Entscheidungsstichwort (Thema)

Feststellung eines schweren Behandlungsfehlers

 

Normenkette

BGB §§ 823, 847

 

Verfahrensgang

LG Cottbus (Urteil vom 05.08.1999; Aktenzeichen 2 O 80/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) und 2) wird das am 5.8.1999 verkündete Grund- und Teilurteil der Zivilkammer 2a) des LG Cottbus abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die gegen sie gerichtete Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Beschwer: 52.587,95 Euro.

 

Tatbestand

Die am 22.12.1943 geborene Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und materiellem Schadensersatz aus Arzthaftung in Anspruch und begehrt darüber hinaus die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten auch für zukünftige materielle und immaterielle Schäden.

Am 15.2.1995 begab sich die als Lehrerin tätige Klägerin in stationäre Behandlung bei der Beklagten zu 1), um eine vordere und hintere Vaginalplastik einsetzen zu lassen. Der Eingriff sollte in Vollnarkose erfolgen. Vorbereitend wurde der Patientin zunächst ein Anamnese-Fragebogen vorgelegt, in dem sie unter der Rubrik „Lebererkrankungen” eine Gelbsucht im Jahre 1987 verzeichnete und in der Spalte „frühere Operationen” eine Gebärmutter-Operation im Jahre 1992 festhielt. In einem anschließenden Aufklärungsgespräch zwischen der Klägerin und dem als Anästhesisten tätigen Beklagten zu 2) erläuterte die Klägerin, dass sie 1987 in demselben Klinikum wegen einer Gelbsucht behandelt worden sei. Auf eine dieser Erkrankung vorausgegangene Operation einer Sprunggelenksfraktur unter Verwendung des Narkosemittels Halothan wies sie nicht ausdrücklich hin. Ob sie den Beklagten zu 2) aufforderte, Einsicht in die früheren Krankenunterlagen zu nehmen, ist zwischen den Parteien umstritten.

Am Folgetag – 16.2.1995 – wurde unter Einsatz von Halothan der operative Eingriff bei der Klägerin durchgeführt. Nach zunächst komplikationslosem Heilungsverlauf wurde die Patientin am 25.2.1995 aus der stationären Behandlung entlassen. Anfang März traten bei ihr Beschwerden auf, die am 10.3.1995 zu ihrer erneuten stationären Aufnahme bei der Beklagten zu 1) mit Symptomen eines Ikterus führten. Es wurde eine Leberentzündung im Stadium einer Leberzellnekrose bei akuter Lebensgefahr festgestellt, die von der Klägerin letztlich jedoch überwunden werden konnte. Am 15.5.1995 wurde die Klägerin entlassen. Als Dauerschaden verblieb eine erhebliche irreversible Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Leber. Mit Bescheid vom 3.7.1996 erkannte das Amt für Soziales und Versorgung C. einen Grad der Behinderung der Klägerin von 50 % an.

Die Klägerin hat behauptet, die bei ihr nach dem streitgegenständlichen Eingriff aufgetretene Leberschädigung sei auf die behandlungsfehlerhafte erneute Verwendung von Halothan zurückzuführen. Dieses Mittel habe nach ihrem Hinweis auf eine Vorerkrankung im Jahre 1987, die ebenfalls als Halothan-Hepatitis anzusehen sei, nicht mehr verwendet werden dürfen. Der Beklagte zu 2) habe es in vorwerfbarer Weise unterlassen, die früheren Krankenunterlagen einzusehen, die ihm unschwer zugänglich gewesen seien. Auf die der Hepatitis im Jahre 1987 vorausgegangene Operation habe sie aufgrund der Ausgestaltung des Fragebogens nur deshalb nicht ausdrücklich hingewiesen, weil sie davon ausgegangen sei, dass unter den dort abgefragten Operationen lediglich Eingriffe an inneren Organen gemeint gewesen seien. Darüber hinaus hat die Klägerin die Auffassung vertreten, angesichts der Vorerkrankung ihrer Leber nicht hinreichend über alternative Anästhesiemethoden aufgeklärt worden zu sein. Wenn ihr verdeutlicht worden wäre, welche Risiken aus der nochmaligen Verwendung von Halothan resultierten und dass die Möglichkeit des Einsatzes anderer Präparate bestanden habe, hätte sie in den Eingriff mit Halothan-Narkose nicht eingewilligt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 37.551,16 DM nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 11.3.1998 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner weiterhin zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 65.000 DM nebst 4 % Zinsen seit 11.3.1998 zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr sämtlichen künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der aus der Behandlung im Frühjahr 1995 herrührt, soweit Ansprüche nicht auf Dritte, insb. Träger der Sozialversicherung, übergegangen sind oder übergehen werden.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben einen Behandlungsfehler in Abrede genommen. Insbesondere habe sich aus der Anamnese keine Risikoerhöhung bei Verwendung des Narkosemittels Halothan ergeben. Halothan stelle ein seit 1956 gängiges und bewährtes Narko...

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