Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlen von Entscheidungsgründen

 

Orientierungssatz

Entscheidungsgründe "fehlen" nur dann, wenn diejenigen Erwägungen nicht mitgeteilt worden sind, auf denen die Entscheidung über einen für den Urteilsausspruch rechtserheblichen Streitpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruhen.

 

Normenkette

SGG § 136 Abs 1 Nr 6

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 18.05.1988; Aktenzeichen L 13 An 29/88)

 

Gründe

Nach § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) darf das Bundessozialgericht (BSG) die Revision gegen das Urteil eines Landessozialgerichts (LSG) ua nur zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder

- ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene

Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann ua nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die - behauptete - Unrichtigkeit des Urteils des LSG ist dagegen kein Revisionszulassungsgrund. Gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß in der Beschwerdebegründung ua die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Genügt die Beschwerdebegründung diesen Anforderungen nicht, ist die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat die Klägerin nicht "dargelegt". Dafür hätte sie die Rechtsfrage, die sie für grundsätzlich bedeutsam hält, klar bezeichnen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 11), die über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung der angestrebten Entscheidung aufzeigen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 39, 7; § 160 Nr 60), die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage darstellen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 59; § 160 Nr 17) und schließlich den nach ihrer Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und dabei insbesondere den Schritt aufzeigen müssen, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 39; § 160a Nrn 31, 54). Diesen - verfassungsrechtlich unbedenklichen (Bundesverfassungsgericht - BVerfG SozR 1500 § 160a Nrn 44, 45, 48) - Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Dem Vorbringen der Klägerin kann entnommen werden, daß sie die Frage für grundsätzlich bedeutsam hält, nach welchen Kriterien die Unterhaltsbedürftigkeit einer geschiedenen Ehefrau iS der §§ 58 Abs 1, 59 Abs 1 des Ehegesetzes (EheG) zu prüfen ist. Es fehlen jedoch Ausführungen dazu, weshalb diese Frage trotz der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 56 mwN) noch klärungsbedürftig und weshalb sie im vorliegenden Streitfalle klärungsfähig ist.

Einen Mangel des berufungsgerichtlichen Verfahrens, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, hat die Klägerin nicht "bezeichnet". Dazu hätte sie Tatsachen anführen müssen, aus denen sich ein Fehler des LSG auf dem Weg der Entscheidungsfindung und weiterhin ergibt, daß das angefochtene Urteil auf ihm beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 31; § 160a Nrn 14, 36). Soweit sie vorträgt, das LSG habe seine Pflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 103 Satz 1 Halbs 1 SGG) verletzt, verkennt sie, daß nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel auf einen Verstoß gegen § 103 SGG nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen vom LSG ohne hinreichende Begründung abgelehnten Beweisantrag bezieht. Daher ist erforderlich, daß in der Beschwerdebegründung der Beweisantrag so genau bezeichnet wird, daß er für das BSG ohne weiteres auffindbar ist (vgl BSGE 40, 40 = SozR 2200 § 1259 Nr 7; BSG SozR 1500 § 160a Nr 10). Einen Beweisantrag hat die Klägerin aber nicht bezeichnet.

Ihrem Vorbringen, das Berufungsgericht habe ihren auf die Zeugenaussage ihrer Schwester im Vorprozeß gestützten Vortrag, der Versicherte habe ihr regelmäßig Geld- und Sachzuwendungen gemacht, überhaupt nicht gewürdigt, kann die Rüge entnommen werden, das LSG habe ihren Anspruch auf Gewährung von rechtlichem Gehör (§ 62 SGG) verletzt. Dieser (vermeintliche) Verfahrensmangel ist aber dann nicht hinreichend bezeichnet, wenn nicht dargelegt wird, inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Dazu ist nichts vorgetragen worden. Soweit dem Vorbringen der Klägerin entnommen werden kann, das LSG habe den Streitgegenstand verkannt, weil es ihren Vortrag nicht vollständig unter die anspruchsbegründende Norm, nämlich nicht unter die Regelung 3 des § 42 Abs 1 Satz 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) subsumiert habe, hätte sie ihrer Darlegungslast nur dann genügt, wenn sie den Verfahrensgang unter Auslegung der den Streitgegenstand bestimmenden (Verwaltungs-)Entscheidungen und Erklärungen lückenlos geschildert hätte (BSG SozR 1500 § 160a Nr 62). Das ist jedoch nicht geschehen.

Schließlich rügt die Klägerin das Fehlen von Entscheidungsgründen (§ 136 Abs 1 Nr 6 SGG), weil das LSG zur Frage ihrer Unterhaltsbedürftigkeit nur ausgeführt habe, eine "Bedürftigkeit der Klägerin ... sei damit im Sinne der hierzu ergangenen Rechtsprechung ausgeschlossen". Da Entscheidungsgründe jedoch nur dann "fehlen", wenn diejenigen Erwägungen nicht mitgeteilt worden sind, auf denen die Entscheidung über einen für den Urteilsausspruch rechtserheblichen Streitpunkt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruhen (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 15. November 1988 - 4/11a RA 20/87, zur Veröffentlichung vorgesehen), war in der Beschwerdebegründung darzulegen, daß die Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin ein - nach der hier maßgeblichen Rechtsauffassung des LSG - entscheidungserheblicher Streitpunkt war, ferner, daß das LSG die für seine Entscheidung in dieser Frage maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen nicht mindestens zusammengefaßt mitgeteilt hat. Abgesehen davon, daß die Beschwerdebegründung nicht aufzeigt, in welchem Sinne die Frage der Unterhaltsbedürftigkeit auf der Grundlage der Rechtsansicht des LSG entscheidungserheblich war, folgt schon aus den Angaben der Klägerin, aber auch aus dem letzten Absatz der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Blatt 6 des LSG-Urteils), daß das LSG die von ihm für maßgeblich erachteten Gründe mitgeteilt hat.

Mit dem Vorbringen, das LSG habe § 42 Abs 1 Satz 1 AVG unvollständig und unrichtig angewandt, wird hingegen eine Verletzung des materiellen Rechts gerügt, welcher der Senat nur nähertreten dürfte, wenn die Revision bereits zugelassen und in zulässiger Weise eingelegt worden wäre.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 160a Abs 4 Satz 3 Halbs 1 SGG ab.

Die Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1666203

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