Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 12.05.1999; Aktenzeichen L 5 KA 4550/98)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Mai 1999 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat der Beklagten deren außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der als Chirurg zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger wendet sich gegen die Kürzung seines Honorars in den Quartalen I/1996 bis II/1997 als Folge der Abstaffelung der Honorierung von Leistungen der konventionellen Radiologie.

In der Zeit vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juni 1997 enthielt der Einheitliche Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) im Abschnitt Q I. 2.1. (Skelettröntgen) folgende Abstaffelungsregelung: „Kurativ-ambulante Röntgenuntersuchungen des Abschnitts Q I. 2.1. unterliegen für die Arztgruppen Chirurgen und Orthopäden einer fallzahlenbezogenen Abstaffelung. Die abstaffelungsfreie Gesamtpunktzahl ergibt sich aus dem Produkt der arztgruppenbezogenen Fallpunktzahl und der Zahl der kurativ-ambulanten Fälle. Das darüber hinausgehende Punktzahlvolumen wird um 50 % reduziert.” Die arztgruppenbezogenen Fallpunktzahlen wurden für die Chirurgen auf 180 und für die Orthopäden auf 280 Punkte festgesetzt. In Anwendung dieser Regelung reduzierte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) im Quartal I/1996 die Honorarforderung des Klägers für Leistungen nach den Nrn 5010 bis 5034 Bewertungsmaßstab für die ärztlichen Leistungen (BMÄ)/Ersatzkassen-Gebührenordnung (EG-O) um ca 85.000 Punkte. Im Quartal II/1996 belief sich die Kürzung auf ca 65.000 Punkte, im Quartal III/1996 auf ca 74.000 Punkte, im Quartal I/1997 auf ca 9.000 Punkte und im Quartal II/1997 auf ca 52.000 Punkte.

Im Widerspruchsverfahren hatte der Kläger keinen Erfolg. Die Beklagte verwies darauf, die Abstaffelungsregelungen für die in Abschnitt Q I. 2.1. EBM-Ä aufgeführten Röntgenleistungen sei an die Regelungen in Abschnitt O I EBM-Ä (Leistungen des Basislabors) angelehnt, die das Bundessozialgericht (BSG) für rechtmäßig erklärt habe.

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat seine Entscheidung damit begründet, der Bewertungsausschuß sei nach § 87 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Steuerung des Leistungsverhaltens der Ärzte berechtigt und dürfe Rationalisierungs- und Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen. Das gestatte auch die Schaffung von Abstaffelungsregelungen, ohne daß insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Zulassung erforderlich sei. Die vom Kläger gerügte Ungleichbehandlung der Chirurgen und Orthopäden in Relation zu anderen Arztgruppen liege nicht vor. Die Röntgenleistungen des Abschnitts Q I. 2.1. EBM-Ä würden überwiegend von Chirurgen, Orthopäden und Radiologen erbracht. Die Radiologen seien jedoch ausschließlich auf Überweisung von Ärzten anderer Gebietsgruppen tätig und hätten deshalb keine Möglichkeit zur Steuerung ihres Leistungsverhaltens im Rahmen der Röntgendiagnostik. Die Chirurgen seien schließlich durch die höhere Fallpunktzahl der Orthopäden nicht gleichheitswidrig benachteiligt. Der Bewertungsausschuß habe sich insoweit an dem Leistungsverhalten beider Arztgruppen in der Vergangenheit (Abrechnungsergebnisse der Quartale I/1995 bis IV/1995) orientiert (Urteil vom 12. Mai 1999).

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG. Er hält für grundsätzlich bedeutsam, „ob Budgetierungsregelungen generell im Rahmen des EBM-Ä vor Inkrafttreten der Neufassung des SGB V am 1. Juli 1997 festgesetzt werden durften”.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) gestützte Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Der Rechtsfrage, ob der Bewertungsausschuß für Leistungen der konventionellen Radiologie nach Abschnitt Q I. 2.1. EBM-Ä eine Begrenzung der abrechnungsfähigen Punktzahlen iVm einer Reduzierung des Punktzahlvolumens für solche Leistungen, die über den maßgeblichen praxisindividuellen Grenzwert hinaus abgerechnet werden, einführen durfte, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Sie ist nicht mehr klärungsbedürftig.

Der Senat hat mit Urteil vom 20. März 1996 entschieden, daß es im Hinblick auf die Steuerungsfunktion des EBM-Ä als bundesweit für alle Kassenarten verbindlicher Vergütungsgrundlage zulässig ist, über ergänzende Bewertungsformen wie Komplexgebühren, Gebührenpauschalen, Abstaffelungsregelungen und ähnliche mengen- oder fallzahlenbegrenzende Maßnahmen ua die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung zu fördern (BSGE 78, 98, 106 = SozR 3 – 2500 § 87 Nr 12 S 41). Im übrigen hat die fallzahlenbezogene Abstaffelung im Abschnitt Q I. 2.1. EBM-Ä nur für die sechs Quartale vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Januar 1997 gegolten. Im Zuge der Neugestaltung des EBM-Ä zum 1. Juli 1997 – insbesondere durch die Einführung von Praxisbudgets – ist diese besondere Bewertungsform hinsichtlich der Leistungen der konventionellen Radiologie aufgegeben worden. Auch die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften haben sich zum 1. Juli 1997 geändert. Durch das 2. Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-Neuordnungsgesetz – 2. GKV-NOG) vom 23. Juni 1997 (BGBl I S 1520) ist § 87 Abs 2a SGB V um Satz 7 ergänzt worden. Diese Vorschrift bestimmt, daß die Bewertung der von einem Vertragsarzt in einem bestimmten Zeitraum erbrachten Leistungen so festgelegt werden kann, daß sie mit Zunehmen der Menge sinkt (Abstaffelung). Damit hat der Gesetzgeber explizit die Grundsätze des Senatsurteils vom 20. März 1996 betr das Praxisbudget für Laborleistungen (BSGE 78, 98 = SozR 3 2500 § 87 Nr 12) aufgegriffen und speziell „für die von der Selbstverwaltung bereits beschlossenen Maßnahmen auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zu den sog Praxisbudgets für Laborleistungen eine tragfähige Rechtsgrundlage geschaffen”, wie im Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. formuliert worden ist (BT-Drucks 13/6887 S 28). Im Hinblick auf die beschriebene Rechtsentwicklung und die vorliegende Rechtsprechung des Senats ist die Rechtsfrage, ob eine nur für sechs Quartale geltende und inzwischen seit über zwei Jahren außer Kraft getretene Regelung im EBM-Ä mit der inzwischen ebenfalls geänderten Vorschrift des § 87 Abs 2a SGB V aF vereinbar war, ist nicht mehr klärungsbedürftig. Auslegung und Anwendung von Vorschriften, die bereits außer Kraft getreten sind, haben in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 2. Aufl 1997, Abschnitt IX, RdNr 61). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt in Betracht, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des außer Kraft getretenen Rechts zu entscheiden ist oder wenn eine Rechtsfrage aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (BSG SozR 1500 § 1600 Nr 19). Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt. Der pauschalen Behauptung des Klägers in der Beschwerdebegründung, wonach „eine noch erhebliche Zahl von Fällen unter gleichgelagerten Voraussetzungen zu entscheiden ist”, ist die Beklagte in der Beschwerdeerwiderung entgegengetreten. Die Anwendung der Abstaffelungsregelung in Abschnitt Q I. 2.1. EBM-Ä aF hat sich in einer Verminderung des vertragsärztlichen Honorars der betroffenen Ärzte in den Quartalen vom 1. Januar 1996 bis zum 30. Juli 1997 erschöpft. Auswirkungen auf die Berechnung der Praxisbudgets ua des Klägers ab dem Quartal III/1997 hat das LSG nicht festgestellt und sind auch nicht erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175739

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