Leitsatz (amtlich)

1. Die in Arzthaftpflichtprozessen mögliche Beweislastumkehr hat im Impfschadensrecht auch deshalb keine Bedeutung, weil sie sich auf die haftungsbegründende Kausalität bezieht, wohingegen bei ungeklärtem ursächlichen Zusammenhang zwischen Impfung und Gesundheitsstörung die haftungsausfüllende Kausalität betroffen ist (Ergänzung zu BSG 1981-08-19 9 RVi 5/80 = SozR 3850 § 52 Nr 1).

2. Der Rechtsbegriff der Wahrscheinlichkeit im Impfschadensrecht ist nicht klärungsbedürftig; er richtet sich nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen.

 

Normenkette

BVG § 1 Abs. 3 S. 1; BSeuchG § 52 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 19.05.1983; Aktenzeichen L 9 Vi 4/79)

SG Braunschweig (Entscheidung vom 30.03.1979; Aktenzeichen S 3 Vi 97/73)

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht zulässig; mit ihr wird keine der Voraussetzungen, die nach § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für die Zulassung der Revision aufgeführt sind, in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form bezeichnet.

Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) darin, daß die "Beweislastumkehr" im Impfschadensrecht jedenfalls dann geboten sei, wenn der streitige ursächliche Zusammenhang trotz erschöpfender Sachaufklärung nicht wahrscheinlich, aber auch nicht unwahrscheinlich sei. Diese Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, da sie vom Revisionsgericht - wie übrigens vom Kläger selbst vorgetragen - bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13). Nach den Urteilen des erkennenden Senats vom 28. Oktober 1980 (Breithaupt 1981, 803f) und vom 19. August 1981 (BSG SozR 3850 § 52 Nr 1) kehrt sich die Beweislast bei der Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Gesundheitsstörung (= haftungsausfüllende Kausalität) nicht um. Vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs genügend, aber auch erforderlich. Läßt sich unter diesen erleichterten Bedingungen der Wahrscheinlichkeit ein anspruchsbegründender Umstand nicht ermitteln, geht dies zu Lasten desjenigen, der daraus eine ihm günstige Rechtsfolge geltend macht (ständige Rechtsprechung des BSG ua BSGE 30, 121, 123 = SozR Nr 83 zu § 128 SGG; SGb 1976, 490). Demgegenüber beziehen sich die vom Reichsgericht und Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze über die Beweislastumkehr bei Arzthaftpflichtprozessen auf die haftungsbegründende Kausalität. Da der Kläger gleichwohl eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage geltend macht, obliegt es ihm darzulegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und mit welcher Begründung der Rechtsprechung widersprochen bzw die Beantwortung der Rechtsfrage umstritten ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13; 1500 § 160 Nr 17). Dies ist nicht geschehen. Der Kläger bezieht sich lediglich auf die Ausführungen von Walter Bogs, mit denen sich der Senat bereits in seinem Urteil vom 19. August 1981 (aaO) auseinandergesetzt hat.

Ebensowenig ist der Rechtsbegriff der Wahrscheinlichkeit im Impfschadensrecht klärungsbedürftig. Wie der erkennende Senat in den oben zitierten Entscheidungen entschieden hat, ist das Impfschadensrecht allen Rechtsgrundsätzen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) unterstellt worden, soweit nicht Besonderheiten ausdrücklich angeordnet worden sind. Das Impfschadensrecht ist dem sozialen Entschädigungsrecht im Sinne der §§ 5 und 24 Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil) - SGB 1 - eingegliedert. Dieses soziale Entschädigungsrecht richtet sich nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen (Art II § 1 Nr 11 Buchst d SGB 1). Infolgedessen ist die gleichlautende Rechtsnorm über die Anforderung, die an den Gewißheitsgrad für den ursächlichen Zusammenhang gestellt wird, hier nicht anders als im Recht der Kriegsopferversorgung auszulegen. Der erkennende Senat hat auch in den genannten Entscheidungen ausgeführt, daß die besondere Ausgestaltung des Sozialstaatspostulats im Sozialgesetzbuch die Beweisanforderungen auch im Impfschadensrecht unangetastet läßt. Die dem einzelnen zustehenden sozialen Rechte begründen Ansprüche nur insoweit, als sie im besonderen Teil des Sozialgesetzbuches normiert sind (§ 2 Abs 1 Satz 2 SGB 1). Als ein solcher im genannten Sinne besonderer Teil rechnet das BVG, auch soweit § 51 des Bundesseuchengesetzes die entsprechende Anwendung der Leistungsvorschriften des BVG vorsieht (Art II § 1 Nr 11 Buchst d SGB 1).

Bei der ebenfalls als Grund für die Zulassung der Revision geltend gemachte Abweichung des angefochtenen Urteils von den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Februar 1980 - 5 RKnU 4/79 -, vom 19. August 1981 - 9 RVi 5/80 -, vom 22. September 1977 - 10 RV 15/77 - sowie BSGE 19, 52 und 24, 25, fehlt es an der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen "Bezeichnung". Zur Zulässigkeit der Divergenzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) gehört die Darlegung, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegt; der Beschwerdeführer muß dartun, mit welcher konkreten rechtlichen Aussage das Landessozialgericht (LSG) von einer bestimmten Aussage der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 21 und Nr 29). Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf die drei erstgenannten Urteile des BSG darauf verweist, daß die einzige konkrete Möglichkeit aber auch wahrscheinlich sei, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, welche konkrete Rechtsfrage das LSG anders entschieden haben soll. Daß andererseits bei der gegebenen Fallgestaltung der Kläger sich in einem Beweisnotstand befunden habe, erörtert er nicht im einzelnen. Auch ist ein Abweichen von einer konkreten Rechtsfrage nicht dargelegt. Abgesehen davon befaßt sich die Entscheidung BSGE 19, 52, 56 mit der Beweiswürdigung bei ungeklärter Todesursache und gerade nicht mit dem ursächlichen Zusammenhang, um den es hier ausschließlich geht. Die Entscheidung BSG 24, 25 nimmt zu der Frage der Feststellungslast und Beweiswürdigung bei schuldhaft vereitelter Sachverhaltsaufklärung Stellung, hat also ebensowenig den ursächlichen Zusammenhang zum Inhalt. Inwieweit dennoch eine Abweichung gegeben sein soll, ist dem Beschwerdevorbringen des Klägers nicht zu entnehmen.

Mit der Rüge, das Berufungsgericht hätte den Beweisanträgen stattgeben müssen, macht der Kläger eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) geltend. Indes fehlen Angaben darüber, um welche Anträge es sich im einzelnen handelt und wann diese gestellt worden sind. Sie sind mithin für das Revisionsgericht nicht ohne weiteres auffindbar. Infolgedessen fehlt es an einer hinreichenden Kennzeichnung derselben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5).

Die Beschwerde des Klägers enthält in seinem wesentlichen Teil den Vorwurf, das LSG habe das Recht der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) verletzt. Diese Rüge ist als Zulassungsgrund schlechthin ausgenommen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Das gilt auch insoweit, als der Kläger sich gegen die materielle Richtigkeit des Berufungsurteils wendet. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht die Prüfung, ob das Berufungsgericht richtig entschieden hat. Vielmehr kann auf die Beschwerde lediglich geprüft werden, ob eine der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgezählten Zulassungsgründe geltend gemacht ist und auch vorliegt (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7, 9).

Nach alldem ist das Rechtsmittel zu verwerfen (§ 169 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1655725

Breith. 1984, 605

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