Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung von tarifvertraglichen Sonderzahlungen bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes. Rückständiger Arbeitsentgeltanspruch. Konkursausfallgeld

 

Leitsatz (amtlich)

Bei (rückständigem) Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt (oder Teile hiervon) steht dem Arbeitnehmer für die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Konkurseröffnung regelmäßig ein Anspruch auf Konkursausfallgeld nur in Höhe von drei Zwölfteln des auf das ganze Jahr entfallenden Gesamtbetrages zu.

 

Leitsatz (redaktionell)

Tarifvertragliche Sonderzahlungen, die für den Fall, daß das Arbeitsverhältnis nicht während des gesamten Ausgangszeitraums bestanden hat, anteilmäßig entsprechend der Dauer der Betriebszugehörigkeit gewährt werden, sind bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes mit dem Anteil zu berücksichtigen, der auf den Zeitraum entfällt, für den Konkursausfallgeld zu zahlen ist.

 

Orientierungssatz

1. Bedingte Forderungen auf Arbeitsentgelt können, wie AFG § 141b Abs 2 es voraussetzt, Masseschulden nach KO § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a sein und sind deshalb auch bei Abweisung eines Antrags auf Konkurseröffnung mangels Masse bei der Berechnung des Kaug ebenso wie im Konkursfalle zu berücksichtigen (AFG § 141b Abs 3 Nr 1).

2. KO §§ 66 und 67 umfassen nicht nur Forderungen, die noch von dem Eintritt einer rechtsgeschäftlichen Bedingung (BGB § 158 ff) abhängen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Forderungen, die noch den Eintritt einer gesetzlichen Bedingung, dh eines für ihre Entstehung erforderlichen Tatbestandsmerkmals voraussetzen.

3. Solche Forderungen, die noch von einer gesetzlichen Bedingung abhängen, werden jedenfalls dann von den KO §§ 66 und 67 erfaßt, wenn die Gegenleistung im wesentlichen erbracht wurde.

 

Normenkette

AFG § 112 Abs. 2 S. 3 Fassung: 1974-12-21, § 141a Fassung: 1974-07-17, § 141b Abs. 1 Fassung: 1974-12-21; KO § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Fassung: 1974-07-17; AFG § 141b Abs. 3 Nr. 1 Fassung: 1974-07-17; KO §§ 66-67; BGB § 158; AFG § 141b Abs. 2 Fassung: 1974-12-21

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 23.08.1977; Aktenzeichen L 7 Ar 207/76)

SG Braunschweig (Entscheidung vom 21.10.1976; Aktenzeichen S 8 Ar 258/75)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. August 1977 wird zurückgewiesen

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte bei der Berechnung des Konkursausfallgeldes (Kaug) den Anspruch auf ein 13. Monatsgehalt (oder Teile hiervon) in vollem Umfang zu berücksichtigen hat oder nur den auf die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfallenden Anteil (drei Zwölftel).

Der Kläger war seit November 1955 bei der Firma ... als technischer Bankkaufmann beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galt der Tarifvertrag (TV) über die Gewährung eines Teils eines 13. Monatseinkommens für die technischen und kaufmännischen Angestellten sowie Auszubildenden des Baugewerbes vom 26. Februar 1975.

Die §§ 2 und 3 dieses TV lauten:

"§ 2 Anspruch

1. Arbeitnehmer, die

a) am 30. November in einem Arbeitsverhältnis zu einem baugewerblichen Betrieb stehen und

b) zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb mindestens zwölf Monate ununterbrochen als Arbeitnehmer oder Auszubildender angehört haben, haben Anspruch auf Zahlung eines Betrages von 200.-- DM.

2. Endet das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers vor dem 30. November so hat der Arbeitnehmer für jeden vollen Monat, den er seit dem 1. Januar des Kalenderjahres ununterbrochen im Betrieb beschäftigt war. Anspruch auf ein Zwölftel des in § 2 genannten Betrages, wenn sein Arbeitsverhältnis ununterbrochen zwölf Monate bestanden hatte. Der Anspruch richtet sich gegen den Arbeitgeber, der die Kündigung ausgesprochen hat.

3. Soweit nach den Nummern 1 bis 2 eine mindestens zwölfmonatige ununterbrochene Betriebszugehörigkeit vorausgesetzt ist, werden Zeiten ununterbrochener Betriebszugehörigkeit zusammengerechnet, wenn die Unterbrechung nicht vom Arbeitnehmer veranlaßt wurde und wenn sie nicht länger als 6 Monate gedauert hat.

§ 3 Fälligkeit

Der Betrag ist am 1. Dezember fällig."

Durch Beschluß des Amtsgerichts Clausthal-Zellerfeld vom 30. Juni 1975 - 5 N 5/75 - wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers des Klägers mangels Masse abgelehnt. Nach Bekanntgabe des Beschlusses kündigte der Kläger noch am Tage des Beschlusses fristlos und stellte sich am 1. Juli 1975 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung.

Die Beklagte gewährte dem Kläger auf dessen Antrag vom 4. Juli 1975 Kaug (Bescheid vom 11. Juli 1975). Nachdem der Beklagten angezeigt worden war, daß dem Kläger auch ein Teil des 13. Monatsgehalts zustehe, gewährte sie dem Kläger weitere 50,-- DM als Ausgleich für die ausgefallenen Anteile des tariflichen Gesamtbetrages, die auf die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses entfallen, nämlich drei Zwölftel = 50,-- DM (Bescheid vom 19. September 1975). Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger Berücksichtigung des gesamten ihm zustehenden Betrages von sechs Zwölfteln = 100,-- DM. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11. November 1975; Urteil des Sozialgericht -SG- Braunschweig vom 21. Oktober 1976; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Niedersachsen vom 23. August 1977). Das LSG hat die Auffassung vertreten, Gratifikationsansprüche seien den Zeiträumen zuzuordnen, in denen sie erarbeitet wurden. Dies seien anteilig die einzelnen Monate des Jahres. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts -BAG- (AP Nr 3 zu §§ 59 KO, das sich mit Kleinstgratifikationen befasse stehe dieser Auffassung nicht entgegen, da dort ausdrücklich offen bleibe, wie sonstige Gratifikationen zu behandeln seien.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, der Anspruch auf einen Anteil des 13. Monatseinkommens sei ein aufschiebend bedingter Anspruch wie der Urlaubsabgeltungsanspruch und sei deshalb nach den Grundsätzen einzuordnen, die der erkennende Senat in seinem Urteil vom 30. November 1977 (- 12 RAr 99/76 - SozR 4100 § 146 b Nr 5) entwickelt habe. Der Anspruch auf einen Teil des 13. Monatsgehalts könne allerdings nicht einzelnen Arbeitstagen, sondern nur dem jeweiligen Kalendermonat des Ausscheidens zugeordnet werden.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG und des SG aufzuheben, sowie die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 11. Juli und 19. September 1975 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 1975 zu verurteilen, dem Kläger weitere 50,-- DM Kaug zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, daß dem Kläger für das anteilige 13. Monatsgehalt überhaupt kein Kaug zustehe und sie Kaug in Höhe von drei Zwölfteln unter Verkennung der Rechtslage gewährt habe.

II

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Dem Kläger steht Kaug nur für drei Zwölftel des tariflich gesicherten Anteils eines 13. Monatsgehalts zu. Nur in dieser Höhe besteht der ihm arbeitsrechtlich zustehende Anspruch "für" die letzten der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses (§ 141 b Abs 1 iVm Abs 3 Nr 1 des Arbeitsförderungsgesetzes -AFG-).

Arbeitsrechtlich hatte der Kläger bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf sechs Zwölftel (= 100,--DM) des tariflich gesicherten Anteils eines 13. Monatsgehalts erworben.

Diesem Anspruch steht nicht entgegen, daß der Tarifvertrag anteilige Ansprüche bei Ausscheiden des Arbeitnehmers im Laufe des Jahres nur für den Fall vorsieht, daß das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers endet. Das BAG hat in anderem Zusammenhang bereits mehrfach entschieden, daß bei Vorschriften, die an ein bestimmtes Kündigungsverhalten anknüpfen, nicht die Form der Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Kündigung durch den Arbeitgeber, Auflösungsvertrag, Kündigung durch den Arbeitnehmer) entscheidend ist, sondern es allein darauf ankommt, werden Anlaß für die Kündigung gegeben hat.

Es hat dieses Ergebnis durch eine am Zweck der betreffenden Regelungen orientierte Auslegung gefunden (AP Nr 1 zu § 75 HGB; AP Nr 111 zu § 242 BGB Ruhegehalt). Auch die Regelung des hier anzuwendenden TV kann nur dahin verstanden werden, daß es auf den Anlaß zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses ankommt und nicht auf die Form der Auflösung. Der Arbeitgeber kann ein berechtigtes Interesse daran haben, die Arbeitnehmer, die gegen seinen Willen das Arbeitsverhältnis lösen oder durch ihr Verhalten Anlaß zur fristlosen Kündigung geben, von der Zahlung eines 13. Monatsgehalts auszuschließen. Für einen Ausschluß auch derjenigen, die das Arbeitverhältnis im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber lösen oder ihrerseits einen Grund zur fristlosen Kündigung haben, ist hingegen kein gerechtfertigtes Interesse erkennbar. Ebensowenig läßt sich dem übrigen Wortlaut ein entsprechender Wille der Tarifvertragsparteien entnehmen.

Abgesehen davon würde die Versagung der Leistung für den Fall, daß der Arbeitnehmer einen Grund zur fristlosen Kündigung hat, auch nichtig sein. Das BAG hat ähnlich gelagerten Fällen mehrfach entschieden, daß sogar der Ausschluß der Leistung für Fälle betriebsbedingter Kündigung durch den Arbeitgeber unwirksam ist (AP Nr 84 und 86 zu § 611 Gratifikation). Gleiches muß gelten, wenn ein betrieblicher Grund für eine fristlose Kündigung des Arbeitnehmers vorliegt, zumal nach einhelliger Auffassung eine Erschwerung der außerordentlichen Kündigung durch Belastung mit Nachteilen ohnehin unzulässig wäre (BAG AP Nr 1 und 2 zu § 626 BGB Kündigungserschwerung; Soergel/Siebert/Wlotzke/Volze, BGB, 10. Aufl. § 626 Anm 9). Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß der Anspruch aus § 2 des TV auch dann begründet ist, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwar nicht durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers erfolgt, wohl aber aus einem Anlaß der dem Arbeitgeber zuzurechnen ist. Ein solcher Anlaß ist auch die Unfähigkeit des Arbeitgebers, seiner Verpflichtung zur Zahlung des Lohnes nachkommen. Die fristlose Kündigung des Klägers, die auf dieser Zahlungsfähigkeit beruht, ist deshalb iS des § 2 des TV der ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers gleichzustellen.

Dem Kläger stand somit bei seinem Ausscheiden ein Anspruch auf ein Zwölftel des tariflichen Gesamtbetrages für jeden vollen Monat der Betriebszugehörigkeit seit dem 1. Januar des laufenden Jahres zu. Da er bis zum 30. Juni 1975 dem Betrieb angehört hatte, beläuft sich dieser Betrag auf sechs Zwölftel (= 100,-- DM).

Bei diesem Anspruch handelt es sich um Arbeitsentgelt, so dass auch insoweit die Voraussetzungen der §§ 141a ff AFG erfüllt sind. Das BAG und das BSG haben in neueren Entscheidungen keinen Zweifel daran gelassen, daß es sich bei Gratifikationen oder Sonderzahlungen - wie dem 13. Monatsgehalt - um erdienten Lohn handelt (BAG AP Nr 86 zu § 611 BGB Gratifikation; Urteile vom 27. Oktober 1978 - 5 -AZR 139/77- und -5 AZR 587/77- sowie vom 8. November 1978 -5 AZR 358/77-. ebenso BSG, Urteil vom 10. Oktober 1978 -7 RAr 57/77-). Auch insoweit schließt sich der erkennende Senat dieser Rechtsprechung an.

Mit diesem Anspruch auf Arbeitsentgelt ist der Kläger ausgefallen (§ 141a AFG); denn sein Anspruch kann von dem Arbeitgeber wegen der bestehenden Zahlungsunfähigkeit nicht befriedigt werden.

Zu Unrecht meint die Beklagte jedoch, dieser Anspruch könne bei der Berechnung des Kaug deshalb nicht berücksichtigt werden, weil er erst nach Abweisung des Antrags auf Konkurseröffnung entstanden sei und deshalb nicht zu den "Rückständen" gerechnet werden könne. Es trifft allerdings zu, daß gem § 141b Abs 2 AFG Kaug nur für Ansprüche auf Arbeitsentgelt zu zahlen ist, die Masseschulden iS des § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a der Konkursordnung -KO- sein können. Diese Vorschrift der KO betrifft nur "Rückstände" für die letzten 6 Monate vor der Eröffnung des Konkursverfahrens und der gem § 141b Abs 2 und 3 AFG gleichgestellten Tatbestände, zu denen auch die Ablehnung der Eröffnung mangels Masse rechnet (§ 141b Abs 3 Nr 1 AFG).

Entgegen der Auffassung der Beklagten gehört der hier maßgebliche Anspruch des Klägers auf sechs Zehntel des tariflich gesicherten Anteils eines 13. Monatsgehalts zu den "Rückständen" auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Er war nämlich bereits vor der Abweisung des Konkursantrages als bedingter Anspruch vorhanden und wäre deshalb gem §§ 66/67 KO im Konkurs als Masseschuld nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO zu berücksichtigen gewesen (BSG SozR 4100 § 141b Nr 5 S 16 f mit Anm von Küchenhoff, ArbuR 1978, 285 ff). Die §§ 66 und 67 KO umfassen nicht nur Forderungen, die noch von dem Eintritt einer rechtsgeschäftlichen Bedingung (§ 158 ff BGB) abhängen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch Forderungen, die noch den Eintritt einer gesetzlichen Bedingung. d.h. eines für ihre Entstehung erforderlichen Tatbestandsmerkmals voraussetzen (Mentzel/Kuhn, KO, 8. Aufl § 67 Anm 1; Jaeger/Lent, Kommentar z KO, 6./7-. Aufl § 67 Anm 1).

Solche Forderungen, die noch von einer gesetzlichen Bedingung abhängen, werden jedenfalls dann von den §§ 66 und 67 KO erfaßt, wenn die Gegenleistung im wesentlichen erbracht wurde.

Ihr Schwergewicht liegt dann in der Zeit vor Konkurseröffnung, was eine Zuordnung zu den Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 KO rechtfertigt. Demgegenüber gehören zu den Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nrn 1 und 2 KO regelmäßig nur solche Forderungen, für die der Masse eine Gegenleistung zufließt (so neuerdings auch BAG - Großer Senat -, Beschluß vom 13. Dezember 1978 - GS 1/77 -) Bedingte Forderungen auf Arbeitsentgelt können also, wie § 141 b Abs 2 AFG es voraussetzt, Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO sein und sind deshalb auch bei Abweisung eines Antrags auf Konkurseröffnung mangels Masse bei der Berechnung des Kaug ebenso wie im Konkursfalle zu berücksichtigen (§ 141b Abs 3 Nr 1 AFG).

Auch der hier geltend gemachte Anspruch des Klägers stellte zum Zeitpunkt der Abweisung des Konkursantrages einen bedingten Anspruch dar, für den die Gegenleistung bereits vorher erbracht war und der deshalb als Masseschuld nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO zu berücksichtigen wäre. Am Ende jeden vollen Monats, den der Kläger im laufenden Jahr nach Erfüllung der tarifvertraglichen Wartezeit dem Betrieb angehört hatte, hatte er die Leistungen erbracht, die den Anspruch auf ein Zwölftel des tariflich gesicherten Anspruchs begründet. Der Anspruch war nur noch davon abhängig, daß das Arbeitsverhältnis nicht aus einem Anlaß, der dem Arbeitnehmer zuzurechnen ist, beendet wurde. Dieser zweiten im Insolvenzzeitpunkt noch ausstehenden Voraussetzung kommt gegenüber der ersten (Erarbeiten des Anspruchs) aber geringere Bedeutung zu. Dies ergibt sich bereits aus der oben zitierten Rechtsprechung des BAG, in der dargelegt ist, daß für die Zahlung einer Gratifikation das Erarbeiten des Anspruchs unbedingte Voraussetzung ist, während weitere Voraussetzungen, die Zwecke, wie die Erhaltung der Betriebstreue, verfolgen, entfallen können, ohne daß deshalb der Anspruch entfällt, wenn der Arbeitnehmer durch Umstände aus der Sphäre des Arbeitgebers an der Erfüllung dieser Voraussetzungen gehindert ist (BAG, Urteil vom 27. Oktober 1978 - 5 AZR 287/77 -). Ebenso hat der 7. Senat des BSG in seinem Urteil vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 57/77 - Sonderzahlungen, denen eine ähnliche tarifliche Regelung zugrunde lag wie hier, als Ansprüche eingestuft, mit denen der Arbeitnehmer rechnen konnte, obwohl auch diese Ansprüche davon abhängig waren, daß der Arbeitnehmer nicht auf eigenen Wunsch oder aus eigenem Verschulden ausscheidet. Dieser Rechtsprechung, die das Schwergewicht der Anspruchsvoraussetzungen in dem Erbringen der Arbeitsleistung sieht, entspricht es, Forderungen nach Erbringen der Arbeitsleistung als bedingte Forderungen anzusehen, die im Konkursfalle zu den "Rückständen" iSd § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO zu rechnen sind. Dabei kann es dahinstehen, ob die weitere Voraussetzung als auflösende Bedingung (§ 66 KO) oder als aufschiebende Bedingung (§ 67 KO) zu werten ist. In jedem Fall wäre diese Forderung, da die weitere Bedingung nach dem Insolvenzzeitpunkt eingetreten ist, als wirksame Masseschuld zu behandeln.

Der rückständige Anspruch des Klägers ist allerdings nur zu drei Zwölfteln bei der Berechnung des Kaug zu berücksichtigen. Die Gewährung von Kaug hängt gem § 141b Abs 1 AFG auch noch davon ab, daß die rückständige Forderung "für" die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor Konkurseröffnung zu beanspruchen ist. Die tarifliche Zwölftelung läßt erkennen, daß der Anspruch jeweils monatlich erarbeitet wird und deshalb dem Lohn des Monats zuzurechnen ist, in dem er erarbeitet wurde (ebenso BSG, Urteil vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 57/77 -; vgl ferner BAG, Urteil vom 8. November 1978 - 5 AZR 358/77 - wo ausgeführt wird, daß bei Fehlen einer Regelung für den Fall vorzeitigen Ausscheidens eine anteilige Auszahlung nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit im Bezugsjahr vorzunehmen ist). Das bedeutet, daß von den sechs Zwölfteln des Teiles eines 13. Monatsgehalts, die der Kläger zu beanspruchen hat, je ein Zwölftel den Monaten Januar bis Juni 1975 zuzuordnen ist. In die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenztag fallen dementsprechend drei Zwölftel des Gesamtanspruchs. Dabei ist es gleichgültig, ob man diese drei Monate von dem Tage vor Konkurseröffnung an (hier ab 29. Juni) berechnet oder den Insolvenztag einbezieht (hier also ab 30. Juni).

Eine andere Zuordnung der tariflichen Ansprüche auf einen Teil eines 13. Monatsgehalts scheidet hier aus. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt, in dem die letzte Anspruchsvoraussetzung erfüllt wurde (Zeitpunkt des Ausscheidens) kommt nicht in Betracht, weil es sich nicht um eine Leistung für einen Zeitpunkt, sondern um eine Leistung für einen Zeitraum handelt. Auch eine Zuordnung zu dem Zeitpunkt des Weihnachtsfestes scheidet aus. Selbst wenn auch die bei Ausscheiden im Laufe des Jahres entstehenden Ansprüche gem § 3 des TV erst am 1. Dezember des Jahres fällig werden, kann man nicht davon ausgehen, daß der prägende Zweck der Leistung in der Verschönerung des Weihnachtsfestes liegt. Das BAG hat dies allerdings für Kleinstgratifikationen in seinem Urteil vom 23. Mai 1967 - 5 AZR 449/66 - angenommen (AP Nr 3 zu § 59 KO). Es hat in dieser Entscheidung aber bereits durchblicken lassen, daß eine solche Zuordnung für sonstige Gratifikationen nicht ohne weiteres begründet erscheint. Für den vorliegenden Fall kommt eine Zuordnung zu der Zeit um Weihnachten jedenfalls nicht in Betracht, weil es sich dem Grundgedanken der tariflichen Regelung nach hier nur um einen Teil des in Zukunft anzustrebenden 13. Monatsgehalts handelt und deshalb unabhängig von der Höhe dieses Teils nicht von einer Leistung ausgegangen werden kann, die lediglich auf das Weihnachtsfest bezogen ist.

Der Zuordnung je eines Zwölftels zu den einzelnen Monaten des Jahres steht auch das bereits mehrfach zitierte Urteil des 7. Senats des BSG vom 10. Oktober 1978 (- 7 RAr 57/77-) nicht entgegen. Dort wird allerdings ausgeführt, daß tariflich gesicherte Ansprüche, zB auf Weihnachtsgratifikationen, iS des § 112 AFG, nicht in dem Zeitraum erzielt werden, in dem die entsprechende Gegenleistung erbracht wird, sondern in dem Zeitpunkt, in dem diese Leistung dem Arbeitnehmer zufließt. Der 7. Senat gewinnt diese Erkenntnis aber aus dem besonderen Zweck des § 112 Abs 2 AFG. Er sieht den Zweck der Vorschrift darin, dem Arbeitnehmer den Lebensstandard zu erhalten, den er im Bemessungszeitraum hatte und folgert daraus, daß alle Leistungen zu berücksichtigen sind, auf die er einen Anspruch hatte und die ihm in dieser Zeit zugeflossen sind. Dieser Gedanke läßt sich nicht auf die ganz anderen Zwecken dienende Vorschrift des § 141b Abs 1 AFG übertragen.

Die Zuordnung von je einem Zwölftel des Gesamtanspruchs zu jedem Kalendermonat führt auch insgesamt zu sachgerechten Ergebnissen. Sie hat zur Folge, daß Ansprüche auf ein 13. Monatsgehalt, Weihnachtsgeld oder ähnliche Sonderzahlungen - sofern sie arbeitsrechtlich, sei es auch nach dem Insolvenztag, entstanden sind - konkursrechtlich wie folgt einzuordnen sind. Für die Zeit nach Konkurseröffnung sind sie Masseschulden, nach § 59 Abs 1 Nr 2 KO, für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung sind sie Masseschulden nach § 59 Abs 1 Nr 3 Buchst a KO, für die davor liegenden sechs Monate sind sie Konkursforderungen nach § 61 Abs 1 Nr 1 Buchst a KO und für die noch weiter zurückliegende Zeit Konkursforderungen nach § 61 Abs 1 Nr 6 KO. Für die in die sechs Monate vor Konkurseröffnung fallenden letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses wird außerdem Kaug gewährt (vgl BSG Urteil vom 20. Oktober 1977 - 12/7 RAr 101/76 - SozR 4100 § 141b Nr 4). Diese Verteilung auf verschiedene Rangstufen im Konkurs entspricht dem konkursrechtlichen Grundsatz, daß die Masse - abgesehen von der besonderen Regelung des § 59 Abs 1 Nr 3 KO - regelmäßig nur insoweit mit Masseschulden belastet werden soll, als die Gegenleistung hierfür der Masse zugute kommt, bei Arbeitsverhältnisse also nur mit Lohnansprüchen, für die die Gegenleistung erst nach Konkurseröffnung erbracht wird (BAG - Großer Senat Urteil vom 13. Dezember 1978 - GS 1/77 -). Eine vollständige Zuordnung des Anspruchs zu der Zeit um Weihnachten oder dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis wurde, wenn diese Zeitpunkte nach Konkurseröffnung liegen, abgesehen von der nicht gerechtfertigten Belastung der Masse, auch im Konkursfalle zu einer nicht gerechtfertigten Bevorzugung der Absicherung der Ansprüche auf ein 13. Monatsgehalt gegenüber den übrigen regulären Lohnansprüchen führen. Im Falle der Abweisung des Konkursverfahrens mangels Masse (das ist die Mehrzahl der Fälle), würde demgegenüber aber überhaupt keine Realisierung des Anspruchs möglich sein; denn eine Gewährung von Kaug käme dann -wie die Beklagte zutreffend darlegt - nicht einmal für einen Teil des Anspruchs in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647106

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