Orientierungssatz

Zulassung der Sprungrevision durch Beschluß ohne ausdrückliche Zulassung der Berufung (vgl BSG 1977-06-29 11 RA 52/76 = SozR 1500 § 161 Nr 15, BSG 1978-10-10 3 RK 23/78 = SozR 1500 § 150 Nr 13, BSG 1981-03-31 5b/5 RJ 26/79) - Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres nach RKG § 45 Abs 1 Nr 2 - Zusammenrechnung der im französischen und deutschen Bergbau zurückgelegten Versicherungszeiten auf die Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten nach RKG § 49 Abs 2 (vgl EuGH 1978-10-12 32/76 = SozR 6050 Art 2 Nr 4) - Wechsel der französischen Staatsangehörigkeit in die algerische Staatsangehörigkeit.

 

Normenkette

SGG § 66 Abs 2 Fassung: 1953-09-03, § 150 Nr 1 Fassung: 1974-07-30, § 161 Abs 1 Fassung: 1974-07-30; RKG § 45 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1967-12-21, § 49 Abs 2 Fassung: 1967-12-21; EWGV 1408/71 Art 2 § 1; EWGV 1408/71 Art 40 Abs 1; EWGV 1408/71 Art 45 Abs 1; EWGV 1408/71 Art 45 Abs 2

 

Verfahrensgang

SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 06.12.1978; Aktenzeichen S 3 Kn132/76)

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) wegen Vollendung des 50. Lebensjahres.

Er ist im Jahre 1924 in Algerien als französischer Staatsbürger geboren. Seit der Entlassung seines Geburtslandes in die Unabhängigkeit am 1. Juli 1962 besitzt er die algerische Staatsangehörigkeit. Bis Oktober 1960 hat er im französischen Steinkohlenbergbau mit Arbeiten unter Tage eine Versicherungszeit von insgesamt 155 Monaten zurückgelegt. Im Mai 1961 nahm er eine Beschäftigung im deutschen Steinkohlenbergbau auf. Er wird dort seit mehreren Jahren als Grubenlokfahrer eingesetzt. In der Zeit vom 1. April 1978 bis 23. Juni 1978 und vom 1. Juli 1978 bis 18. August 1978 war er als Hilfsarbeiter der Lohngruppe 05 unter Tage tätig.

Die Beklagte hat den Rentenantrag mit der Begründung abgelehnt, der Kläger erfülle mit den in der Bundesrepublik zurückgelegten Versicherungszeiten nicht die gemäß § 45 Abs 1 Nr 2 iVm § 49 Abs 2 RKG erforderliche Wartezeit. Seine in Frankreich verbrachten Beitragszeiten könnten nicht nach der EG-Verordnung Nr 1408/71 zusätzlich berücksichtigt werden, weil er als algerischer Staatsangehöriger außerhalb des persönlichen Geltungsbereichs des Gemeinschaftsrechts stehe (Bescheid vom 1. April 1976 und Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1976).

Auf Vorlage des mit der Klage angerufenen Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Urteil vom 12. Oktober 1978 (SozR 6050 Art 2 Nr 4) entschieden, daß für die Feststellung von Leistungsansprüchen aufgrund der VO Nr 1408/71 vor deren Inkrafttreten zurückgelegte Versicherungszeiten Berücksichtigung finden müssen, sofern der Wanderarbeitnehmer zur Zeit ihrer Zurücklegung Angehöriger eines Mitgliedstaates gewesen sei. Das SG hat daraufhin die ablehnenden Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verpflichtet, unter Berücksichtigung der in Frankreich zurückgelegten Versicherungszeiten dem Kläger die Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Urteil vom 6. Dezember 1978 ist zur Begründung ausgeführt: Nach dem verbindlichen Spruch des EuGH zähle die von dem Kläger in Frankreich als französischer Staatsangehöriger verrichtete knappschaftliche Tätigkeit für die Erfüllung der Wartezeit. Unter Einschluß der nach deutschem Recht zurückgelegten knappschaftlichen Zeiten ergebe sich demnach eine die geforderte Wartezeit von 300 Monaten überschreitende Versicherungszeit. Ausgehend von dem Hauptberuf eines Grubenlokfahrers habe der Kläger zumindest während der Dauer der Beschäftigung als Hilfsarbeiter eine Lohneinbuße von mehr als 7,5 vH hinnehmen müssen und damit eine wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit nicht ausgeübt. Die Beklagte habe noch zu prüfen, ob diese Voraussetzung auch für weitere Zeiträume erfüllt sei.

Dieses Urteil hat die Beklagte mit der vom SG nachträglich durch Beschluß zugelassenen Sprungrevision angefochten. Sie rügt die fehlerhafte Anwendung des § 45 Abs 1 Nr 2 RKG iVm Art 45 der VO 1408/71.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 6. Dezember 1978

aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision der Beklagten ist statthaft. Für diese Beurteilung ist der Umstand ohne entscheidende Bedeutung, daß das Rechtsmittel Bergmannsrente für einen abgelaufenen Zeitraum betrifft. Zwar wendet sich die Beklagte gegen eine ihr nach dem Tenor des angefochtenen Urteils ohne zeitliche Beschränkung auferlegte Leistungsverpflichtung "nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen". Das SG hat indessen trotz dieser irreführenden Urteilsformel nur über Rente für eine bei Erlaß des Urteils bereits verstrichene Zeitspanne befunden. Dies ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, denen zufolge das SG die Voraussetzung einer der bisher verrichteten knappschaftlichen Tätigkeit wirtschaftlich nicht gleichwertigen Beschäftigung nur in bezug auf den zeitlich begrenzten Einsatz des Klägers als Hilfsarbeiter bejaht und im übrigen von einem Urteilsspruch ausdrücklich abgesehen hat. Die Angriffe der Beklagten richten sich auch nicht etwa gegen die - zeitlich uneingeschränkt wirkende - gesonderte Feststellung, die Beklagte habe die in Frankreich von dem Kläger zurückgelegten Versicherungszeiten für die Erfüllung der Wartezeit anzurechnen. Es kann dahinstehen, ob der auf diese Zeiten bezogene, die Feststellung eines Rechtsverhältnisses (§ 55 Abs 1 Nr 1, § 55 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) nicht ausdrücklich nennende Ausspruch im angefochtenen Urteil mehr beinhaltet als eine bloße Begründung für die Entscheidung über den Leistungsanspruch. Denn die Beklagte nimmt die aus dem Urteil des EuGH vom 12. Oktober 1978 folgende Pflicht zur Berücksichtigung derjenigen Zeiten, die der Kläger als französischer Staatsbürger zurückgelegt hat, zum Ausgangspunkt ihres Revisionsvorbringens und streitet lediglich um die Art und Weise der Berechnung der Wartezeit. Betreffen aber die nach Erlaß eines erstinstanzlichen Urteils zwischen den Beteiligten verbliebenen Meinungsverschiedenheiten einen Anspruch auf Rente für bereits abgelaufene Zeiträume, so wäre die Berufung nach der Regelung in den §§ 143, 146 SGG an sich ausgeschlossen. Obwohl das SG dieses Rechtsmittel auch nicht gemäß § 150 Nr 1 SGG zugelassen hat, ist die Sprungrevision der Beklagten gemäß § 161 SGG statthaft. Der erkennende Senat hat dies im Urteil vom 31. März 1981 - 5b/5 RJ 26/79 - für einen Fall, in dem die Sprungrevision - ohne ausdrückliche Berufungszulassung - im Urteil zugelassen worden ist, im Anschluß an die im Ergebnis übereinstimmende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (vgl SozR 1500 § 161 Nrn 11, 15; aaO § 150 Nrn 9, 13) im wesentlichen damit begründet, daß das SG mit der Zulassung der Sprungrevision zwangsläufig die Voraussetzungen des § 150 Nr 1 SGG für die Zulassung der Berufung bejaht. Das muß entsprechend auch für den Fall gelten, daß - wie hier - über die Zulassung der Sprungrevision auf Antrag durch Beschluß entschieden worden ist.

Die demgemäß statthafte Revision ist auch im übrigen zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß die Revisionsschrift der Beklagten erst am 5. März 1979 - mithin später als einen Monat nach der am 29. Januar 1979 bewirkten Zustellung des Beschlusses vom 24. Januar 1979 über die Zulassung der Sprungrevision (§ 164 Abs 1 Satz 1 SGG) - beim BSG eingegangen ist. Der Senat braucht dabei der von der Beklagten aufgeworfenen Frage nicht weiter nachzugehen, ob eine den Fristbeginn gemäß § 9 Abs 2 iVm Abs 1 Verwaltungszustellungsgesetz hindernde Verletzung von Zustellungsvorschriften darin liegt, daß dieser Beschluß nicht der den Antrag auf Revisionszulassung anbringenden Hauptverwaltung der Beklagten, sondern der das Klageverfahren auf der Beklagtenseite bis dahin wahrnehmenden Verwaltungsstelle Saarbrücken zugestellt worden ist. Denn jedenfalls kommt der Beklagten die Fristverlängerung zugute, die § 66 Abs 2 SGG iVm Abs 1 der Vorschrift deshalb einräumt, weil die Beteiligten über die im Regelfall einzuhaltende Rechtsmittelfrist nicht in einer dem Gesetz entsprechenden Weise belehrt worden sind. Der Beschluß vom 24. Januar 1979 enthält keinerlei Hinweis auf den bei der Einlegung der Sprungrevision einzuschlagenden Weg. Ebensowenig ist der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung eine zutreffende Unterrichtung hierüber und insbesondere über die für die Einlegung einer zulässigen Revision gesetzte Frist zu entnehmen. Die dort erteilte Belehrung, die Revision sei innerhalb einer Zeitspanne von einem Monat nach Urteilszustellung durch Einreichung einer Revisionsschrift einzulegen, gibt die Rechtslage nur für solche Fälle richtig wieder, in denen die Zulassungsentscheidung bereits im Urteil ausgesprochen wurde. Dies ist hier jedoch nicht geschehen. Es kann dahinstehen, ob die Zulassung der Sprungrevision nur wirksam ist, wenn sie in gebotener Weise im Urteilstenor erfolgt oder ob die Mitteilung an anderer Stelle im Urteil ausreicht (vgl zu dieser Streitfrage BSG SozR 1500 § 161 Nr 16 mwN). Denn hier lassen weder die Entscheidungsformel noch die Urteilsgründe erkennen, daß die Kammer bei der Beratung des Urteils die Zulassung der Revision erwogen und beschlossen hat. Der in der Rechtsmittelbelehrung enthaltene bloße Hinweis auf Anfechtungsmöglichkeiten genügt diesen Anforderungen nicht (vgl BSG aaO). Schließlich zeugt auch die nachträgliche Beschlußfassung über die Revisionszulassung davon, daß sich das SG lediglich bei der Wahl der vorgedruckten Rechtsmittelbelehrung vergriffen und die Revision nicht bereits im Zusammenhang mit dem angegriffenen Urteil zugelassen hat.

Eine die Rechtslage zutreffend widerspiegelnde Unterrichtung über den Rechtsmittelweg der Sprungrevision ist aber nicht nur bei der Zulassung im Urteil erforderlich (vgl BSG SozR 1500 § 66 Nr 7), sondern in gleicher Weise auch dann, wenn die Zulassung nachträglich durch Beschluß erfolgt. Da eine derartige Belehrung hier fehlt, bestimmt sich die Revisionsfrist nach § 66 Abs 2 SGG mit der Folge, daß die Revision nicht wegen des Ablaufs der Rechtsmittelfrist ausgeschlossen ist. Der Antrag der Beklagten, ihr gegen die Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren, ist demnach gegenstandslos.

Die Revision ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht für die Dauer der Beschäftigung des Klägers als Hilfsarbeiter die Voraussetzungen des § 45 Abs 1 Nr 2 RKG bejaht und ihm für diesen Zeitraum die Bergmannsrente zugesprochen.

Das Verfahren über die Sprungrevision erlaubt keine Angriffe auf die Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil, weil dieses Rechtsmittel die Rüge von Verfahrensmängeln nicht eröffnet (§ 161 Abs 4 SGG); an die tatsächlichen Feststellungen ist das Revisionsgericht daher gebunden (§ 163 SGG). Der Senat hat deshalb bei seiner Prüfung davon auszugehen, daß der Kläger, der im April 1974 das 50. Lebensjahr vollendet hatte, durch seinen Einsatz als Hilfsarbeiter gegenüber der zuvor langjährig verrichteten Tätigkeit als Grubenlokfahrer eine Lohneinbuße von mehr als 7,5 vH erlitten hat. Nach der Rechtsprechung des Senats berechtigt dies zu dem Schluß, die ausgeübte Tätigkeit sei der früher verrichteten knappschaftlichen Arbeit nicht wirtschaftlich gleichwertig (vgl BSG SozR 2600 § 45 Nrn 18, 26, 28). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auch die Wartezeit von 300 Kalendermonaten ständiger Arbeiten unter Tage (§ 45 Abs 1 Nr 2 iVm § 49 Abs 2 RKG) erfüllt. Daß der Kläger bis zum Beginn der zugesprochenen Bergmannsrente insgesamt mehr als 300 Monate - davon 155 Monate im französischen Steinkohlenbergbau - unter Tage gearbeitet hat, zählt gleichfalls zu den für den Senat verbindlichen Tatsachenfeststellungen des erstinstanzlichen Urteils. Auf die Wartezeit ist die Summe aller dieser Zeiten anzurechnen.

Die Beklagte bestreitet nicht ihre Pflicht zur Berücksichtigung der von dem Kläger in der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung zurückgelegten Versicherungszeiten als Wartezeit. Insoweit handelt es sich nicht um eine Frage der Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Die deutschen Rechtsvorschriften bewerten diese Zeiten ohne Rücksicht auf eine bestimmte Staatsangehörigkeit als wirksam verbrachte Wartezeit.

Nach dem in diesem Rechtsstreit ergangenen Urteil des EuGH (SozR 6050 Art 2 Nr 4), dem im Verhältnis zum BSG gemäß Art 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) vom 25. März 1957 die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des Vertrages und über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft zukommt, hindert ferner der spätere Wechsel der Staatsbürgerschaft des Klägers nicht die Berücksichtigung der in Frankreich noch als dortiger Staatsangehöriger zurückgelegten Zeiten der Beschäftigung im Bergbau. Diese Versicherungszeiten fallen in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts, da die in Art 2 Abs 1 der VO 1408/71 aufgestellten persönlichen Geltungsvoraussetzungen während der Dauer der Beschäftigung vorgelegen haben. Dem steht, wie der EuGH im Hinblick auf die Übergangsvorschrift in Art 94 Abs 2 der VO 1408/71 ausgesprochen hat, auch nicht entgegen, daß die betreffenden Zeiten vor dem Inkrafttreten der VO liegen. Deshalb richtet sich hier - wovon auch die Beklagte ausgeht - die rechtliche Wirkung der von dem Kläger in Frankreich in einem bergmännischen Sondersystem zurückgelegten Zeiten nach Art 40 Abs 1 iVm Art 45 Abs 1 und 2 der VO 1408/71. Diese Versicherungszeiten sind mithin von der Beklagten so zu berücksichtigen, als handele es sich um Zeiten, die nach den für sie (die Beklagte) geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind. Der erkennende Senat hat diese Wendung im Sinne einer Gleichstellung der fremdstaatlichen mit den nach innerstaatlichem Recht zurückgelegten Zeiten gedeutet (SozR 6050 Art 45 Nr 2 S 8). Für den konkreten Fall folgt hieraus, daß die Beklagte sämtliche von dem Kläger mit einer Beschäftigung unter Tage zugebrachten Zeiten so zu behandeln hat, als unterfielen sie den deutschen Rechtsvorschriften. Die Zeiten sind deshalb insgesamt auf die Wartezeit anzurechnen. Für die gegenteilige Auffassung der Beklagten findet sich im Recht keine Stütze. Wollte man ihrer Ansicht folgend für die Zusammenrechnung fordern, daß die bereits allein nach innerstaatlichem Recht anrechnungspflichtigen Zeiten zusätzlichen Voraussetzungen des Gemeinschaftsrechts genügen, liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, in Umkehrung der Regel des Art 45 Abs 1 der VO 1408/71 diese Versicherungszeiten den fremdstaatlichen Zeiten gleichzubehandeln. Außerdem verkennt die Beklagte mit ihrer Gedankenführung, daß die von ihr zugestandene Anrechnung der vom Kläger als französischer Staatsbürger zurückgelegten Zeiten den noch nicht durch Versicherungszeiten abgedeckten Teil der vorausgesetzten Wartezeit reduziert. Beim Verlust der französischen Staatsangehörigkeit hing daher der Anspruchserwerb - soweit es die Erfüllung der Wartezeit betrifft - nur noch von der Zurücklegung einer entsprechend verminderten weiteren Versicherungszeit ab, die nach den Feststellungen des SG durch die nachfolgende knappschaftliche Tätigkeit erreicht ist. Das folgt aus der Funktion der langen Wartezeit, die neben der Altersgrenze von 50 Jahren die tatsächliche Grundlage für die zur Rentengewährung nach § 45 Abs 1 Nr 2 RKG führende Vermutung verminderter bergmännischer Einsatzfähigkeit darstellt. Dafür ist es ohne Belang, ob Teile der langjährigen Tätigkeit unter Tage in einem nichtdeutschen bergmännischen Versicherungssystem zugebracht worden sind.

Schließlich verbietet es die mit dem Gemeinschaftsrecht auch erstrebte Gleichbehandlung von Versicherten, die Rechtspositionen nach dessen Bestimmungen erworben haben, gegenüber Versicherten mit Ansprüchen allein nach deutschem Recht und die sich daraus ergebende Beseitigung einer Schlechterstellung der Wanderarbeitnehmer (vgl dazu das Urteil des erkennenden Senats in BSGE 43, 105, 106), fremdstaatliche Versicherungszeiten anders zu werten als entsprechende Zeiten nach deutschem Recht. Dies führt zur geschlossenen Berücksichtigung sämtlicher knappschaftlichen Versicherungszeiten des Klägers bei der Berechnung der Wartezeit entsprechend dem in der Rechtsprechung des BSG (BSGE 34, 90, 93; SozR 2200 § 1250 Nr 11) anerkannten Grundsatz, daß auch ohne ausdrücklichen Hinweis im Gesetz die Zusammenrechnung mehrerer, nacheinander in verschiedenen Versicherungssystemen zurückgelegter Zeiten schon allein aus ihrer Anrechenbarkeit folgt.

Der Senat hat die danach unbegründete Revision der Beklagten zurückgewiesen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).

Es besteht entgegen der Anregung der Beklagten auch kein Anlaß, erneut den EuGH anzurufen. Die Auslegung und Anwendung des hier bedeutsamen zwischenstaatlichen Rechts ist nach dem Urteil des EuGH vom 12. Oktober 1978 aaO nicht mehr zweifelhaft*

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1658664

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