat das LSG weder die konkreten Aufwendungen für die Unterkunft ermittelt, noch sich dazu geäußert, ob diese Aufwendungen dem der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang entsprechen (§ 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII). Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG insbesondere zu beachten haben, dass die Heizkosten gleichermaßen als Kosten der Unterkunft zu berücksichtigen sind. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Gelder für angemessene Heizkosten, die normativ und auch tatsächlich notwendigerweise für den allgemeinen Lebensunterhalt zur Verfügung stehen müssen, von § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII nicht erfasst sein sollen (BSG vom 25.4.2013 - B 8 SO 8/12 R - BSGE 113, 221 = SozR 4-3500 § 87 Nr 1, RdNr 25; Conradis in LPK-SGB XII, 10. Aufl 2015, § 85 RdNr 5; aA Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 85 RdNr 21.3). Hieran ändert nichts, dass § 85 Abs 1 Nr 2 SGB XII mit Wirkung vom 1.1.2016 durch das Gesetz zur Änderung des SGB XII und weiterer Vorschriften vom 21.12.2015 (BGBl I 2557) an die im Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII übliche Begrifflichkeit (BT-Drucks 18/6284 S 31) angepasst sowie die Worte "Kosten der Unterkunft" durch die Worte "Aufwendungen für die Unterkunft" ersetzt wurden und damit bezweckt werden sollte, dass "künftig Aufwendungen für Heizung nicht mehr bei der Ermittlung der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII zu berücksichtigen" sind. Denn die Änderung findet mangels Übergangsregelung nur auf die "künftigen" (ab 1.1.2016) Fälle der Einkommensberücksichtigung Anwendung, sodass es auch keiner Entscheidung darüber bedarf, ob der gesetzgeberische Wille in der Änderung des Wortlauts hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt.

Der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII gegenüberzustellen ist das bereinigte Einkommen, das dem Verpflichteten tatsächlich zur Verfügung steht, und nach §§ 82 bis 84 SGB XII bestimmt wird (BSG vom 28.2.2013 - B 8 SO 1/12 R - BSGE 113, 92 = SozR 4-3500 § 65 Nr 4, RdNr 22-23; Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 85 RdNr 15). Zum Einkommen gehören demnach alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme bestimmter, in § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII abschließend aufgezählter Leistungen. Diese wurden vom LSG nur unvollständig (Renteneinkommen des Klägers in Höhe von 2534,43 Euro; Zahlung des Sohnes in Höhe von 500 Euro) erfasst, weil die Einkünfte aus der Gutachtertätigkeit des Klägers und der maßgebliche Zeitpunkt ihrer Erzielung (ggf Berücksichtigung als Jahreseinkünfte, vgl § 8 Abs 1 iVm § 11 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII) unberücksichtigt geblieben sind.

Neben den Einkünften des Klägers ist nach dem Wortlaut der §§ 19 Abs 3 und 85 Abs 1 SGB XII auch das Renteneinkommen der Ehefrau (353,40 Euro) zu berücksichtigen, soweit die Eheleute nicht getrennt leben, wozu das LSG allerdings keine Feststellungen getroffen hat. Beide Vorschriften beziehen ausdrücklich und ohne Ausnahme Leistungen nach dem Neunten Kapitel des SGB XII (Hilfe in anderen Lebenslagen) ein, zu denen die Bestattungskosten gehören. Aus dem Begriff der Zumutbarkeit in § 74 SGB XII ergeben sich insoweit keine Besonderheiten (Greiser/Eicher/Siefert in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 74 RdNr 69). Hinsichtlich des einzusetzenden Einkommens und Vermögens ist der Kläger deshalb nicht anders zu behandeln als bei anderen Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII (H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 74 RdNr 12; Berlit in LPK-SGB XII, 10. Aufl 2015, § 74 RdNr 9). Die Gegenauffassung (unter Hinweis darauf, dass die Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten nur den Bestattungspflichtigen treffe: Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 74 RdNr 38; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand Mai 2013, K § 74 RdNr 12 mwN; Gotzen, ZfF 2006, 1, 4) hätte zur nicht hinnehmbaren Konsequenz, dass ein Ehegatte, der kein eigenes Einkommen bezieht, selbst dann als Bestattungspflichtiger Anspruch auf Bestattungskosten nach § 74 SGB XII hätte, wenn der Ehepartner ein überdurchschnittlich hohes Monatseinkommen erzielt. Dies widerspräche dem in § 19 Abs 3 SGB XII und § 85 Abs 1 SGB XII zum Ausdruck kommenden und alle Leistungen erfassenden sozialhilferechtlichen Grundsatz, wonach widerleglich (vgl etwa § 19 Abs 5 SGB XII, sog unechte Sozialhilfe) vermutet wird, dass ein dort genannter Familienangehöriger nicht nur für die eigenen Bedarfe Sorge trägt, sondern in Not- und Wechselfällen auch den Bedarf der Einstandsgemeinschaft insgesamt - im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit - aus dem ihm und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten zur Verfügung stehenden gemeinsamen Einkommen und Vermögen deckt. Dies entspricht der Erfahrung, dass in einer ehelichen Haushaltsgemeinschaft "aus einem Topf" gewirtschaftet wird und die Bedürfnisse des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten aus dem "Familieneinkommen" ohne Rücksicht auf gesetzliche Unterhaltsansprüche oder andere rechtliche Verpflichtungen befriedigt werden.

Bei der Ermittlung des Einkommens gilt, wie sich aus dem Wortlaut des § 85 Abs 1 SGB XII entnehmen lässt ("monatliches Einkommen"), das Monatsprinzip. Zu vergleichen ist also das erzielte Einkommen im Monat der Fälligkeit der Bestattungskosten (BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 17; BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2 RdNr 25; Gutzler in juris PK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 85 RdNr 23; Conradis in LPK-SGB XII, 11. Aufl 2018, § 85 RdNr 27; Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 85 RdNr 14). Soweit die Rechnungen in unterschiedlichen Monaten fällig geworden sind, hat eine Gegenüberstellung der jeweiligen Monatseinkommen (die Zahlungen des Sohnes erfolgten nicht in gleichbleibender Höhe, zu den Einnahmen aus Gutachtertätigkeit hat das LSG keine Feststellungen getroffen) und der jeweiligen Rechnungsbeträgen in allen Bedarfsmonaten zu erfolgen.

Die Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau sind um die Absetzbeträge nach § 82 Abs 2 SGB XII zu mindern. Dies sind ua Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 82 Abs 2 Nr 3 SGB XII). Das LSG hat Beiträge für eine Hausratversicherung (8,27 Euro), für die private Krankenversicherung (484,08 Euro), für eine Haftpflichtversicherung (6,52 Euro) und für den Berufsverband des Klägers (5,83 Euro) in Abzug gebracht. Dabei wird aber nicht deutlich, ob es sich um lediglich rechnerisch anteilig auf den Monat entfallende Kosten handelt oder die Kosten tatsächlich in dieser Höhe im Monat Februar angefallen sind. Dies ist aber für die Höhe der Absetzbeträge von Bedeutung, weil Versicherungsbeiträge das zu berücksichtigende Einkommen nur dann mindern können, wenn sie in dem Monat tatsächlich und rechtlich angefallen sind. Eine Aufteilung der Kosten für abzugsfähige Versicherungen auf mehrere Monate ist hingegen nicht vorzunehmen, weil es insoweit an einer rechtlichen Grundlage fehlt (Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 82 RdNr 89; Gutzler, aaO, RdNr 59.1).

Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für seinen Pkw - Haftpflichtversicherung - können ggf als mit der Erzielung seines Einkommens aus der Gutachtertätigkeit verbundene notwendige Aufwendungen iS des § 82 Abs 2 Nr 4 SGB XII - Feststellungen des LSG hierzu fehlen - Berücksichtigung finden. Dass die Kfz-Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben ist, genügt hingegen für die Absetzfähigkeit in Fällen, in denen - wie hier - der Anspruchsberechtigte bei eigener Bedürftigkeit zum Personenkreis des SGB XII gehören würde, nicht. Anders als im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II; dazu BSG vom 18.3.2008 - B 8/9b SO 11/06 R - BSGE 100, 139 = SozR 4-3500 § 82 Nr 4, RdNr 16 ff) fehlt im SGB XII der den Abzug rechtfertigende Zusammenhang zwischen der Vermögensprivilegierung eines angemessenen Kfz (vgl § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 2 SGB II) und den Kosten für die Kfz-Haftpflichtversicherung, solange keine gemischte Bedarfsgemeinschaft vorliegt (dazu BSG vom 25.4.2013 - B 8 SO 8/12 R - BSGE 113, 221 = SozR 4-3500 § 87 Nr 1, RdNr 24). Die Kfz-Haftpflichtversicherung ist insoweit keine "gesetzlich vorgeschriebene Versicherung" iS des § 82 Abs 2 Nr 3 SGB XII(Schmidt in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 82 RdNr 73; ebenso zu Bundessozialhilfegesetz ≪BSHG≫ § 76 Abs 2 Nr 3 BVerwG vom 4.6.1981 - 5 C 12.80 - BVerwGE 62, 261, weil der Abschluss der Kfz-Haftpflichtversicherung die Folge des Haltens eines Kfz sei, was dem Einzelnen aber freigestellt sei) . Eine Berücksichtigung der Beiträge über die Öffnungsklausel des § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII kommt - wenn hier § 82 Abs 2 Nr 4 SGB XII keine Anwendung findet - nur in Betracht, wenn mit der Zahlung sozialhilferechtlich anerkannte Zwecke verfolgt werden (Schmidt aaO).

Die vom Kläger angegebenen Darlehensrückzahlungen mindern das zu berücksichtigende Einkommen nicht. Derartige Schuldverpflichtungen, auf die der Betroffene freiwillig leistet, sind bei der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen (Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 82 RdNr 37). § 82 Abs 2 SGB XII regelt abschließend, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind. Dies gilt - wenn das Einkommen keiner Pfändung unterliegt (vgl dazu BSG vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2) - selbst dann, wenn der Betroffene dadurch außer Stande ist, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19). Es würde dem Zweck der Sozialhilfe zuwiderlaufen, zur Tilgung von Schulden des Hilfeempfängers beizutragen (Giere aaO).

Hat das so zu ermittelnde Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII im maßgebenden Monat (ggf Monaten) überschritten, rechtfertigt dies allein allerdings noch nicht zwingend den Einsatz des die Einkommensgrenze überschießenden Teils des Einkommens. Dies ergibt sich nicht nur aus der oben beschriebenen Sonderstellung des Anspruchs aus § 74 SGB XII und der dort normierten eigenständigen Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit. Vielmehr knüpft § 87 Abs 1 Satz 1 SGB XII den Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze ebenfalls an die Zumutbarkeit und beschränkt dessen Einsatz auf einen angemessenen Umfang (dazu BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 19). Bei dem Tatbestandsmerkmal "angemessen" handelt es sich um einen der vollen gerichtlichen Überprüfung zugänglichen unbestimmten Rechtsbegriff (BSG vom 25.4.2013 - B 8 SO 8/12 R - BSGE 113, 221 = SozR 4-3500 § 87 Nr 1, RdNr 27; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 87 RdNr 9; im Ergebnis ebenso Giere in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 87 RdNr 8). Die Auslegung des Begriffs "angemessener Umfang" erfordert eine wertende Betrachtung, bei der auch Kriterien zu berücksichtigen sind, die sich einer Bezifferung entziehen, etwa der Gesichtspunkt familiengerechter Leistungen gemäß § 16 SGB XII. Im Einzelfall kann es angemessen sein, den die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII übersteigenden Teil ganz oder gar nicht zu berücksichtigen.

Im Rahmen der Zumutbarkeit ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass es sich bei den Bestattungskosten in der Regel um einen einmaligen Bedarf handelt, der regelmäßig nicht als aktuell zu deckender (Not-)Bedarf anfällt, es also nicht um die Abwendung einer gegenwärtigen Notlage, sondern im Ergebnis um die Übernahme von Schulden geht.

Bei der Prüfung der Umstände des Einzelfalls (BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 16; Berlit in LPK-SGB XII, 10. Aufl 2015, § 74 RdNr 7) ist insbesondere das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Bestattungspflichtigem und Verstorbenem zu berücksichtigen. Je enger das Verwandtschaftsverhältnis, desto geringer sind in der Regel die Anforderungen an die Zumutbarkeit des Einkommens- und Vermögenseinsatzes. Umgekehrt können aber zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit begründen. Darüber hinaus können auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der nicht unerheblichen Schuldverpflichtungen des Klägers für die Frage der Zumutbarkeit des Mitteleinsatzes eine Rolle spielen. Das LSG wird insoweit zu ermitteln haben, ob und inwieweit es dem Kläger möglich war, seine Darlehensverpflichtungen auszusetzen bzw mit welchen wirtschaftlichen Folgen eine Aussetzung der Zahlungen verbunden (gewesen) wäre.

Ist nach der vom LSG vorzunehmenden Prüfung die Aufbringung der Mittel in angemessenem Umfang zuzumuten, so kann, worauf das LSG zu Recht hinweist, nicht in Anwendung des § 87 Abs 3 SGB XII die Aufbringung der Mittel auch aus dem Einkommen verlangt werden, das die in § 19 Abs 3 SGB XII genannten Personen innerhalb eines Zeitraums von bis zu drei Monaten nach Ablauf des Monats, in dem über die Leistung entschieden worden ist, erwerben. Die Vorschrift gilt ausweislich ihres Wortlauts nur bei einmaligen Leistungen zur Beschaffung von Bedarfsgegenständen, deren Gebrauch für mindestens ein Jahr bestimmt ist. Auch eine analoge Anwendung der Regelung scheidet aus, weil der dort für zumutbar erklärte Einkommenseinsatz über mehrere Monate ersichtlich darauf beruht, dass der Nutzen der einmaligen Leistung sich auf einen Zeitraum von mindestens einem Jahr erstreckt, was bei Bestattungskosten nicht der Fall ist (Paul, ZfF 2006, 103, 107).

Dies bedeutet aber nicht, dass die Prüfung der Zumutbarkeit allein an § 87 SGB XII und ausschließlich bezogen auf den Monat der Fälligkeit der Bestattungskosten auszurichten ist. Die "Zumutbarkeit" iS von § 74 SGB XII ist vielmehr eine Ausprägung des sog Nachranggrundsatzes in § 2 SGB XII, wonach Sozialhilfe nicht erhält, wer sich vor allem durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Dies rechtfertigt es, bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Tragung von Bestattungskosten weitere Gesichtspunkte für den Einsatz des Einkommens zu berücksichtigen, insbesondere, dass Bestattungskosten für eine angemessene und erforderliche Bestattung in der Regel in einer Höhe anfallen, die von einem Großteil der Bevölkerung - auch von Besserverdienenden - nicht ohne Weiteres durch das im Bedarfsmonat erzielte Monatseinkommen, das daneben auch den Lebensunterhalt sichern muss, gedeckt werden kann. Wollte man allein auf das im Monat des Anfalls der Bestattungskosten zugeflossene Monatseinkommen abstellen, hätte dies zur Folge, dass Bestattungskosten - jedenfalls zum Teil - bei einem Großteil der Bestattungsfälle nach § 74 SGB XII vom Sozialhilfeträger zu übernehmen wären (Greiser/Eicher/Siefert in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 74 RdNr 65). Dies widerspricht der Intention des Gesetzgebers, der neben der allgemeinen Regelung in § 19 Abs 3 SGB XII, die auf die §§ 85 ff SGB XII verweist, zusätzlich das Kriterium der Zumutbarkeit in § 74 SGB XII aufgenommen hat, das ein Abweichen von der starren, auf den Monat bezogenen Einkommensgrenze - auch zu Lasten der nachfragenden Person - erlaubt.

Zumutbarkeit iS von § 74 SGB XII ist danach so zu verstehen, dass alles das zumutbar ist, was "typischerweise" von einem "Durchschnittsbürger" in einer vergleichbaren Situation erwartet werden kann. Dazu gehört auch, dass in den Fällen, in denen die Bestattungskosten nicht schon aus vorhandenem Vermögen oder dem im maßgebenden Monat zugeflossenen Monatseinkommen aufgebracht werden können, deren Bezahlung - soweit sie das nach §§ 85, 87 SGB XII einzusetzende Einkommen übersteigen - durch Aufnahme eines Darlehens oder durch eine Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Kreiskirchenamt oder dem Bestattungsunternehmer ermöglicht wird. Dabei ist nicht entscheidend, ob - entsprechend der Regelung des § 87 Abs 3 SGB XII - das überschießende Einkommen von drei oder vier Monaten zur Bezahlung der Bestattungskosten ausreichend ist, weil die Bestattungskosten zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit (in voller Höhe) beglichen werden müssen. Maßgebend ist vielmehr, ob der Verpflichtete unter Berücksichtigung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei einer Bank einen Ratenkredit erhält, den er in angemessener Zeit tilgen kann, oder ob die Gläubiger eine entsprechende Stundungsvereinbarung abzuschließen bereit sind. Bei der Aufnahme eines Ratenkredits ist dabei von einer Laufzeit von ca einem Jahr auszugehen, innerhalb der die Bestattungskosten ausgeglichen werden. Unter welchen Umständen auch die Aufnahme eines längerfristigen, über ein Jahr hinausgehenden Darlehens zumutbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der damit einhergehenden wirtschaftlichen und persönlichen Belastung ab. Je länger die Belastung andauert desto stärker sinkt die Zumutbarkeitsgrenze. Ob dem Kläger ein Ratenkredit und zu welchen Konditionen gewährt wird (oder bereits gewährt wurde) oder ob das Bestattungsunternehmen bzw das Kreiskirchenamt bereit gewesen wären, eine entsprechende Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung zu vereinbaren oder sogar vereinbart haben, kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen des LSG nicht beurteilen. Entsprechende Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben. Als anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzung trifft den Kläger die Feststellungslast für die Unzumutbarkeit (vgl Gotzen, ZfF 2006, 1, 3).

Auch zu einem möglicherweise vorhandenen Vermögen des Klägers und seiner Ehefrau, das Feststellungen zum Einkommen erübrigen könnte, hat das LSG keine Feststellungen getroffen. Zumutbar ist die Tragung der Kosten allerdings unabhängig von Bedürftigkeit sowie der Einkommensgrenzen nach §§ 85 ff SGB XII und von einem möglichen Vermögenseinsatz, soweit der zur Bestattung Verpflichtete infolge des Todes des Leistungsempfängers über Einkommen oder Vermögen verfügt (Sterbegeld, Bestattungsvorsorge, Erbschaft), das für die Bestattung vorgesehen (BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2, RdNr 25) oder nach Sinn und Zweck des § 74 SGB XII dafür zu verwenden ist (s für den Fall der Erbschaft § 1968 BGB). Der Nachlass ist grundsätzlich mit seinem vollen Wert einzusetzen; die Regelungen über das Schonvermögen nach § 90 SGB XII kommen den Erben nicht zugute (BVerwG Buchholz 436.0 § 15 BSHG Nr 2: Gotzen, ZfF 2009, 52, 53). Dementsprechend hat der Kläger sein Begehren im Revisionsverfahren insoweit eingeschränkt.

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13397815

FamRZ 2020, 63

ZEV 2020, 126

FEVS 2020, 241

NDV-RD 2020, 36

SGb 2019, 424

ZfF 2019, 237

ZfSH/SGB 2019, 616

GV/RP 2020, 497

Breith. 2020, 155

FSt 2020, 920

FuBW 2020, 299

FuNds 2020, 325

KomVerw/B 2020, 290

KomVerw/S 2020, 289

KomVerw/T 2020, 287

info-also 2019, 281

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