Nachgehend

BVerfG (Urteil vom 28.04.1999; Aktenzeichen 1 BvL 11/94, 1 BvL 33/95, 1 BvR 1560/97)

 

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wird folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:

Ist § 7 Abs 1 Satz 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫, verkündet als Art 3 des Renten-Überleitungsgesetzes ≪RÜG≫ vom 25. Juli 1991 ≪BGBl I S 1606≫, in Kraft getreten am 1. August 1991, geändert durch Gesetz zur Änderung des RÜG vom 18. Dezember 1991 ≪BGBl I S 2207≫ und durch Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung vom 24. Juni 1993 ≪BGBl I S 1038≫), insoweit mit Art 3 Abs 1 und Art 20 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar, als das während der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) maßgebende Arbeitsentgelt höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 6 zum AAÜG, also ausschließlich bis zu sieben Zehnteln des Durchschnittsentgelts Ost für die Berechnung der Rentenhöhe berücksichtigt wird?

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob die beklagte Bundesrepublik Deutschland für die Klägerin im Blick auf die von der beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) rentenversicherungsrechtlich anzurechnenden Pflichtbeitragszeiten iS von § 5 Abs 1 AAÜG für jedes Kalenderjahr als Verdienst iS von § 256a Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) das wirklich erzielte Bruttoarbeitsentgelt, hilfsweise ein um 30 vH vermindertes Bruttoarbeitsentgelt, bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze iS von § 6 Abs 1 iVm Anlage 3 AAÜG oder aber jeweils das nach § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG auf das 0,7-fache des Durchschnittsentgelts Ost begrenzte Arbeitsentgelt verbindlich feststellen mußte.

Die im Oktober 1933 geborene Klägerin war vom 1. November 1973 bis zum 31. Oktober 1989 als Berufssoldatin in der Diensteinheit HA Kader und Schulung beim MfS zuletzt mit dem Dienstgrad eines Hauptmanns beschäftigt. Während dieses Zeitraums wurde sie nach der zum 1. März 1953 eingeführten – amtlich nicht veröffentlichten – Versorgungsordnung des MfS (später: Amtes für Nationale Sicherheit ≪MfS/AfNS≫, zuletzt: Ordnung Nr 7/87) versorgt. Im letzten Jahr ihrer Berufstätigkeit (November 1988 bis Oktober 1989) betrug ihr Jahresgehalt 23.040,00 M (DDR), ihr durchschnittliches Monatsgehalt also 1.920,00 M (DDR). Am 20. Dezember 1988 wurde die Klägerin dienstunfähig. Auf ihren Antrag vom 23. Mai 1989 gewährte ihr das MfS durch Bescheid vom 5. Oktober 1989 eine Invalidenrente ab dem 1. November 1989 in Höhe von 75 vH der durchschnittlichen monatlichen Vergütung im letzten Jahr ihrer Berufstätigkeit, also von monatlich 1.440,00 M (DDR). Dieser Betrag wurde mit Wirkung zum 1. Juli 1990 nach § 2 des Gesetzes über die Aufhebung der Versorgungsordnung des MfS/AfNS (StaSiVersAufhG) der DDR vom 29. Juni 1990 (GBl I Nr 38 vom 4. Juli 1990 S 501) um 50 vH des 495,00 M übersteigenden Betrages auf 968,00 M, mit Bescheid vom 31. Juli 1991 nach § 10 Abs 2 Nr 1 des AAÜG zum 1. August 1991 auf 802,00 DM gekürzt. Der gegen letztgenannte Kürzung am 26. August 1991 eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. November 1991). Seither werden ihr 802,00 DM monatlich gezahlt.

Die Beklagte stellte als bislang für die Klägerin zuständige Versorgungsträgerin mit dem streitigen Bescheid vom 25. Januar 1993, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 16. März 1993, als von der Klägerin im Sonderversorgungssystem des MfS zurückgelegte Zeiten den Zeitraum vom 1. November 1973 bis zum 31. Oktober 1989, die währenddessen tatsächlich bezogenen Entgelte sowie die für diese Zeiten nach § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG zu berücksichtigenden Entgelte fest, also jeweils das 0,7-fache des Durchschnittsentgelts der Arbeitnehmer im Beitrittsgebiet gemäß der Anlage 5 des AAÜG.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die Klage durch Urteil vom 18. März 1994 abgewiesen und ausgeführt: Der Bescheid entspreche den Vorgaben des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG. Verfassungsrecht, insbesondere Art 14 Abs 1 GG, sei nicht verletzt. Diese Vorschrift erfasse lediglich Ansprüche, die der Bundesgesetzgeber als für die Bundesrepublik Deutschland rechtsverbindlich erklärt habe. Eine derart geschützte Position sei für die Klägerin indes weder durch den Einigungsvertrag (EV) noch durch ein anderes Bundesgesetz geschaffen worden. Auch Art 3 Abs 1 GG werde nicht verletzt. Die Ungleichbehandlung der Angehörigen des MfS gegenüber den Angehörigen anderer Zusatz- und Sonderversorgungssysteme sei durch die Art ihrer Tätigkeit aufgrund der besonderen Aufgabenstellung des MfS gerechtfertigt. Auch die gleiche Behandlung aller MfS-Angehörigen untereinander halte sich noch im Rahmen der dem Gesetzgeber zustehenden Typisierungsbefugnis. Diejenigen Mitarbeiter des MfS, die nicht unmittelbar Repressionen oder Konspirationen gegen andere Mitbürger verübten, hätten den Apparat des MfS unterstützt und dafür letztlich auch besonders hohe Entgelte erhalten. Aus dem Sozialstaatsprinzip lasse sich aufgrund der Weite und Unbestimmtheit des Prinzips regelmäßig kein Gebot herleiten, soziale Leistungen in einem bestimmten Umfang zu gewähren. Die Mindestvoraussetzungen, ein menschenwürdiges Dasein zu gewährleisten, seien im wesentlichen bereits aufgrund der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) garantiert. Daneben könne aus dem Sozialstaatsprinzip kein Anspruch erwachsen. Schließlich verletze die Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Entgeltes auch den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht. Der Bürger könne sich nicht auf dieses Prinzip berufen, wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung eine Berücksichtigung durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen könne. Die gebotene Abwägung ergebe im vorliegenden Fall die Vorrangigkeit des öffentlichen Interesses am Abbau überhöhter Leistungen. Zudem enthalte bereits § 5 Abs 1 des StaSiVersAufhG einen Kürzungsvorbehalt. Der kurze Zeit später in Kraft getretene EV habe zudem eine andere Form der Überführung und Kürzungsmöglichkeit vorgesehen. Spätestens seit Inkrafttreten des EV sei ein etwaiges Vertrauen der Klägerin nicht mehr schutzwürdig.

Die Klägerin rügt mit ihrer – vom SG zugelassenen (Sprung-)Revision –, die sie mit Zustimmung der Beklagten eingelegt hat, eine Verletzung der Art 3 Abs 1, 14 Abs 1 GG und des Verhältnismäßigkeitsprinzips.

Das SG Berlin habe verkannt, daß auf eigenen Leistungen beruhende rentenversicherungsrechtliche Ansprüche und Anwartschaften, die privatnützig ausgestaltet gewesen seien und dazu hätten dienen sollen, auch im Alter ein eigenverantwortetes Leben führen zu können, dem Grundrechtsschutz des Art 14 Abs 1 Satz 1 GG unterfielen. Der gesamtstaatliche Gesetzgeber sei hieran gebunden und habe bei modifizierenden Eingriffen in erworbene Ansprüche und Anwartschaften verfassungsrechtliche Schranken zu beachten, nämlich insbesondere die Unkündbarkeit des Systems und der Systemzugehörigkeit. Des weiteren müßten Eingriffe den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips entsprechen.

Der EV habe allen Bürgern der DDR zugesichert, ihre in der DDR erworbenen Versorgungsansprüche und Anwartschaften unter Berücksichtigung der Beitragszahlung nach den allgemeinen Regelungen des gesamtstaatlichen Sozialversicherungsrechts in dieses zu überführen. Die Weitergewährung der am 1. Juli 1990 zustehenden Zahlbeträge aus Versorgungsansprüchen wegen Alters, verminderter Erwerbsfähigkeit oder Todes sei ausdrücklich garantiert worden. Die Zusicherung habe ausschließlich unter dem allgemeinen und deshalb auch verfassungsrechtlich unbedenklichen Vorbehalt gestanden, ungerechtfertigte Leistungen zu beseitigen und überhöhte zu kürzen. Die Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR habe nur in Fortführung des in der DDR bestehenden Generationenvertrages vereinbart werden können. Die Zusicherung der gesamtstaatlichen Gewährung eines sozialversicherungsrechtlichen Leistungsäquivalents für die in der DDR erworbenen versorgungs- und rentenrechtlichen Ansprüche und Anwartschaften sei verfassungsrechtlich geboten gewesen. Der Grundsatz der politisch-moralischen Neutralität des Sozialrechts schließe eine Minderung des sozialversicherungsrechtlichen Leistungsäquivalents unter dem Gesichtspunkt des Wertes oder Unwertes einer Tätigkeit oder des in einer Tätigkeit erzielten Arbeitsentgeltes aus. Der gesamtstaatliche Gesetzgeber müsse mindestens das sozialversicherungsrechtliche Leistungsäquivalent zu den in der DDR maßgeblichen sozialversicherungsrechtlichen Leistungen ausgestalten. Dabei sei sein Spielraum für die Nichtberücksichtigung von Arbeitsverdiensten auf den Bereich vom 1,14-fachen des jeweiligen Durchschnittsverdienstes Ost bis zum 1,45-fachen (seit 1971) beschränkt. Der DDR-Gesetzgeber sei durch das Verfassungsgrundsätze-Gesetz und den die Sozialunion konstituierenden Staatsvertrag an den nur durch das sozialversicherungsrechtliche Leistungsäquivalent begrenzten Eigentumsschutz gebunden gewesen. Die DDR habe daher im EV nichts vereinbaren dürfen, was auf eine Minderung des Grundrechtsschutzes hinausgelaufen wäre. Die im Vertrag enthaltene Ermächtigung zum Eingriff in individuelle Versorgungsleistungen besage nicht, daß aufgrund individueller Schuld in das sozialversicherungsrechtliche Leistungsäquivalent eingegriffen werden dürfe. Sie besage auch nicht, daß der Gesamtstaat den Bürgern der beigetretenen DDR ausschließlich zu Leistungen in dem vertraglich vereinbarten Umfang verpflichtet sei. Er enthalte vielmehr konkretisierte Ansprüche und lasse den allgemeinen Grundrechtsstatus der DDR-Bürger als ungeschriebene Vertragsgrundlage grundsätzlich unberührt. Der EV verpflichte den Gesamtstaat allerdings nicht, alle Ansprüche und Anwartschaften der Renten- oder Versorgungsberechtigten in gleicher Weise wirksam werden zu lassen. Unter Beachtung des Gleichheitssatzes könnten Leistungen, die über das Maß des sozialversicherungsrechtlichen Leistungsäquivalents hinaus gewährt worden seien, gekürzt werden. Als möglicher sachlicher Differenzierungsgrund kämen Systemnähe und Systemnützlichkeit in Frage. Zwar müßten sich die Angehörigen des MfS eine mißbilligte Systemnähe vorhalten lassen, die Behörde sei jedoch kein monolitischer Block gewesen. Auch in ihrem Rahmen seien Tätigkeiten ausgeübt worden, die politisch zu mißbilligen kein Anlaß bestehe. Dem einzelnen hätte daher die Möglichkeit eröffnet werden müssen, in einem ordentlichen Verfahren darzulegen, daß die für eine Begrenzung der zu überführenden Ansprüche und Anwartschaften maßgeblichen Gründe in seiner Person nicht vorliegen. Das Fehlen einer solchen Vorschrift verletze das Willkürverbot. Unter dem Gesichtspunkt der Entlastung öffentlicher Haushalte stelle § 7 Abs 1 AAÜG ein taugliches Mittel dar. Er verstoße jedoch gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit des Eingriffs und sei unzumutbar. Ferner hat die Klägerin einen Vorlagebeschluß des SG Gotha (S 5/An-537/93) nach Art 100 Abs 1 GG vom 28. April 1995 vorgelegt; auf Bl 192 bis 259 der BSG-Akte wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte unter Aufhebung des Urteils vom 18. März 1994 – S 5 An 1679/93 – und des Bescheides der Beklagten vom 26. Januar 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 1993 zu verurteilen, für die Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS als Verdienst (§ 256a Abs 2 SGB VI) nach § 6 Abs 1 AAÜG das von der Klägerin tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt bis zu den in Anlage 3 AAÜG genannten Beträgen zugrunde zu legen,
  2. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, für den unter 1) genannten Zeitraum das um 30 vH geminderte tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt der Klägerin gemäß § 6 Abs 1 iVm Anlage 3 AAÜG zugrunde zu legen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.

Die Beigeladene beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Art 14 Abs 1 GG werde durch § 7 Abs 1 AAÜG nicht verletzt. Es fehle an einem Eingriff in zugunsten der Klägerin begründete Ansprüche. Die in § 7 AAÜG vorgenommene Bewertung stelle die erste Ausgestaltung rentenrechtlicher Anwartschaften von Sonderversorgungsberechtigten des ehemaligen MfS dar. Die vom 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Beschluß vom 30. April 1994 (4 RA 33/92) angestellten Erwägungen zur Zahlbetragsbegrenzung nach § 10 Abs 2 Nr 1 AAÜG könnten auf § 7 AAÜG nicht übertragen werden. Anders als § 7 AAÜG enthalte § 10 AAÜG Ermächtigungen für Eingriffe in bereits zuvor begründete Rechtspositionen. § 7 AAÜG regele die Bewertung bestimmter rentenrechtlicher Zeiten im Rahmen des SGB VI. Das Ziel der Revision, eine 0,7 Entgeltpunkte übersteigende rentenrechtliche Bewertung von Beitragszeiten aus dem Sonderversorgungssystem des MfS zu erreichen, könne nicht auf der Grundlage des als Abwehr- und Freiheitsrecht konzipierten Art 14 Abs 1 GG erreicht werden. Die von der Klägerin gerügte Verletzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips setze voraus, daß ein spezielles Grundrecht betroffen sei. Da § 7 AAÜG keinen Eingriff in verfassungsrechtlich gewährte Rechtspositionen beinhalte, sei hierfür kein Raum. Auch Art 3 Abs 1 GG sei nicht verletzt. Die Forderung nach Einzelfallgerechtigkeit verkenne, daß diese allenfalls im Rahmen eines Verfahrens nach Art 100 Abs 1 GG geltend gemacht werden könne. Die Klägerin habe indes nicht dargelegt, daß Kürzungsgründe in ihrer Person nicht vorliegen. Das BSG sei daher schon aus § 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG) daran gehindert, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen. Eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG setze eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung voraus. Die beamtenrechtliche Nachversicherungspflicht stelle kein geeignetes Vergleichsobjekt dar. Bedienstete des MfS seien zu keiner Zeit Beamte iS des Beamtengesetzes gewesen. Im übrigen habe sich die DDR ausdrücklich und konsequent von der Institution des Berufsbeamtentums abgewandt.

Das BSG hat folgende Stellungnahmen eingeholt:

  1. Die Deutsche Bundesbank hat unter dem 15. Mai 1995 ua mitgeteilt, ausgehend von der Finanzierungsstruktur des Sozialversicherungssystems der DDR seien keine wesentlichen Vermögenswerte in diesem System zu erwarten. Die für die Auszahlung der Renten benötigten Mittel seien unmittelbar aus dem Staatshaushalt zur Verfügung gestellt worden, dem auch die über die Finanzämter eingezogenen Beiträge zugeflossen seien. Überschüsse seien nicht angefallen, ein Kapitalstock nicht gebildet worden. Wie auch immer der Vermögensstand der früheren DDR zu bewerten sei, hätten ihm enorme öffentliche Belastungen gegenübergestanden. Hinsichtlich des Geldwertes lasse sich wirtschaftlich realitätsnah auch unter Berücksichtigung von statistischen Kaufkraftvergleichen nur eine breite Spannweite von Wertansätzen nennen, deren obere Grenze bei dem Verhältnis von 1:2 liegen dürfte und deren Untergrenze bis zu Sätzen von 1:8 und weniger reiche; die DDR-Mark sei eine reine Binnenwährung gewesen. Ein genereller Umstellungskurs von DM zur DDR-Mark im Verhältnis von 1:2 habe für die DDR-Bürger real eine Aufwertung bedeutet. Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten in den neuen Ländern habe in den Jahren von 1991 bis 1994 – ungeachtet der Bundeszuschüsse in Höhe von knapp 34 Milliarden DM – zusammengefaßt mit einem Defizit von rund 25 Milliarden DM abgeschlossen; in dieser Größenordnung sei auf Beitragseinnahmen aus dem alten Bundesgebiet zurückgegriffen worden. Die Rentenzusagen der früheren DDR seien im Grunde genommen ebenso wie die Zusagen an Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigte wirtschaftlich letztlich nicht gedeckt gewesen. Die veralteten Produktionsanlagen, die augenfällige Umweltzerstörung sowie die geringe Arbeitsproduktivität in der DDR sprächen dafür, daß die Wirtschafts- und Sozialpolitik insgesamt zu Lasten der Kapitalbildung gegangen sei. Auch die Rentenzusagen seien insofern nicht wirtschaftlich gesichert gewesen. Die Arbeitsverdienste seien entsprechend der letztlich vom Zentralkomitee der SED festgelegten volkswirtschaftlichen Bedeutung der Wirtschaftszweige und nach Betriebsklassen differenziert worden. Die Lohnabstufung sei so gesehen politisch motiviert gewesen. Diese Gestaltung der Arbeitseinkommen habe nach Expertenansicht dazu geführt, daß sich zwischen den Produktionsarbeitern einerseits und Meistern, Hoch- und Fachschulkadern sowie technisch-ökonomischen Fachkräften andererseits beim Nettolohn Verhältnisse herausgebildet hätten, die einer leistungsgerechten Bezahlung widersprochen hätten. Auch sei der Verdienst der Frauen sogar bei gleichen Lohn-und Gehaltsgruppen entgegen den wiederholten amtlichen Verlautbarungen niedriger als bei Männern gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Auskunft der Deutschen Bundesbank vom 15. Mai 1995 und der von ihr übersandten Unterlagen wird auf Bl 109 bis 144 der BSG-Akte Bezug genommen.
  2. Die beigeladene BfA, die noch keinen Neuberechnungsbescheid nach § 307b SGB VI erteilt hat, hat am 26. Mai 1995 folgendes mitgeteilt: Die Höchstwerte der Anlage 6 zum AAÜG seien Verdienste, wie sie in der ehemaligen DDR erzielt werden konnten, die je Kalenderjahr 0,7 Entgeltpunkten entsprächen. Den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 12/829) sei nicht zu entnehmen, welchen Rechengang der Gesetzgeber gewählt habe. Bei der Rentenberechnung gebe es keine Relation zwischen der Beitragsbemessungsgrenze und den Werten der Anlage 6. Die Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 1 zum SGB VI) sei die Grundlage, aus der sich durch Umrechnung mit den Werten der Anlage 10 zum SGB VI die Werte der Anlage 3 zum AAÜG ergäben. Die Relation zwischen den Werten der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3 des AAÜG) und den Höchstarbeitsverdiensten für ehemalige MfS-Angehörige nach der Anlage 6 des AAÜG seien schwankend, weil die jährliche Beitragsbemessungsgrenze unterschiedlich angestiegen sei; deswegen bedeuteten 0,7 Entgeltpunkte zB für das Jahr 1950 30,73 vH der Beitragsbemessungsgrenze, für das Jahr 1974 aber 47,55 vH der Beitragsbemessungsgrenze und für das Jahr 1989 nur 38,31 vH der Beitragsbemessungsgrenze. Für ehemalige MfS-Angehörige fänden die Vorschriften über Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt (§ 262 SGB VI) gemäß § 7 Abs 1 Satz 3 AAÜG keine Anwendung. Es könne nicht beantwortet werden, wieviele MfS-sonderversorgungsberechtigte Rentner oder Anwartschaftsinhaber von der Begrenzung nach § 7 AAÜG betroffen seien, wieviele von einer Begrenzung auf den Durchschnittsverdienst (Anlage 5 des AAÜG) oder auf das 1,4-fache des Durchschnittsverdiensts (Anlage 4 des AAÜG) oder auf die Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3 des AAÜG) betroffen würden; auch Schätzungen seien nicht möglich.
  3. Der Senat hat den Beteiligten den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom März 1995, 17 bis 27 (Zur Finanzentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung seit Beginn der 90er Jahre) zugeleitet; auf Bl 155 bis 165 der BSG-Akte wird Bezug genommen.
  4. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) hat auch für den Bundesminister der Finanzen, für den Bundesminister des Innern und für den Bundesminister der Verteidigung einschließlich deren Geschäftsbereiche die Anfrage des Senats vom 24. April 1995 unter dem 7. Juni 1995 ua wie folgt beantwortet: Die Finanzierung sämtlicher Renten der ehemaligen DDR sei direkt aus dem Staatshaushalt erfolgt; zum Zeitpunkt des Beitritts sei die ehemalige DDR bankrott gewesen und habe ihre finanziellen Verpflichtungen bereits seit einiger Zeit nicht mehr erfüllen können. Deshalb sei es mit der Sozialunion (Staatsvertrag) zu einer aus Bundesmitteln bereitgestellten Anschubfinanzierung an die Rentenversicherung der DDR von 750 Millionen DM und zu einem Betriebsmitteldarlehen von rund 2,4 Milliarden DM gekommen. Die Funktionsnachfolger für die Sonderversorgungssysteme der Anlage 2 des AAÜG hätten weder bewegliches, noch unbewegliches Vermögen, noch Geld übernommen, das für die Leistungen entsprechend den jeweiligen Versorgungsordnungen bestimmt gewesen wäre. Die Aufwendungen für die Leistungen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen seien von 1 Milliarde Mark (DDR) im ersten Halbjahr 1990 auf 3,757 Milliarden DM im Jahr 1995 (Haushaltsansatz) erhöht worden. Zu den Fragen des Senats nach den Sachkriterien für die Festsetzung der Arbeitsentgelte in der früheren DDR, nach den Merkmalen für überhöhte oder aufgrund politischer Begünstigung ungerechtfertigte Arbeitsentgelte für Tätigkeiten, die von den Versorgungssystemen erfaßt werden, ferner, in welchem Ausmaß nicht typisch systemtragend Beschäftigte von der Begrenzung erfaßt würden und in welchem Umfang überhöhte Entgelte an fachlich nicht hinreichend qualifizierte Personen gezahlt worden seien, sei der Bundesregierung eine Antwort nicht möglich, da ihr empirisch gestützte Daten nicht vorlägen. Dies gelte für die Einkommens- und ggf Privilegierungssituation der Angehörigen der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme bzw für die Frage der Qualifikation derjenigen, die eine der in § 6 Abs 3 AAÜG genannten Funktionen ausgeübt hätten. Solches Material sei bisher nicht benötigt worden. Mit der Begrenzungsregelung werde verhindert, daß Personen, die bei typisierender Betrachtung durch ihre Tätigkeit im Vergleich zur Tätigkeit anderer Personengruppen einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der ehemaligen DDR geleistet hätten, für diese Zeiten überdurchschnittlich hohe Rentenleistungen erhielten. Es gehe also darum, Entgeltpositionen zu Zeiten der ehemaligen DDR nicht unbesehen zu übernehmen, sondern im Rahmen der Alterssicherung neu zu begründende Ansprüche und Anwartschaften an Gesichtspunkten der sozialen Gerechtigkeit zu orientieren. Im Wesen einer Typisierung liege, daß nicht die Tätigkeit des einzelnen beurteilt werde, ob gerade sie diese Wirkung gehabt habe und ob dies vom Ausübenden gewollt gewesen sei; es werde darauf abgestellt, ob Tätigkeiten dieser Art regelmäßig diese Wirkung hätten. Da es sich bei den Rentenleistungen aufgrund der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem des MfS um steuerfinanzierte Leistungen handele, habe es der Gesetzgeber nicht als sachgerecht angesehen, diese zB wie Zeiten der Kindererziehung zu bewerten. Er habe es vielmehr für sachgerecht und ausreichend gehalten, diese Zeiten mit dem 0,7-fachen des Durchschnittsentgelts zu bewerten.

    Wegen des weiteren Inhalts der Auskunft des BMA vom 7. Juni 1995 und der von ihm übersandten Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage des Abgeordneten Dr. Wolfgang Ullmann und der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks 12/6918) vom 19. Oktober 1994 wird auf Bl 172 bis 175, 176 bis 190 der Akte des BSG Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II

Gemäß Art 100 Abs 1 GG war das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG iVm Anlage 6 des AAÜG mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist:

1. Die kraft Zulassung durch das SG statthafte Revision ist zulässig. Die Klägerin, die durch das Urteil des SG formell beschwert ist, hat sie mit Zustimmung der Beklagten form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet.

Die in zulässiger objektiver Klagenhäufung kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen sind zulässig. Mit ihnen begehrt die Klägerin für jedes Kalenderjahr vom 1. November 1973 bis zum 31. Oktober 1989 die Aufhebung der Feststellungen von nach § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG begrenzten Arbeitsentgelten und ferner die Verpflichtung der Beklagten, jeweils jährlich die tatsächlichen Arbeitsentgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3 des AAÜG) als rentenversicherungsrechtlich zugrundezulegende Verdienste (§ 256a Abs 2 SGB VI) festzustellen. Die Klagen sind statthaft, weil sie auf die Aufhebung von Verwaltungsakten bzw auf die Verpflichtung zum Erlaß inhaltlich bestimmter Verwaltungsakte gerichtet sind. Die Klägerin hat sie form-und fristgerecht erhoben; das Widerspruchsverfahren ist erfolglos durchgeführt worden. Die Klägerin ist klagebefugt iS von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG. Sie ist nämlich möglicherweise in ihrem Recht auf – zutreffende – Feststellung der ihren Pflichtbeitragszeiten (§ 5 Abs 1 AAÜG) zugrundezulegenden Verdienste verletzt. Die von Bescheiden nach § 8 Abs 3 AAÜG Betroffenen haben einen Rechtsanspruch auf tatsächlich richtige und rechtmäßige Feststellung der erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen sowie der Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 und 7 AAÜG ergeben. In den §§ 6 bis 8 aaO ist nämlich in einem besonderen Verwaltungsverfahren geregelt, daß die Versorgungsträger (§ 8 Abs 4 AAÜG), die für die spätere Berechnung von Sozialleistungen aus der Rentenversicherung maßgeblichen Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen und Daten in eigener Kompetenz abschließend, verbindlich und ohne Ermessensspielraum nach dem gesetzlichen Berechnungsmodus mit bindender Wirkung für den Rentenversicherungsträger feststellen, der bei der späteren Rentenberechnung diese Vorgaben nicht überprüfen und nicht korrigieren darf. Für gebundene Entscheidungen über Sozialleistungen besteht ein Rechtsanspruch des Bürgers auf die Leistung, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (§ 38 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫); dies gilt ebenso für abschließende Vorabentscheidungen über Anspruchselemente, die ein (in der Regel rentenversicherungsfremder) Versorgungsträger mit Bindungswirkung für den Rentenversicherungsträger trifft. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. Die Klägerin kann auf eine Anfechtung später ergehender Rentenbescheide nicht verwiesen werden, weil der Rentenversicherungsträger bindende (§ 77 SGG) Vorabentscheidungen des Versorgungsträgers bei der Rentengewährung ungeprüft übernehmen muß, die Richtigkeit des „Entgeltbescheides” des Versorgungsträgers nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG also in jenem Verfahren nicht überprüft werden kann.

2. Die Klagen sind unbegründet, falls § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG verfassungsgemäß ist. Das SG hat unter dieser Voraussetzung richtig und mit zutreffender Begründung erkannt, daß die beklagte Bundesrepublik Deutschland als zuständige Versorgungsträgerin aufgrund eines gesetzmäßigen Verwaltungsverfahrens richtige Feststellungen getroffen hat. Darüber streiten die Beteiligten im übrigen auch nicht. Deswegen ist die Revision der Klägerin hinsichtlich der streitigen Verwaltungsentscheidungen zurückzuweisen, falls § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG anwendbar und gültig ist. Gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG, der – wie die übrigen hier einschlägigen Vorschriften – von den Änderungen des AAÜG durch das Zweite SED-Unrechtbereinigungsgesetz vom 23. Juni 1994 (BGBl I S 1311) nicht berührt worden ist, wird das während der Zugehörigkeit zu dem Versorgungssystem des MfS bis zum 30. Juni 1990 maßgebende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen (vgl § 6 Abs 5 AAÜG) höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 6 aaO zugrunde gelegt. Dort ist als „Jahreshöchstverdienst nach § 7 AAÜG” für jedes Kalenderjahr von 1950 bis einschließlich 30. Juni 1990 jeweils das 0,7-fache des Durchschnittsentgelts ausgewiesen, welches die Arbeiter und Angestellten im Beitrittsgebiet in jenen Jahren erzielt haben, also das 0,7-fache der Werte der Anlage 5 des AAÜG. Nach § 7 Abs 1 Satz 3 aaO sind die Vorschriften des SGB VI über Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt nicht anzuwenden.

3. Die Vorschrift ist – ihre Gültigkeit, dh ihre Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht, weiterhin unterstellt – anwendbar; es gibt keine vom BSG anzuwendende Rechtsnorm, die § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG für den vorliegenden Fall oder für Streitfälle der vorliegenden Art verdrängt oder in irgendeiner Weise dessen Anwendung hintanhält. Der Senat hält an seinen in der Grundentscheidung vom 27. Januar 1993 (BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; dazu BVerfG, Beschluß der 2. Kammer des 1. Senats vom 7. Juli 1993, 1 BvR 620/93; „Zahlbetragsbegrenzung auf 2.010,00 DM”) zusammengefaßten tragenden Grundsätze seiner Rechtsprechung fest, die er in einer Vielzahl von Urteilen und Beschlüssen zu verschiedenen Bereichen des Rentenüberleitungsrechts entfaltet hat (Urteil vom 30. September 1993, 4 RA 1/93: „Übergangszeit vom 3. Oktober 1990 bis 31. Dezember 1991”; Urteil vom 25. Januar 1994, SozR 3-1300 § 44 Nr 8: „Keine Einstandspflicht für DDR-Rentenansprüche vor dem 1. Juli 1990”; Beschluß vom 30. März 1994, SGb 1995, 37 ff: „Zahlbetragsbegrenzung MfS”; Urteil vom 30. März 1994, 4 RA 62/93, AuA 1994, 224, 256: „Systementscheidung und Rechtmäßigkeit der Ersten und Zweiten Rentenanpassungsverordnung”; Urteil vom 10. Mai 1994, BSGE 74, 184 ff = SozR 3-8570 § 11 Nr 1: „Dienstbeschädigungsteilrente I”; Beschluß vom 24. August 1994, SozR 3-8570 § 17 Nr 1: „Berufsbezogene Zuwendung an Ballettänzer”; Urteil vom 31. August 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 2: „Kürzung der Übergangsrente”; Urteil vom 31. August 1994, SozR 3-8570 § 12 Nr 1: „Krankenversicherung von Sonderversorgungsrentnern”; Urteil vom 31. August 1994, 4 RA 56/93: „Fortsetzung zu Dienstbeschädigungsteilrente I”; Urteil vom 29. September 1994, SozR 3-8570 § 11 Nr 3: „Dienstbeschädigungsteilrente II”; Urteil vom 15. Dezember 1994, 4 RA 64/94, zur Veröffentlichung vorgesehen: „Unanwendbarkeit von § 26 Abs 1 Rentenangleichungsgesetz ≪RAnglG≫”; Urteil vom 14. Juni 1995, 4 RA 41/94, zur Veröffentlichung vorgesehen: „Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der Ersten und Zweiten Rentenanpassungsverordnung”; Teilurteile und Vorlagebeschlüsse vom 14. Juni 1995, 4 RA 28/94 und 4 RA 4/94, beide betreffend § 10 Abs 1 AAÜG nF, sowie 4 RA 98/94 und 4 RA 1/95, beide betreffend § 6 Abs 2 AAÜG; jeweils mit Parallel- und Folgeentscheidungen). Zusammengefaßt hat der Senat in den vorgenannten Entscheidungen folgendes zugrunde gelegt:

a) Das BSG darf als Rechtsprechungsorgan der Bundesrepublik Deutschland seinen Entscheidungen nur Rechtsnormen maßstäblich zugrunde legen, deren Anwendung das GG oder ein gültiges Bundesgesetz ihm vorgeschrieben hat. Schon deswegen darf es Rechtsnormen, die von der früheren DDR oder ihren Untergliederungen erlassen worden sind (originäres DDR-Recht), nur und nur soweit beachten, wie dies bundesrechtlich angeordnet ist. Soweit nach Art 9 Abs 2 und Abs 4 EV iVm Anlage II Kapitel VIII, dort insbesondere in den Sachgebieten F bis I (Sozialversicherung, Allgemeine Vorschriften, Krankenversicherung, Rentenversicherung, Unfallversicherung) die Weitergeltung bzw weitere Anwendung von originärem DDR-Recht angeordnet worden ist, gilt dies als (sekundäres) Bundesrecht nur weiter oder ist als solches nur anzuwenden, soweit der EV die Geltung oder Anwendung von originärem Bundesrecht (vor allem in der Anlage I) hintangehalten, im anwendbaren originären Bundesrecht keine spezielle oder abschließende Regelung getroffen und insoweit (lükenfüllend) die Maßgeblichkeit von DDR-Recht für eine Übergangszeit angeordnet hat, soweit es jeweils mit dem EV, dem GG und dem unmittelbar anwendbaren Europäischen Recht vereinbar ist.

Hinsichtlich der in der DDR gewährten Ansprüche aus Sozialpflichtversicherung und freiwilliger Zusatzrentenversicherung (FZR) einerseits, Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen andererseits hat Art 30 Abs 5 EV (verfassungsgemäß) in begrenzter Abkehr von Art 20 des durch die zwischenzeitliche Entwicklung zum Teil geschichtlich überholten Staatsvertrages eine unterschiedliche Behandlung der Sozialpflicht- und der FZR-Versicherungsansprüche gegenüber den Zusatz- und Sonderversorgungsansprüchen bei der Überführung in eine Rente nach dem SGB VI vorgeschrieben. Im EV Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr 9 Buchst a bis f (EV Nr 9) ist die bis zum 31. Dezember 1991 dauernde vorübergehende Weiterführung der Versorgungssysteme, die bis zur Überführung der einzelnen Ansprüche zeitlich begrenzte Weiteranwendung leistungsrechtlicher Regelungen, soweit nicht in Buchst e aaO ausgeschlossen, angeordnet und das neue Überführungsprogramm des EV iS einer Ermächtigungsnorm für den Verordnungsgeber festgeschrieben worden. Der von der demokratisierten Volkskammer der DDR im RAnglG vom 28. Juni 1990 (GBl I Nr 38 S 495, ber S 1457) gemäß dem Staatsvertrag konzipierte Zwischenschritt eines neuen DDR-Rentenversicherungsrechts, das im wesentlichen den Strukturvorgaben des SGB VI entsprechen sollte, wurde wegen der raschen geschichtlichen Entwicklung fallengelassen.

Der Senat geht weiterhin davon aus, daß EV Nr 9 eine abschließende Spezialermächtigung für den Verordnungsgeber zur Regelung von Art und Umfang der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen enthält, die als originäres Bundesrecht auch jedes übergangsrechtlich „als Bundesrecht” in Kauf genommene originäre DDR-Recht insoweit verdrängt, als dieses mit den Vorgaben im EV Nr 9 nicht vereinbar ist; dies betrifft zB die §§ 24, 25 und 26 Abs 1 (hier im Blick auf Witwen und Witwer) RAnglG. Insbesondere hat EV Nr 9 den Verordnungsgeber ermächtigt, nähere Maßgaben ua dazu zu bestimmen, wie Ansprüche aus einem Versorgungssystem wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod, nach Art, Grund und Umfang den allgemeinen, mit dem EV vereinbaren Sozialpflichtversicherungs- und FZR-Versicherungsansprüchen im Beitrittsgebiet anzupassen sind, und ihn dabei verpflichtet, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen, überhöhte Leistungen abzubauen und eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen zu vermeiden; diese Ermächtigung wurde durch die sog „Zahlbetragsgarantie” (EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5; und nur insoweit „inhaltsbestimmend” iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 Regelung 1 GG) begrenzt. Der Bundesgesetzgeber selbst hat durch das AAÜG ab 1. August 1991 die Verordnungsermächtigung im EV Nr 9 Buchst f zukunftsgerichtet weithin gegenstandslos gemacht und ua in § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG seine Vorstellungen über die Konkretisierung des Überführungsprogramms des EV Nr 9 zur Geltung gebracht. Als späteres und spezielleres Bundesgesetz verdrängt die Regelung somit EV Nr 9 Buchst b Satz 3 Nr 1.

b) Dem steht Art 19 Satz 1 EV nicht entgegen. Danach bleiben Verwaltungsakte der DDR, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangen sind, wirksam. Hiermit ist durch den EV nicht etwa garantiert, die von der DDR geschaffenen Versicherungs- und Versorgungssysteme und die von der DDR oder auf ihre Rechnung von den Systemen gewährten Ansprüche blieben als solche unverändert für die Zeit nach der Wiedervereinigung bestehen, wären dadurch eigentumsgeschützt und dürften nur in den Schranken des Art 14 Abs 1 GG neu gestaltet werden. Einen solchen Regelungsinhalt hat Art 19 EV nicht. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, mit dem Ausdruck „Verwaltungsakte” der DDR könnte etwas anderes gemeint sein, als sonst im gesamten Bundesrecht damit verbunden wird. Art 19 EV regelt – wie gerade auch Satz 2 und Satz 3 „Vor-schriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten”) klarstellen – nur die Frage der Wirksamkeit und Aufhebbarkeit von Verwaltungsakten, also von hoheitlichen Maßnahmen von Behörden der DDR oder ihrer Untergliederungen, die zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des (nach Bundesrecht beurteilt) öffentlichen Rechts getroffen und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet waren; falls sie mit dem 3. Oktober 1990 nicht nichtig wurden, sollten diese Verfügungssätze auch nach der bundesrechtlichen Ordnung wirksam bleiben, bis sie befugterweise aufgehoben wurden. Deshalb ist hier nicht darauf einzugehen, daß Art 19 EV kein inhaltsbestimmendes Gesetz iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 Regelung 1 GG ist. Auch aus keiner anderen anwendbaren Vorschrift des EV ergibt sich die von der Klägerin behauptete „Unkündbarkeit des Systems und der Systemzugehörigkeit”. § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG ist also im Verhältnis auch zu Art 19 EV späteres Bundesgesetz.

c) Einen Anwendungsvorrang zugunsten des EV und innerhalb dessen einen Vorrang von originärem DDR-Recht vor originärem Bundesrecht gibt es nicht. Zwar handelt es sich um einen der Form nach völkerrechtlichen Vertrag; solche Verträge gelten aber innerstaatlich nur im Range des Vertragsgesetzes, also hier im Range eines Bundesgesetzes. Der EV ist ferner kein Staatenfusionsvertrag, kein „Verfassungsgesetz” eines durch den Beitritt angeblich entstandenen „Gesamtstaates”. Es handelt sich vielmehr um eine Regelung der Modalitäten des Vollzugs des von der demokratisierten DDR angestrebten, in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland (Art 23 GG aF) vorgesehenen „Beitritts anderer Teile Deutschlands”, über die letztverbindlich nur die dazu berufenen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland befinden konnten. Die „Zwei-Staaten-Propaganda” des SED-Regimes iS eines endgültigen Zerbrechens des früher „Deutsches Reich” genannten Rechtssubjektes (sog effektive Dismembration) darf nicht nach Erfüllung des verfassungsrechtlichen Wiedervereinigungsgebots als grundgesetzwidriges Vorverständnis der Auslegung des EV zugrunde gelegt werden. Art 1 Abs 1 Satz 1 und Art 44 EV betonen gerade, daß es sich um einen Beitritt „gemäß Art 23 GG” gehandelt hat und die DDR mit dem Wirksamwerden des Beitritts nicht Mitglied der Bundesrepublik Deutschland geworden, sondern in derselben logischen Sekunde untergegangen ist; nur die dort genannten Länder sind mit dem Wirksamwerden des von der DDR lediglich erklärten Beitritts dieser anderen Teile Deutschlands Länder der Bundesrepublik Deutschland geworden; nur sie sind zur Geltendmachung ihrer Rechte aus dem EV sowie derjenigen befugt, die dort anfänglich zugunsten der DDR normiert waren. Der EV bekräftigt somit die rechtliche Diskontinuität zwischen der erloschenen DDR und der Bundesrepublik Deutschland. Daraus erhellt zugleich, daß die Bundesrepublik Deutschland nicht Gesamtrechtsnachfolger der DDR geworden ist; vielmehr hat sie gerade im EV und in seinen Anlagen bereichsspezifische Regelungen getroffen, ob und ggf in welchem Umfang sie, ihre Länder oder Untergliederungen in Rechte und Pflichten eingetreten sind, die in der DDR oder durch diese begründet worden sind. Deshalb beruht jedes Fortgelten von Rechten und Pflichten, die nach DDR-Recht entstanden sind, seit dem 3. Oktober 1990 allein auf Bundesrecht, nämlich im wesentlichen auf den Regelungen im EV; im übrigen ist das gesamte Recht der früheren DDR erloschen. Dies gilt auch für Rechte und Pflichten, die originär von der demokratisierten Volkskammer der DDR anerkannt bzw begründet worden sind, soweit der EV sie nach den og Maßgaben nicht in Geltung erhalten hat.

d) Ein für den Bundesgesetzgeber (nicht: „gesamtstaatlicher Gesetzgeber”) verbindliches Verbot, vom EV abweichende Regelungen zu treffen (Abweichungsverbot) – wie es für manche völkerrechtlichen Verträge, die im Range eines Gesetzes gelten, wegen der inhaltlichen Qualität der in ihnen getroffenen Regelungen erörtert wird – ergibt sich aus dem EV nicht; daher kann hierauf ein Anwendungsvorrang von Regelungen des EV vor § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG nicht gestützt werden. Der EV, der – wie ausgeführt – kein Staatenfusionsvertrag und keine „gesamtstaatliche Verfassung” ist, begründet auch keine „vertraglichen Individualrechte” für deutsche Staatsbürger, die zugleich Bürger der DDR sein mußten, gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Einhaltung bestimmter Regelungen des EV; Art 44 EV regelt abschließend, wer „subjektive Rechte” aus dem EV herleiten und geltend machen kann. Im EV sind auch keine „Beitrittsbedingungen” der früheren DDR oder einzelner ihrer Bürger festgeschrieben. Zwar stand es nach Art 23 Satz 2 GG aF „anderen Teilen Deutschlands” frei, der Bundesrepublik Deutschland beizutreten; diese durfte sich jedoch – wie der Regierung der DDR bekannt gemacht war – zu keinem Zeitpunkt in ihrer Entscheidung darüber, ob der Beitritt wirksam werden sollte, von dem Willen der beitrittswilligen Teile Deutschlands rechtlich abhängig machen. Schon deswegen dürfen die Regelungen des EV nicht so ausgelegt werden, als wären dort Bedingungen formuliert, von deren Erfüllung die Wirksamkeit des Beitritts in irgendeiner Weise abhängig sein sollte. Daß der an das GG gebundene Bundesgesetzgeber nur unter Einhaltung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben von den im EV getroffenen Regelungen abweichen darf, hat nichts damit zu tun, daß sich aus dem EV selbst ein Abweichungsverbot für den Bundesgesetzgeber mit Anwendungsvorrang des EV vor § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG für die übrigen Staatsorgane des Bundes nicht ergibt. Dies ist nicht zu vertiefen, weil der Bundesgesetzgeber von dem im EV Nr 9 damals dem Verordnungsgeber vorgegebenen Überführungskonzept nicht in dem Sinne abgewichen ist, daß er spezifisch gegen EV-rechtliche Regelungen verstoßen hätte. Der nach Überzeugung des Senats vorliegende Verfassungsverstoß betrifft nicht die vermeintliche „Anwendungshierarchie” zwischen EV und § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG, sondern allein die an Art 3 Abs 1 GG gemessene Art und Weise der Durchführung der Vorgaben des EV.

e) Aus dem vorgenannten Grund ist der Senat der Anwendung des § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG auch nicht im Blick auf § 30 Abs 2 SGB I enthoben. Nach dieser Vorschrift bleiben die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts von der Geltung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs unberührt, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt (§ 37 Halbsatz 1 SGB I). § 7 Abs 1 AAÜG weicht jedenfalls nicht vom EV Nr 9 Buchst b Satz 3 AAÜG ab.

f) Die Anwendung der hier umstrittenen Vorschriften des AAÜG wird auch nicht durch die Bestimmungen der Konvention zum Schutze der Menschen und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S 685, 953 mit späteren Änderungen) nebst Zusatzprotokoll zur EMRK vom 20. März 1952 (BGBl 1956 II S 1880) hintangehalten. Die EMRK gilt im Range eines einfachen Bundesgesetzes. Auf die Streitfragen, ob sie nicht doch nach Art 25 GG übergesetzlichen oder sogar Verfassungsrang hat und ob sie für den Bundesgesetzgeber ein Abweichungsverbot begründet, ist ua deshalb nicht einzugehen, weil der durch die EMRK und das Zusatzprotokoll gewährleistete grundrechtliche Mindeststandard durch § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG nicht verletzt ist:

Soweit nach Art 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK jede natürliche oder juristische Person ein Recht auf Achtung ihres Eigentums hat und niemandem sein Eigentum entzogen werden darf, es sei denn, daß das öffentliche Interesse es verlange und daß es nur unter den durch Gesetz und durch die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vorgesehenen Bedingungen geschehe, ist nicht ersichtlich, wodurch § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG die Klägerin (bzw dem dort umschriebenen Personenkreis der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten) „Eigentum” entzogen haben könnte. Die frühere DDR und mit ihr – soweit vorhanden – ihre Rechtsordnung ist mit Ablauf des 2. Oktober 1990 untergegangen. In ihr gab es kein gegen Eingriffe der Staatsorgane, der SED und ihrer Hilfsorganisationen geschütztes Privateigentum an sozialrechtlichen Ansprüchen, insbesondere auch nicht im Bereich der geheimgehaltenen Sonderversorgungsordnungen. Aber sogar dann, wenn die Klägerin seit Juni 1990 gegenüber der damaligen demokratisierten DDR nach Art 2 des Verfassungsgrundsätzegesetzes „Privateigentum … wird gewährleistet”) einen iS der Unentziehbarkeit eigentumsgeschützten Anspruch auf Weitergewährung der ihr zugesagten Rente aus dem MfS-Sonderversorgungssystem gegen die DDR bzw ihrer Behörden gehabt hätte, obwohl dieses durch das StaSiVersAufhG mit Wirkung vom 30. Juni 1990 aufgehoben wurde, wäre dieser mit dem Ende der DDR untergegangen, soweit Bundesrecht anderes nicht bestimmt; denn die Bundesrepublik Deutschland, ihre Länder und Untergliederungen sind – wie gesagt – nicht Gesamtrechtsnachfolger der ehemaligen DDR geworden. Es stand der Bundesrepublik Deutschland frei, ob und in welchem Umfang sie von der DDR begründete „Eigentumspositionen” in die grundgesetzliche Rechtsordnung übernehmen wollte; hierbei unterlag die Bundesrepublik Deutschland nur den Vorgaben des GG und den von ihr selbst im EV eingegangenen Verpflichtungen.

Deshalb ist nicht weiter darzulegen, daß ein frühestens ab Juni 1990 denkbares Eigentum die Klägerin an Ansprüchen aus der geheimen und abgeschafften Sonderversorgung ein „leeres Recht” war, weil die frühere DDR als Versprechensgeber bankrott, dh auch zur Einhaltung dieses Versprechens wirtschaftlich nicht in der Lage war. Darüber hinaus hat die Bundesrepublik Deutschland die Rentenansprüche, welche die frühere DDR der Klägerin bis zum 30. Juni 1990 zuerkannt hatte, bis zum 31. Juli 1991 im Nominalwert von 1:1 erfüllt und damit im Geldwert um mindestens 100 vH übererfüllt. Wie allen anderen Bestandsrentnern aus der früheren DDR, wurden auch den Zusatz- und Sonderversorgungsrentnern die Gesamtzahlbeträge der ihnen nach DDR-Recht in Mark der DDR zustehenden Rentenansprüche gewährleistet und mindestens in dieser Höhe, aber aufgewertet in DM, weitergezahlt. Bis zum 31. Juli 1991 hat die Klägerin im nominellen Zahlbetrag nicht weniger an DM erhalten, als ihr von der DDR in Mark der DDR zugesagt war. Anderes gilt für die Zeit ab 1. August 1991. Die Klägerin hat die Zahlbetragsbegrenzung nach § 10 Abs 2 AAÜG, die der Senat für verfassungswidrig erachtet und dem BVerfG zur Entscheidung unterbreitet hat (Vorlagebeschluß vom 30. März 1994, 4 RA 33/92, SGb 1995, 37 ff), hingenommen und den Kürzungsbescheid bindend werden lassen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat durch die Regelungen zur Rentenüberleitung im EV sogar dann nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK verstoßen, wenn die demokratisierte DDR durch § 2 ihres Verfassungsgrundsätzegesetzes nicht nur Privateigentum, sondern auch Eigentum an sozialrechtlichen Sonderversorgungsansprüchen, die sie erklärtermaßen abschaffen wollte, begründet hätte. Denn seit dem 9. November 1989 bestand jedenfalls bis zum 3. Oktober 1990 eine außerordentliche Umbruchsituation. Diese war durch den auch wirtschaftlichen Bankrott der DDR gekennzeichnet; mit Blick gerade auf ihre Rentenversprechungen gab es kein Vermögen und keine Haushaltsmittel, die dazu bestimmt gewesen wären und auch nur annähernd ausgereicht hätten, die versprochenen Renten mit wirtschaftlicher Deckung zu zahlen. Der mit der Demokratisierung der DDR und ihrem Verfassungsgrundsätzegesetz für die Übergangszeit bis zur Wiedervereinigung eingeleitete Neuanfang bedurfte auch im Blick auf die Sozialversicherung von vornherein der namhaften Stützung durch Finanzmittel der Bundesrepublik Deutschland. Als das Ausmaß des einheitssozialistischen Wirtschaftszusammenbruchs sich im Laufe des Jahres 1990 immer deutlicher enthüllte, wurde auch absehbar, daß schon die Erfüllung der Rentenversprechungen der früheren DDR an die Bestandsrentner und rentennahen Jahrgänge durch die Bundesrepublik Deutschland für diese zu einer außerordentlich hohen zusätzlichen Belastung über die Kosten des Wiederaufbaus hinaus führen würde. Vor diesem Hintergrund ist durch die Bundesrepublik Deutschland Eigentum nicht etwa nur nicht entzogen, sondern durch die Zahlbetragsgarantie im EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5, durch das SGB VI und durch das AAÜG (soweit dieses im übrigen verfassungsgemäß ist) überhaupt erstmals wirksam begründet worden.

Auch das Diskriminierungsverbot des Art 14 EMRK, nach dem der Genuß der in der vorliegenden Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ua ohne Unterschied der politischen oder sonstigen Anschauungen gewährleistet werden muß, ist durch § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG in der unten anzusprechenden verfassungskonformen Restriktion auf die Zielsetzung nicht verletzt, Entgelte für „Beschäftigungen” spezifisch im MfS-Unterdrückungsapparat des einheitssozialistischen Unrechtsregimes (Unrechtsentgelte) nicht rentensteigernd zu berücksichtigen. Sonstige Anwendungsvorränge, etwa aufgrund des sog internationalen Grundrechtskonstitutionalismus (dazu stellvertretend Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, §§ 62, 217 bis 311), sind nicht ersichtlich.

Nach alledem muß der Senat § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlagen 6 AAÜG anwenden, falls diese Vorschriften gültig, dh mit höherrangigem Recht vereinbar sind.

4. Einziger höherrangiger Prüfungsmaßstab, an dem § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG zu messen ist, ist Art 3 Abs 1 GG:

a) Hingegen vermag der Senat „objektive Zweifel” nicht zu erkennen, es könne eine allgemeine Regel des Völkerrechts iS von Art 25 GG geben, die es gebietet, für die Klägerin und dem von ihr repräsentierten Personenkreis der MfS-Sonderversorgungsberechtigten bei der Berechnung der Entgeltpunkte für die gesetzliche Rentenversicherung iS des SGB VI für Pflichtbeitragszeiten aus vom Sonderversorgungssystem des MfS erfaßten Beschäftigungen als Verdienste die tatsächlichen Arbeitsentgelte bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3 des AAÜG) zugrunde zu legen. Der Grundsatz, daß Verträge einzuhalten sind, scheidet zwar nicht schlechthin als Prüfungsmaßstab aus. Für das hier streitige Begehren ist er aber nicht anzuwenden, da der EV nicht zwischen der Klägerin und der Bundesrepublik Deutschland geschlossen worden ist und keine Rechte normiert, welche die Klägerin gegen die Beklagte geltend machen könnte (Art 44 EV). Im übrigen hat die Bundesrepublik Deutschland – wie gesagt – ihre Zusagen aus dem EV, soweit sie im vorliegenden Fall von Bedeutung sind, eingehalten.

b) Das rechtsstaatliche Vertrauensschutzprinzip, das der Bundesgesetzgeber bei jedem Gesetz mit den von ihm verfolgten Belangen materialer Gerechtigkeit abwägen muß, ist – ungeachtet seines Verhältnisses zu Art 14 Abs 1 GG und zu Art 3 Abs 1 GG – nicht maßstäblich, weil eine Vertrauensgrundlage für die Klägerin, höhere Arbeitsentgelte in der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI angerechnet zu erhalten, weder dargetan noch ersichtlich ist. Der in verschiedenen Regelungen des EV angesprochene Vertrauensschutz gerade für Bestandsrentner und vor allem für rentennahe Jahrgänge betraf den Bestand an Renten und Rentenanwartschaften. Mit keinem Wort deutet der EV an, die Renten nach dem SGB VI, durch welche seit dem 1. Januar 1992 die überführbaren Rentenleistungen der früheren DDR im Rechtsgrunde ersetzt werden sollten (gesetzliche Novation), müßten nach irgendwelchen, dem Bundesrecht unbekannten, von der Klägerin nach Vorstellungen Azzola's entwikelten, an den faktischen Beitragsbemessungsgrenzen in der früheren DDR orientierten „Leistungsäquivalenten” bewertet werden (aA SG Gotha im Vorlagebeschluß an das BVerfG vom 28. April 1995, S 5 An 537/93, S 49 ff unter Berufung auf Azzola). Eine Vertrauensgrundlage für eine begünstigende Umgestaltung des SGB VI gibt es ebensowenig wie dafür, die SGB VI-Renten auch dann nach den in der früheren DDR gezahlten Arbeitsentgelten zu berechnen, wenn und soweit diese nicht auf Arbeit und Leistung beruhten. Aus EV Nr 9 Buchst b Satz 3 ergibt sich das Gegenteil (BSGE 72, 50 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 1; auch für das Folgende wird auf og Rechtsprechung des Senats und die dort vorhandenen weiteren Nachweise Bezug genommen).

c) Da der EV – wie ausgeführt – kein „Verfassungsgesetz eines Gesamtstaates” ist, sondern (im hier einschlägigen Teil) als einfaches Bundesgesetz gilt, scheidet er mangels Höherrangigkeit als Prüfungsmaßstab aus.

d) Gegen die „Eigentumsgarantie” in Art 14 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 GG kann § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG schon deswegen nicht verstoßen, weil er im Blick auf die künftige Rente der Klägerin nach dem SGB VI Bestandteil der ersten inhaltsbestimmenden Regelung iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 Regelung 1 GG ist. Obwohl Art 14 Abs 1 Satz 1 GG erst mit dem 3. Oktober 1990 in den jetzt „Beitrittsgebiet” genannten „anderen Teilen Deutschlands” (so Art 23 GG aF) in Kraft getreten ist (Art 3 EV), war der Bundesgesetzgeber (wie alle anderen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland) gemäß Art 1 Abs 3 GG immer schon gehalten, gegenüber den deutschen Staatsbürgern, die zugleich Bürger der DDR sein mußten, deren Grundrechte aus dem GG zu achten, soweit er sie betreffende Regelungen zu beschließen oder sonst ihnen gegenüber Staatsgewalt auszuüben hatte. Deswegen war er schon bei Abschluß des EV aus der Institutsgarantie des Eigentums (Art 14 Abs 1 Satz 1 Regelung 1 GG) verpflichtet, Vorsorge dafür zu treffen, daß im Rahmen der von ihm zu setzenden Prioritäten bei der Grundrechtsverwirklichung im Beitrittsgebiet die iS von Art 14 Abs 1 GG eigentumsfähigen Positionen im Rahmen der für die jeweiligen Lebensbereiche gegebenen besonderen Umstände möglichst rasch auch als grundrechtlich geschütztes Eigentum ausgeprägt würden. Dem ist er in den verschiedenen Regelungsbereichen des EV differenzierend nachgekommen. Für den Bereich der Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen hat er im EV Nr 9 bestimmt, diese ab 1. Januar 1992 nach Maßgabe des SGB VI und nach den für dieses Gesetz maßgeblichen Wertungsstrukturen als Eigentum auszugestalten; lediglich mit der sog Zahlbetragsgarantie (EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5) hat er unmittelbar individualgrundrechtliches Eigentum iS eines Rentenanspruches in bestimmter Nominalhöhe geschaffen. Im übrigen hat er (zunächst für den Verordnungsgeber gedachte) Vorgaben für die Rentenüberleitung normiert. Diese hat er dann selbst vor allem durch die Vorschriften des AAÜG, aber auch durch einige Regelungen im SGB VI konkretisiert. Bei diesen Vorschriften handelt es sich also insgesamt um die erste inhaltsbestimmende Regelung, aus der sich die individualgrundrechtlich geschützte Eigentumsposition erst ergibt.

Hierzu mußte der Gesetzgeber rückschauend das in der DDR zurückgelegte Arbeits- und Erwerbsleben nach den Maßstäben des Art 12 Abs 1 GG und des SGB VI zukunftsgerichtet für die Zeit ab Januar 1992 (gemäß § 307b Abs 2 Satz 1 SGB VI jedoch der Sache nach rückwirkend bis zum 1. Juli 1990) bewerten, ob und ggf in welchem Umfang/welcher Höhe die in der DDR-Zeit erbrachte Arbeitsleistung und das dafür erzielte Arbeitsentgelt (Erwerbstätigkeit/Arbeitseinkommen) die Gewährung einer Rente nach dem SGB VI sachlich rechtfertigte. Er hatte also nicht etwa einen gleichsam „naturrechtlich” vorgegebenen Eigentumsbestand in eine neue Rechtsform zu gießen. Mit den Vorschriften der §§ 5 bis 8 AAÜG hat er aber seine Verpflichtung aus der Institutsgarantie des Eigentums gerade erfüllt; er hat auch für die Klägerin und trotz der Steuerfinanzierung der „Zusatz- oder Sonderversorgungszeiten” individualgrundrechtlich geschütztes Eigentum geschaffen. Deshalb liegt der Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Prüfung auf dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Dies gälte aber auch dann, wenn angenommen würde, der Bundesgesetzgeber sei aus Art 14 Abs 1 GG im Blick auf Beschäftigungen, die von Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen erfaßt waren, nicht verpflichtet gewesen, eigentumsgeschützte Rentenansprüche und Rentenanwartschaften auszuprägen.

e) Soweit dem GG zu entnehmen ist, der Bund dürfe und müsse unter Umständen sogar auf die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet hinwirken, scheidet ein solcher Verfassungsauftrag als gerichtlicher Prüfungsmaßstab hier jedenfalls derzeit grundsätzlich aus, weil er eine äußerst vielschichtige Problemlage betrifft, für die sehr unterschiedliche Lösungsansätze in Betracht kommen; hier hat der politisch verantwortliche parlamentarische Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative, die gerichtlicher Kontrolle allenfalls nur bei evidenter Pflichtverletzung unterliegen kann; hiervon kann angesichts der außerordentlichen Probleme der Abwicklung des DDR-Staatsbankrotts keine Rede sein.

5. Nach Art 3 Abs 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich.

a) Dies bedeutet, daß der Gesetzgeber für seinen jeweiligen Gegenstand eine entsprechend der vorgefundenen Wirklichkeit sachgerechte und folgerichtige Regelung zu treffen hat; deshalb ist die Gleichheitsfrage innerhalb des regelungsbedürftigen Sach- und Normbereichs zu entwickeln (P. Kirchhof, Der allgemeine Gleichheitssatz in: Isensee/Kirchhof ≪Hrsg≫ Handbuch des Staatsrechts, Band V, § 124, S 851). Bei der Herstellung der Rechtseinheit im Sachbereich der Sozialversicherung geht es dabei mit Blick auf Zusatz- und Sonderversorgungssysteme nicht um Anknüpfung, sondern um Neuordnung. Dabei ist in jedem Fall die Untergrenze des sog Willkürverbotes zu beachten; sie ist verletzt, wenn wesentlich Gleiches ungleich und wesentlich Ungleiches gleich behandelt wird, ohne daß sich für die Gleich- oder Ungleichbehandlung irgendein sachlich vertretbarer zureichender Grund anführen läßt. Hierbei ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei, die Merkmale als Vergleichspaar zu wählen, an denen er Gleichheit oder Ungleichheit der gesetzlichen Regelung orientiert. Wenn der Gesetzgeber zur Erreichung eines (verfassungsgemäßen) Zweckes verschiedene Personengruppen ungleich behandelt und die benachteiligte Gruppe durchgängig von der Ungleichbehandlung belastet wird, weil ihre Mitglieder wegen in ihrer Person liegenden Umstände die Voraussetzungen für die günstigere Regelung nicht erfüllen können, muß die rechtliche Differenzierung in sachlichen Unterschieden eine ausreichende Stütze finden, Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund müssen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Wird außerdem die vom Gesetz selbst normierte Sachgesetzlichkeit ohne zureichenden Grund verlassen, liegt darin ein Indiz für Willkür; Systemdurchbrüche müssen durch solche sachlichen Gründe gerechtfertigt sein, deren Gewicht der Intensität der Ausnahme entsprechen. Je enger der gesetzliche Zweck und die zu seiner Verwirklichung herangezogenen Differenzierungskriterien an personenbezogene Merkmale anknüpfen, desto strikter und formaler ist die Rechtsbindung des Gesetzgebers. Je mehr Gesetzeszweck und Differenzierungskriterien an Merkmale im Umfeld der persönlichkeitsspezifischen Lebensführung anknüpfen, desto mehr tritt das Objektivitätsgebot, also die Verpflichtung zur Verfolgung sachgerechter Zwecke und zur Folgerichtigkeit, hervor.

b) Gemäß den Vorgaben im EV Nr 9 hat der Gesetzgeber mit den Vorschriften des AAÜG das Ziel verfolgt, die Zeiten, in denen Beschäftigungen in der DDR ausgeübt wurden, für die zu irgendeinem Zeitpunkt Versorgungsansprüche aus einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem zugesagt worden waren – ggf mit Ansprüchen aus der Sozialpflichtversicherung und aus der FZR-Versicherung, soweit es sich um nach dem EV überführbare Ansprüche handelte – ab dem 1. Januar 1992 zukunftsgerichtet ausschließlich durch eine Rente nach dem SGB VI zu ersetzen (vgl BSGE 72, 50 ff = SozR 8750 § 10 Nr 1 und die og Rechtsprechung mwN). Gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Zielsetzung, der sog Systementscheidung, hat der Senat weiterhin (jedenfalls derzeit) keine durchgreifenden Bedenken. Dies umfaßt, daß auch bei den Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten – wie bei allen anderen in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Bundesbürgern, die ab 1. Januar 1992 nach dem SGB VI eine Rente beanspruchen können – versicherte Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen höchstens bis zu der jeweils maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3 des AAÜG, Anlage 1 des SGB VI, beide vermittelt durch die Umrechnungsfaktoren der Anlage 10 des SGB VI) bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. Das bedeutet, daß für alle Versicherten im gesamten Bundesgebiet Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen ohne irgendeine rentenrechtliche Bedeutung sind, soweit sie die jeweilige bundesrechtliche Beitragsbemessungsgrenze überschreiten. Für Bestandsrentner und bestimmte rentennahe Jahrgänge ist im EV Nr 9 Buchst b Satz 4 und 5 eine Zahlbetragsgarantie geschaffen worden. Sie trägt den besonderen Umständen dieser Versicherten Rechnung, die darin bestehen, daß sie sich typischerweise keine zusätzliche Altersversorgung privater oder berufsständischer/betrieblicher Art zusätzlich zur SGB VI-Rente mehr aufbauen können. Sie werden dadurch vor einem drastischen Absinken ihrer Altersversorgung (soweit sie rechtmäßig und durch Arbeit und Leistung erworben war) geschützt, daß (ungeachtet der Verfassungswidrigkeit der Zahlbetragsbegrenzungen in § 10 Abs 1 und Abs 2 AAÜG) ihnen zu der Rente, die ihnen ab Januar 1992 nach dem SGB VI zusteht, noch ein nicht aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung herleitbarer „Rentenzuschlag” aus Steuermitteln zur Wahrung des Nominalwertes des ihnen im EV Nr 9 zugesicherten Gesamtanspruches aus ihren früheren „DDR-Renten” gezahlt wird. Der Senat hält also die Grundregel für die Berücksichtigung von Arbeitsentgelten als Verdienste, nämlich § 6 Abs 1 iVm Anlage 3 AAÜG, der die Gleichbehandlung der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten mit den westdeutschen Rentnern einerseits und – abgesehen von einem Übergangszeitraum – auch mit allen anderen Rentnern aus dem Beitrittsgebiet durch eine gesamtdeutsche Beitragsbemessungsgrenze gewährleistet, weiterhin für verfassungsgemäß.

Hingegen würde eine Anrechnung von Arbeitsentgelten der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten, soweit diese über die bis zur Beitragsbemessungsgrenze reichende Normalstreuung der Arbeitsentgelte der Arbeiter und Angestellten hinausgeht, zu einer aus dem Rentenversicherungsrecht nicht begründbaren Systemdurchbrechung sowie zur ungerechtfertigten Privilegierung dieser Personen gegenüber allen anderen Arbeitnehmern im ganzen Bundesgebiet führen. Dies könnte insbesondere nicht mit einem im positiven Recht nicht auffindbaren „allgemeinen Nachversicherungsprinzip” begründet werden. Denn die sog Nachversicherung ist im Rentenversicherungsrecht nur unter engen Voraussetzungen zulässig (§ 8 SGB VI). Jede Nachversicherung (auch eine solche aufgrund von Umbruchsituationen) führt aber nur dazu, daß die Arbeitsentgelte der Nachversicherten höchstens bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Daher sind Arbeitsentgelte (Arbeitseinkommen), die oberhalb der jeweils maßgeblichen bundesrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze liegen, für die Höhe aller Rentenleistungen nach dem SGB VI schlechthin unbeachtlich.

c) Demgegenüber ist für die Höhe einer SGB VI-Rente vor allem die Höhe der individuell erzielten Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen maßgeblich, die während des Versicherungslebens durch Beiträge versichert worden sind (§ 63 Abs 1 SGB VI). Die persönlichen Entgeltpunkte (§§ 64 Nr 1, 66 SGB VI), insbesondere die für Beitragszeiten (§§ 63 Abs 2, 70, 256 bis 262 SGB VI), bestimmen die relative Rentenhöhe im Vergleich zu Berechtigten mit im übrigen gleichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch Vergleich des individuell versicherten Arbeitsentgelts/Arbeitseinkommens mit dem Durchschnittsentgelt der Arbeiter und Angestellten im jeweiligen Kalenderjahr. In diesem Sinne spiegeln die persönlichen Entgeltpunkte und damit der den Pflichtbeitragszeiten zugrundezulegende Verdienst die individuelle berufliche Lebensleistung im Vergleich zu allen anderen Pflichtversicherten. Die Feststellung der Entgeltpunkte für Pflichtbeitragszeiten ist nach dem SGB VI grundsätzlich und in aller Regel nur durch individuelle Prüfung des beruflichen Lebens des Versicherten möglich; vor allem setzt sie den beruflichen Erfolg des Versicherten beim Aufbau seiner Altersrente im Verhältnis zu den anderen Versicherten fest. Nach den Sachstrukturen des Rentenversicherungsrechts sind also in hohem Maße personenbezogene, die berufliche Entfaltung des Versicherten betreffende Feststellungen und Wertungen erforderlich. Deswegen hält der Senat dafür, daß Art 3 Abs 1 GG den Bundesgesetzgeber bei der Überleitung der Ansprüche auch aus dem MfS-Sonderversorgungssystem in das Recht des SGB VI streng bindet, dh, daß ein Prüfungsmaßstab anzuwenden ist, der auf der Skala der in Art 3 Abs 1 GG enthaltenen Bindungsgrade näher an der strikt formalen Gleichheit als an der lediglich sachbezogenen Willkürfreiheit einzuordnen ist.

Deshalb kommt es darauf an, ob die von § 7 Abs 1 Satz 1 AAÜG betroffenen MfS-Sonderversorgungsberechtigten im Vergleich zu den „nur”) von § 6 Abs 1 AAÜG betroffenen Zusatzversorgungsberechtigten oder zu den der Begrenzung nach § 6 Abs 2 (und Abs 3) AAÜG unterworfenen Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten schlechter behandelt werden, obwohl zwischen je beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl BVerfGE 55, 72 ≪88≫). Entscheidend ist, ob die ungünstigere Anrechnung von Arbeitsentgelten unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze aus durch § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG rentenversicherungsrechtlich anerkannter Berufstätigkeit mit Blick gerade auf den Sachbereich der seit dem 1. Januar 1992 im ganzen Bundesgebiet gültigen gesetzlichen Rentenversicherung auf einem vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund beruht (vgl BVerfGE 75, 108 ≪157≫; 76, 256 ≪329≫; 82, 159 ≪180≫). Erforderlich für die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung ist also ein sachbereichsbezogener einleuchtender Grund, eine in der geregelten Sachmaterie angelegte oder ihr entsprechende Vorgabe für eine rechtserhebliche Ähnlichkeit oder Verschiedenheit (vgl P. Kirchhof, aaO, S 935; im Ansatz ähnlich D. Merten, Verfassungsprobleme der Versorgungsüberleitung, 2. Aufl 1993, S 118 ff, 135 ff; eingangs auch wohl H.-J. Papier, Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit der Versorgungsüberleitung, Forschungsbericht, Band 238, herausgegeben vom BMA, 1994, S 90, 100 ff, der aber nur noch Teilaspekte des allgemeinen Willkürverbotes anspricht; ähnlich auch B. Rürup/H. Simon, Gutachten zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatzversorgungssystemen der Anlage 1 Nrn 1 bis 22 des AAÜG in die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland, erstattet im Auftrag der fünf neuen Bundesländer und des Landes Berlin, 1993, S 139).

d) Der strengen Bindung des Bundesgesetzgebers steht nicht entgegen, daß sämtliche Leistungen und Kosten, welche die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in das SGB VI verursacht, aus Steuermitteln des Bundes und der Bundesländer finanziert werden. Zum einen trifft dies auch bei den „lediglich” von § 6 Abs 1 oder Abs 2 AAÜG Betroffenen zu. Zum anderen hat der Bundesgesetzgeber – schon im EV Nr 9 – sich dafür entschieden (und bundesgesetzlich zugesagt), die in der DDR ausgeübten beruflichen Tätigkeiten, für die Versorgungszusagen nach einer Zusatz- oder Sonderversorgungsordnung erteilt waren, also auch die MfS-Sonderversorgung, „nachversicherungsähnlich” in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (sowie der knappschaftlichen Rentenversicherung) aufzufangen. Die Lösung, die Versorgung wegen einer MfS-Tätigkeit außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung zu regeln, ist jedenfalls nicht gewählt worden. Bund und Länder im Beitrittsgebiet sind durch EV Nr 9, anknüpfend an ihre Eigenschaft als Funktionsnachfolger iS von Art 13 EV, auch für die MfS-Angehörigen in die Rolle des öffentlichen Dienstherrn/Arbeitgebers (mit entsprechender Versorgungsaltlast) gesetzt und verpflichtet worden, die entgeltliche Berufstätigkeit auch dieser Sonderversorgungsberechtigten ab Januar 1992 nachträglich, jedoch zukunftsgerichtet als „im wesentlichen” einer entgeltlichen Beschäftigung iS von § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI gleichwertig zu erachten. Dem ist § 5 Abs 1 AAÜG nachgekommen. Diese Entscheidung entspricht im Ergebnis der Nachversicherungssituation iS von § 8 SGB VI. Auch dort sind die Nachversicherungsbeiträge vom öffentlichen Dienstherrn/Arbeitgeber allein zu tragen. Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der „Nachversicherung” der von ihm dem Grunde nach und „im wesentlichen” als entgeltliche Beschäftigungsverhältnisse iS von § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI anerkannten Berufstätigkeiten (§ 5 Abs 1 AAÜG) nur Unterscheidungen vornehmen, die sich positiv aus Gründen der geregelten Sachmaterie ergeben.

e) Vor diesem Hintergrund hält der Senat weiterhin an seiner Auffassung (BSGE 72, 50 ≪63≫) fest, daß die in § 7 Abs 1 AAÜG vorgenommene benachteiligende Ungleichbehandlung gegenüber den von § 6 Abs 1 oder Abs 2 AAÜG Betroffenen im Grundsatz keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, soweit sie darauf gerichtet ist, in die SGB VI-Rente weder rechtsbegründend noch rentensteigernd Elemente einfließen zu lassen, die nicht auf einer nach den Kriterien des Art 12 Abs 1 GG erlaubten Arbeit beruhen, also nicht Äquivalent von Arbeit und Leistung sind (BSGE 72, 50 ≪61 ff≫). Dies folgt allerdings (entgegen Rürup/Simon ≪aaO, S 139≫, dort zur Unterscheidung zwischen § 6 Abs 2 von Abs 1 AAÜG) nicht schon daraus, daß „es nahezu evident sein dürfte, daß zwischen den von der Entgeltbegrenzung betroffenen regimenahen Personen und den anderen Angehörigen von Zusatzversorgungen erhebliche Unterschiede bestehen, die eine Verschiedenbehandlung rechtfertigen”. Es ist durchaus nicht offensichtlich, daß die Tätigkeit (oder gar die Person) einer Krankenschwester, Küchenhilfe, eines Handwerkers oder Fahrers jeweils in Diensten des MfS „regimenäher” oder für die SED nützlicher gewesen sein müßte als die eines Oberleutnants der NVA oder eines Chefarztes einer Universitätsklinik. Das AAÜG stellt in § 7 Abs 1 aaO jedoch gerade nicht auf den Inhalt der jeweils ausgeübten Beschäftigung, auf individuelles Verhalten, persönliche Einstellungen oder konkret feststellbare Nützlichkeit der einzelnen Person für das Regime ab; ausschlaggebend für die benachteiligende Differenzierung ist allein die nur nach dem Typ der zugesagten Versorgung bestimmte Art der Berufstätigkeit.

f) Der Senat kann sich nicht davon überzeugen, daß die Differenzierung sich aus dem von der Bundesregierung zur Begründung ihrer Gesetzgebungsinitiative zum RÜG angeführten (BT-Drucks 12/405, S 113, 147), dem SGB VI fremden Zweck rechtfertigen läßt, die Höhe der anzurechnenden Arbeitsentgelte unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, die von Zusatz- oder Sonderversorgungsberechtigten erzielt worden sind, sei je nach Art der erteilten Versorgungszusage und unabhängig von der Art der konkret ausgeübten Beschäftigung allein nach dem „Kriterium” der relativen „Staats- oder Systemnähe” zu differenzieren; wegen der als „typisierende Betrachtung” bezeichneten Annahme, die Personen, die eine Versorgungszusage nach der MfS-Versorgungsordnung erhalten hatten, seien besonders „systemnah”, sollten sie einer „besonderen Begrenzung”, nämlich einer Höchstbegrenzung unterhalb des sonst im SGB VI für fiktive Beitragszeiten maßgeblichen Niveaus von 0,75 Entgeltpunkten unterworfen werden.

Der von der Bundesregierung, die nicht der Gesetzgeber ist, erklärte Zweck ist zur Überzeugung des Senats schon deshalb mit dem Gebot der Sachgerechtigkeit aus Art 3 Abs 1 GG nicht vereinbar, weil er dem Rentenversicherungsrecht des SGB VI fremde „Kriterien” „Staats- und Systemnähe”, „Versorgungszusage”) für eine Ungleichbehandlung bei der Berechnung der Höhe der Rentenleistungen einführt. Diese stammen nicht aus der Sachmaterie des Sozialversicherungsrechts und können innerhalb dieses Sachbereichs nicht verallgemeinert werden, ohne die Grundstruktur des Systems, die globale Äquivalenz zwischen erlaubter, entgeltlicher Arbeit und Rente aufzuheben:

Für die pflichtige Einbeziehung einer vergüteten Erwerbstätigkeit oder Beschäftigung in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB VI wegen einer entgeltlichen Beschäftigung kommt es nach §§ 1 bis 5 SGB VI ausschließlich darauf an, ob gegen Entgelt ein Beruf ausgeübt wird, der nach den Kriterien von Art 12 Abs 1 GG, die den Bundesgesetzgeber auch bei der Ausgestaltung des Rechts des SGB VI binden, erlaubt ist. Hinsichtlich der in der DDR ausgeübten Berufstätigkeiten hat der Bundesgesetzgeber bei der von ihm zugesagten Rentenüberleitung in das Recht des SGB VI unter Beachtung der Vorgaben von Art 12 Abs 1 GG das in der Vergangenheit liegende Berufsleben der Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten rückschauend zu bewerten, ob und ggf wieweit es „erlaubte” Tätigkeit war und nach den Kriterien von Arbeit und Leistung einer entgeltlichen Beschäftigung iS von § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI entspricht; sodann hat er die deswegen von ihm gewährten Ansprüche und Anwartschaften zukunftsgerichtet für die Zeit ab 1. Januar 1992 (nach Maßgabe von § 307b Abs 2 Satz 1 SGB VI fiktiv frühestens ab 1. Juli 1990) nach den prägenden Strukturmerkmalen dieses Teilrechtssystems, also denen des SGB VI, auch im Blick auf Art und Höhe der Leistungen folgerichtig einzugliedern. Für dieses Rechtsgebiet ist aber gerade prägend, daß eine nach Art 12 Abs 1 GG erlaubte entgeltliche Beschäftigung/Berufstätigkeit zur Versicherung der Arbeitsentgelte (grundsätzlich bis zur Beitragsbemessungsgrenze) auch dann führt, wenn durch die berufliche Betätigung Wirkungen gezeitigt werden, die von der Mehrheit der Bevölkerung, von Moralsystemen oder Weltanschauungen oder auch vom GG in anderem Sachzusammenhang negativ bewertet werden (sozialpolitisch gesprochen: sog politische Neutralität des Rentenrechts). Der og Zweck könnte aber dazu führen, daß an eine gemessen an Art 12 Abs 1 GG erlaubte entgeltliche Berufstätigkeit wegen ihrer als schädlich bewerteten Wirkung nachträglich Benachteiligungen im Rentenversicherungsrecht angeknüpft werden. Aus diesem Grunde ist nicht weiter darauf einzugehen, daß (außerdem) die von der Bundesregierung erklärte Absicht insoweit (verfassungswidrig) strafähnlich in die Lebensführung der Betroffenen eingreifen könnte.

g) Der Senat konnte sich auch nicht davon überzeugen, der von Rürup/Simon (aaO, S 137 ff) im Blick auf § 6 Abs 2 AAÜG genannte „weitere Allgemeinwohlgrund zur Rechtfertigung der Kürzung” sei ein § 7 Abs 1 Satz 1 aaO möglicherweise tragender verfassungsgemäßer Zweck, sachbereichsbezogen und verhältnismäßig umgesetzt. Dort heißt es, es „sei gerecht und geboten, die Nutznießer des Systems und die für dieses System, seine Mißstände und sein Versagen besonders verantwortlichen Führungskader durch eine spürbare Sonderleistung an den beträchtlichen Kosten der Vereinigung zu beteiligen”. Eine solche Begründung solle ausreichen, wenn zusätzlich berücksichtigt werde, daß der Gesetzgeber bei der Überführung der Versorgung bestrebt sein mußte, die Akzeptanz derjenigen zu erreichen, die als Solidargemeinschaft oder als Steuerzahler für die finanziellen Defizite aufkommen mußten.

Der Senat meint zwar, daß es eine Regel gesetzgeberischer Klugheit ist, die Akzeptanz gesetzlicher Regelungen zu bedenken. Ein verfassungsgemäßes Ziel, welches die Benachteiligung bestimmter Gruppen rechtfertigen könnte, ist es im grundrechtsgebundenen Rechtsstaat aber nicht; damit könnte man nämlich Regelungen, die nur eine Minderheit benachteiligen, erfahrungsgemäß fast immer rechtfertigen. Ein derartiger „Differenzierungsgrund” ist rechtsstaatlich unannehmbar. Der Zweck, den „Nutznießern” des DDR-Systems ein „Sonderopfer” für die „Wiedervereinigungskosten” abzuverlangen, dies zudem, ohne zB den persönlichen Anteil des Betroffenen an der Verursachung der Kosten geprüft zu haben, also Angehörige von Berufsgruppen in Gruppenhaftung für Staats- und Systemkosten zu nehmen, weil das System ein Unrechts-Regime war, jedoch ohne auch nur zu prüfen, ob Tätigkeiten ausgeübt worden sind, die in derselben Weise in jedem Staat und in jedem politischen System anfallen, ist im Kern eine strafähnliche Kollektivbenachteiligung.

Auf die Verfassungswidrigkeit dieses „weiteren Allgemeinwohlgrundes” ist hier aber nicht weiter einzugehen, weil er den positiv-rechtlichen Regelungen von § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG nicht einmal andeutungsweise zu entnehmen ist. Dort wird keine Beteiligung bestimmter Personen an den Kosten der Wiedervereinigung geregelt; einziges Sachthema ist, ob und in welchem Umfang Entgelte bei der Rentenberechnung unberücksichtigt bleiben sollen. Dem Betroffenen wird keine „Sonderleistung” abverlangt; es wird weder geprüft noch typisierend vermutet, daß gerade der Berechtigte mit MfS-spezifischen Unrechtsaufgaben betraut war und an Mißständen und am Versagen des DDR-Systems mitgewirkt hat.

h) Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung persönlich hat aber sowohl in der 630. Sitzung des Bundesrates (Plenarprotokoll vom 17. Mai 1991, S 194) als auch in der 1. Beratung des RÜG im Deutschen Bundestag am 26. April 1991 (Plenarprotokoll 12/24, S 1629) einen anderen Gesetzeszweck angedeutet, der nach Ansicht des Senats verfassungsgemäß ist. Er hat dort angegeben, durch die Arbeitsentgeltbegrenzung für MfS-Versorgte solle vermieden werden, daß ein früherer Mitarbeiter der StaSi mehr Rente bekomme als derjenige, den er „bespitzelt” habe; es müsse verhindert werden, daß „die Gequälten” möglicherweise niedrigere Renten erhielten als „die Quäler”. Damit zeigt sich als Zweck der Begrenzung in § 7 AAÜG, es solle kein „Entgelt” rentensteigernd angerechnet werden, das für Tätigkeiten gezahlt worden ist, die nach den Kriterien des Art 12 Abs 1 GG nicht Inhalt eines erlaubten Berufes sind. Denn das ungerechtfertigte, staatlich organisierte „Bespitzeln” von (vor allem) deutschen Staatsbürgern, die nur von ihren Grund- und Menschenrechten Gebrauch machen, oder gar, sie zu quälen, ist kein iS von Art 12 Abs 1 GG erlaubter Beruf, ebensowenig wie eine sonstige gegen „Entgelt” ausgeübte „Beschäftigung” als „Berufs”-Verbrecher. Die Verrichtung derartiger Tätigkeiten ist keine „entgeltliche Beschäftigung” iS von § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI und darf ihr auch nicht wertend gleichgestellt werden. Das Ziel, „Entgelte” für MfS-typische Unrechtshandlungen (Unrechtsentgelte), die gerade keine „Arbeitsentgelte” für vom GG und vom SGB VI anerkannte Arbeit und Leistung sind, von der Anrechnung bei der Ermittlung der Entgeltpunkte für Pflichtbeitragszeiten auszuschließen, ist sach- und strukturgerecht; denn das SGB VI gewährt Renten nur, soweit der Anspruch hierauf nach Grund und Höhe durch Arbeit und Leistung gerechtfertigt ist. Soweit § 7 AAÜG dieses Ziel verfolgt, ist er im Grundsatz verfassungsgemäß; denn der Gesetzgeber war nach Art 3 Abs 1 GG sogar verpflichtet zu prüfen, ob Unrechtsentgelte gezahlt worden sind, die ungerechtfertigt zu einer höheren SGB VI-Rente geführt hätten.

Dieses Gebot zu sachgerechter und verhältnismäßiger Differenzierung (Art 3 Abs 1 GG) hatte der Gesetzgeber aber nicht nur bei MfS-Versorgten, sondern grundsätzlich bei der Überleitung sämtlicher Renten und Rentenanwartschaften zu beachten, also auch bei denjenigen aus den anderen Zusatz- und Sonderversorgungen und aus der Sozialpflichtversicherung sowie aus der FZR-Versicherung; auch bei den nicht aus Steuermitteln, sondern auch bei den aus den seit Januar 1992 erwirtschafteten Beiträgen finanzierten Renten erscheint es sachlich unvertretbar, die Beitragszahler mit der Finanzierung fortgeschriebener Unrechtsentgelte des SED-Regimes zu belasten.

Gleichwohl hält der Senat es weiterhin für mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, daß der Gesetzgeber seine Bemühungen, SGB VI-Renten von SED-Unrechtsentgelten freizuhalten, auf die MfS-Versorgten begrenzt hat. Bei diesen sprang nämlich der typische Unrechtsgehalt der Tätigkeit des MfS-Apparates (StaSi) ins Auge. Der Senat (BSGE 72, 50 ≪61 ff≫) hat daher grundsätzlich die typisierende Begrenzung von Arbeitsentgelten in der vom AAÜG schon in der ursprünglichen Fassung ausgeprägten dreistufigen Typik für verfassungsrechtlich vertretbar erachtet. Daran hält er fest. Er ist jedoch davon überzeugt, daß die Ausgestaltung dieser Typisierung in § 7 AAÜG den Anforderungen des Art 3 Abs 1 GG an Sachgerechtigkeit und Folgerichtigkeit nicht genügt:

i) Vorab ist nochmals darauf hinzuweisen, daß der Abbau hoher Unrechtsentgelte, Privilegien und politischer Vergünstigungen für die Berechnung der SGB VI-Renten ohnehin im wesentlichen durch die Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelte auf Beträge bis zur Beitragsbemessungsgrenze gemäß § 6 Abs 1 iVm Anlage 3 AAÜG erfolgt ist. In den Debatten des Deutschen Bundestages ist wiederkehrend als Beispiel für die Erforderlichkeit der Arbeitsentgeltbegrenzung auf „Versorgungszusagen” der DDR in Höhe von 12.000,00 M hingewiesen worden (dem Senat wurde weder aufgrund von Anfragen bei der BfA noch durch in der Sozialgerichtsbarkeit anhängige Streitverfahren ein Fall bekannt, in dem eine Versorgungszusage von mehr als 4.500,00 M gegeben worden ist); hierzu ist zunächst klarzustellen, daß „Versorgungszusagen” der DDR und ihre Höhe für die Berechnung der SGB VI-Rente von vornherein in keinerlei Hinsicht irgendeine Bedeutung haben. Es kommt vielmehr gemäß § 64 SGB VI zum einen auf Faktoren an, die von der Art der individuell ausgeübten Erwerbstätigkeit und dem Arbeitsentgelt unabhängig sind (Zugangsfaktor, Rentenartfaktor, aktueller Rentenwert, Rentenbeginn), zum anderen ausschließlich auf die persönlichen Entgeltpunkte. Diese hängen bei Pflichtbeitragszeiten grundsätzlich von der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte, für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 von der Höhe des erzielten Verdienstes ab. Wäre also aus einer MfS-Tätigkeit, die der Rentenversicherung der Angestellten zuzuordnen wäre, im Jahre 1989 im Beitrittsgebiet ein monatliches Arbeitsentgelt von 12.000,00 M erzielt worden, also jährlich 144.000,00 M, wären hiervon (falls § 6 Abs 1 iVm Anlage 3 AAÜG anzuwenden wäre) kalenderjährlich höchstens 22.641,51 M (in DM) als Verdienst für die Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte im Jahre 1989 anzusetzen. Die übrigen etwa 121.000,00 M blieben für die SGB VI-Rente ohne Belang. Der Senat meint, daß bereits dies ein deutlicher Abbau von Unrechtsentgelten oder politischen Vergünstigungen ist.

j) Vor diesem Hintergrund können sich aber auch hinter MfS-Arbeitsentgelten unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, die sich im normalen Streubereich der Arbeitnehmereinkünfte im Beitrittsgebiet halten, auszufilternde Unrechtsentgelte verbergen: Dies ist der Fall, wenn und soweit der MfS-Versorgungsberechtigte im Dienst des MfS Aufgaben zu erfüllen hatte, die nach den Kriterien des Art 12 Abs 1 GG kein Inhalt erlaubter Berufstätigkeit sind; insoweit ist sein Gehalt ein Unrechtsentgelt, das nach Art 3 Abs 1 GG nicht rentensteigernd berücksichtigt werden darf. Soweit hingegen das Gehalt für die Tätigkeiten gezahlt wurde, die auch in einem Rechtsstaat anfallen, ist es grundsätzlich geeignet, als Arbeitsentgelt aus Beschäftigungen iS des Sozialgesetzbuchs anerkannt und für die Rentenhöhe berücksichtigt zu werden; insoweit stellte sich „nur” die in § 6 Abs 2 und 3 AAÜG thematisierte Problematik, unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze verborgene Privilegien und politisch überhöhte Vergütungen auszuscheiden (dazu Vorlagebeschlüsse des Senats vom 14. Juni 1995, 4 RA 98/94 und 4 RA 1/95). Entgegen der nicht näher belegten Ansicht des SG liegen keine Erkenntnisse vor, die Gehälter im MfS seien für alle Mitarbeiter und zu jeder Zeit des DDR-Regimes überhöht gewesen; auch der BMA hat auf die Anfrage des Senats mitgeteilt, empirische Erkenntnisse hierzu nicht zu haben. Darüber hinaus hat das MfS ua Aufgaben erfüllt, die in ähnlicher Weise auch in jedem Rechtsstaat anfallen (zB Paßkontrolle, Verteidigungsaufgaben, Personen- und Objektschutz; Spionage und Spionageabwehr etc; vgl Gill/Schröter, Das MfS, Anatomie des Mielke-Imperiums, 1991, S 31; auch Beschluß des 2. Senats des BVerfG vom 15. Mai 1995, 2 BvL 19/91, 2 BvR 1206/91, 2 BvR 1584/91 und 2 BvR 2601/93).

Die Hauptaufgabe der StaSi/des MfS (vgl das Statut des MfS, ausgefertigt am 30. Juli 1969, Geheime Kommandosache 27/5/69) bestand jedoch darin, das SED-Regime und insbesondere die SED-Führung vor allen demokratischen Entwicklungen zu schützen, die deutschen Staatsbürger an der Wahrnehmung ihrer Freiheits- und Menschenrechte zu hindern und den Willen der einheitssozialistischen Machthaber als Schild und Schwert der Partei zu vollstrecken (vgl Gill/Schröter, aaO, S 32 ff). Die gesamte Organisation und alle Funktionen des MfS waren dieser Hauptaufgabe untergeordnet; die StaSi war dazu eine funktionelle Einheit. Daher bestand eine Gemengelage, in welcher jede Beschäftigung, die für das MfS verrichtet wurde, mehr oder minder von dem Unrechtsgehalt der Gesamtorganisation beschmutzt wurde.

Deshalb hält der Senat daran fest, daß der Bundesgesetzgeber gemäß Art 3 Abs 1 GG grundsätzlich berechtigt war, die Unterscheidung zwischen Arbeitsentgelten für MfS-Beschäftigungen und Unrechtsentgelten für Unterdrückungstätigkeiten typisierend und pauschalierend durchzuführen; ferner durfte er dabei den Umfang und den Wert der rentenversicherungsrechtlich anzuerkennenden entgeltlichen Arbeit für MfS-Tätigkeit grundsätzlich niedriger als bei Beschäftigungen anderer Zusatz- oder Sonderversorgungsberechtigten einstufen (und dann auch noch – soweit noch vorhanden – Privilegien und politische Vergünstigungen abbauen). Dieser Typisierungsschritt ist also mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, wenn nicht sogar geboten.

k) Gleichheitswidrig ist zur Überzeugung des Senats jedoch der weitere Typisierungsschritt, den Wert jeder MfS-Beschäftigung unterschieds- und ausnahmslos auf das 0,7-fache einer Durchschnittsbeschäftigung zu begrenzen. Hierbei ist nicht der Maßstab für vorläufige gesetzliche Regelungen, sondern derjenige für dauerhafte Gesetze anzulegen. Denn der Bundesgesetzgeber hat es mit dem Erlaß des AAÜG bewußt abgelehnt, ein Vorschaltgesetz oder eine unter Überprüfungsvorbehalt stehende vorläufige Regelung der Überleitung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen zu treffen; es sollte vielmehr zum 1. August 1991 für das ab 1. Januar 1992 maßgebliche Rentenrecht eine dauerhafte Lösung geschaffen werden. Der Bundesgesetzgeber hat also „bewußt” darauf verzichtet, eine weiterreichende Übergangszeit für die Erforschung der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten ua der Beschäftigungen im MfS und der dort gezahlten Entgelte in Anspruch zu nehmen. Ihm kann deshalb für die zum 1. Januar 1992 vorgenommene Überleitung nach dem AAÜG nicht zugute gehalten werden, er habe bei der Regelung noch unübersichtlicher Sachverhalte eine angemessene Zeit zur Sammlung von Erfahrungen benötigt, und dürfe sich deshalb im Anfangsstadium mit gröberen Typisierungen und „Generalisierungen” begnügen (vgl BVerfGE 70, 1 ≪34≫; 75, 108 ≪162≫).

l) Zwecks Ausfilterung von Unrechtsentgelten hat der Bundesgesetzgeber angeordnet, Zeiten des besoldeten Dienstes für das MfS rentenversicherungsrechtlich zwar in vollem Umfang als Pflichtbeitragszeiten (§§ 5 Abs 1 und Abs 2, 7 Abs 1 Satz 2 iVm 6 Abs 5 Satz 3, 2 Abs 3 AAÜG) zu behandeln, jedoch als Verdienste für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte bei jedem Berechtigten ausnahmslos höchstens das 0,7-fache des Durchschnittsentgelts Ost und damit ein Entgelt festzusetzen, das in der Regel etwas unterhalb der Mindestentgeltpunkte liegt. Hier ist „Typisierung” durch generelle Schematisierung ersetzt worden.

Diese Regelung genügt – zur Überzeugung des Senats – aus drei eigenständigen Gründen den og Anforderungen des Art 3 Abs 1 GG nicht; ohne einen dies jeweils rechtfertigenden Grund ist sie nicht folgerichtig, zu wenig differenziert und absolut.

m) Der Bundesgesetzgeber hat – schon im EV Nr 9 Buchst b Satz 3, aber ausdrücklich in § 5 Abs 1 Satz 1 und 2 AAÜG – anerkannt, daß ua auch Zeiten einer entlohnten Beschäftigung im Dienst des MfS als Pflichtbeitragszeiten iS des SGB VI gelten, also – jedenfalls „im wesentlichen”, dh rentenversicherungsrechtlich: zumindest annähernd gleichwertig – einer entgeltlichen Beschäftigung entsprechen, für die es heute, dh seit 1992, den Steuer- und Beitragszahlern zuzumuten ist, aus Solidarität im sozialpolitisch sog Generationenvertrag Renten zu finanzieren. Dies wäre demgegenüber im System der gesetzlichen Rentenversicherung des SGB VI eine (ua Art 3 Abs 1 GG widersprechende) unverhältnismäßige Privilegierung des MfS, falls es sich um nach Art 12 Abs 1 GG unerlaubte Unrechtsbeschäftigungen gehandelt hätte. Der Gesetzgeber hat aber seine Bewertungsprärogative aufgrund der og MfS-typischen Vermischung von allgemeinen Staatsaufgaben und der SED-spezifischen Hauptaufgabe der Volksunterdrückung fehlerfrei wahrgenommen, als er – typisierend – grundsätzlich die annähernde Gleichwertigkeit zwischen dem Arbeits- und dem Unrechtsanteil des entlohnten MfS-Dienstes und insoweit dessen Qualität als Arbeit und damit als entgeltliche Beschäftigung iS des SGB VI anerkannte (§ 5 Abs 1 AAÜG). Ist jedoch die MfS-Beschäftigung zumindest annähernd gleichwertig neben der Unrechtstätigkeit als „Arbeit” iS des SGB VI bewertet, kann für das dafür gezahlte Entgelt nichts anderes gelten; denn dieses wurde einheitlich für die gesamte MfS-Beschäftigung und -Unrechtstätigkeit gezahlt. Das bedeutet, daß das MfS-Entgelt im Sachbereich des SGB VI, soweit es rentenversicherungsrechtlich erheblich sein könnte, also die Beitragsbemessungsgrenze (Anlage 3 des AAÜG) nicht übersteigt, mindestens annähernd zur Hälfte als Verdienst angerechnet werden müßte. Es ist nicht folgerichtig, die MfS-Beschäftigung – im Unterschied zur MfS-Unrechtstätigkeit -der Arbeit und Leistung iS des SGB VI gleichzustellen, das MfS-Entgelt aber eindeutig überwiegend als Unrechtsentgelt zu qualifizieren. Hierfür ist ein rechtfertigender Grund nicht ersichtlich.

n) Die Regelung, in jedem Falle höchstens das 0,7-fache des Durchschnittsentgelts Ost anzurechnen, ist – gemessen an den og Anforderungen des Art 3 Abs 1 GG – ferner zu undifferenziert:

Zwar sind – worauf der BMA richtig hingewiesen hat – mit jeder typisierenden Vorschrift Pauschalierungen notwendig verbunden. Jedoch hat der durch das Gleichheitsgebot hier – wie ausgeführt – streng gebundene Gesetzgeber schon bei der Ausgestaltung der Typisierung solche Unterschiede verhältnismäßig zu berücksichtigen, die sich im Kreis der nachteilig Betroffenen im Lichte des verfassungsgemäß verfolgten Zwecks deutlich abzeichnen und denen – immer noch typisierend – unschwer Rechnung getragen werden kann.

Da es – wie gesagt – Zweck der untersten Typisierungsstufe (§ 7 AAÜG) ist, die jetzt Steuern (und Beiträge) zahlende Generation vor der Honorierung von Unrechtsentgelten durch SGB VI-Renten zu bewahren, hätten nach Art 3 Abs 1 GG typische Unterschiede im Unrechtsgehalt von MfS-Beschäftigungen zu einer typisierend ungleichen Begrenzung der als Verdienste anzurechnenden Arbeitsentgelte führen müssen. Ansatzpunkte für eine solche verhältnismäßige Abstufung der Begrenzung liegen auf der Hand: Nach der og Hauptaufgabe des MfS ist zwingend, daß der Unrechtsgehalt der Dienste in der funktionalen Einheit des MfS typisch „hierarchisch” anstieg (zur Struktur des MfS: vgl Gill/Schröter, aaO, S 37 ff), also zB umgekehrt bis zu untergeordneten Randtätigkeiten typisch abfiel. Innerhalb des § 7 AAÜG hätte sich also zB eine Begrenzungstypik mit „umgedrehter MfS-Hierarchie” angeboten, die eine verhältnismäßige Berücksichtigung des Unrechtsanteils an den jeweils vom Berechtigten erfüllten MfS-Aufgaben ermöglicht hätte, ohne die annähernd hälftige Anrechnung des Entgelts zu unterschreiten.

o) Schließlich ist § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG gleichheitswidrig, weil er eine ausnahmslose, dh absolute Höchstbegrenzung normiert. Sogar dann, wenn man die Vorschrift als folgerichtig und hinreichend differenziert erachten wollte, läge eine derart grobe Typisierung vor, daß sie als iS von Art 3 Abs 1 GG verhältnismäßige Regelung nur Bestand haben könnte, wenn sie die vom Senat (BSGE 72, 50 ≪63≫) bereits angesprochene „Härteklausel” enthielte. Erforderlich wäre eine Regelung, die es den von dieser „Typisierung” sinnwidrig erfaßten Personen ermöglicht, in einem sachbereichsspezifisch ausgestalteten Verfahren zu beweisen, daß sie ihr Entgelt ausschließlich für die Wahrnehmung von MfS-Aufgaben erhalten haben, die sich in gleicher Weise in der allgemeinen Arbeitswelt in der früheren DDR stellten oder die ebenso in Rechtsstaaten anfielen und jeweils dort in gleicher Weise verrichtet wurden; wer nachweislich selbst in seiner Beschäftigung nichts getan hat, was nach Inhalt oder Verfahrensweise MfS-spezifisches Unrecht war, wäre von der Begrenzung auf das 0,7-fache des Durchschnittsentgelts Ost jedenfalls unverhältnismäßig im Vergleich zu den übrigen Zusatz- und Sonderversorgungsberechtigten betroffen. Darüber hinaus meint der Senat, daß eine „Härteklausel” sogar dann erforderlich ist, wenn die Ausfilterung von Unrechtsentgelten im og Sinn folgerichtig und schon in der Typisierung hinreichend differenziert ausgestaltet wird.

p) Für die derzeit vorliegende Art der „Typisierung”, die zwar Unrechtsentgelte, aber unzulässig auch Arbeitsentgelte ausfiltert, gibt es auch sonst keinen rechtfertigenden Grund. Es handelt sich nicht darum, zur Ordnung von Massenerscheinungen, wie sie insbesondere im Sozialrecht häufig sind, vereinfachende und vergröbernde Regelungen zu treffen, um einen leicht faßbaren Sachverhalt rechtlich so zu gestalten, daß er praktikabel und gleichmäßig vollzogen werden kann. Denn diese „Typisierung” steht in Widerspruch zu den tragenden Regelungen des Teilrechtsgebiets (SGB VI) und zu Art 3 Abs 1 GG. Insbesondere hat der Bundesgesetzgeber – wie die Bundesregierung auf Anfrage des Senats bestätigt hat – nicht einmal ansatzweise geprüft, ob und ggf in welchem Ausmaß MfS-Versorgte Beschäftigungen ausgeübt haben, in denen keine oder nur in sehr geringem Maße MfS-spezifische Unrechtsaufgaben zu erfüllen waren. Die „Typisierung” beruht auf keinen empirischen Grundlagen.

Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, daß diese Ausgestaltung der im Grundsatz zu rechtfertigenden Differenzierung in den Einzelheiten der Typisierung verfassungswidrig ist (im Ergebnis ähnlich Merten, aaO, S 135 bis 139; aA Papier, aaO, S 100 bis 103; M. Heintzen, VSSR 1995, 1 ≪21 ff≫; alle mwN).

q) Wäre § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG ungültig, könnte der Bundesgesetzgeber nach Auffassung des Senats den Verfassungsverstoß auf verschiedene Art und Weise beheben. Sein Gestaltungsspielraum umfaßt ua die typisierende Festsetzung von Kriterien für die abgestufte Anrechnung von MfS-Arbeitsentgelten über das hälftige unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze gezahlte Entgelt hinaus bis hin zur bloßen Ausgestaltung einer hinreichend differenzierten „Härteklausel”. Gleichwohl ist die Vorlagefrage entscheidungserheblich, weil das BVerfG ggf die Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs 1 Satz 1 iVm Anlage 6 AAÜG verbindlich feststellen könnte, so daß der Rechtsstreit bis zu einer Neuordnung durch den Bundesgesetzgeber auszusetzen, nicht aber die Revision in der Sache zu bescheiden wäre.

Nach alledem sah sich der Senat gemäß Art 100 Abs 1 GG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173862

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge