Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen wettbewerbsrechtlicher Irreführung bei der Werbung für Schuldnerberatung durch ausländisches Unternehmen; Voraussetzungen eines Wettbewerbsverstoßes durch unerlaubte Rechtsberatung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine missverständliche Werbeaussage ist als irreführende geschäftliche Handlung gem. § 5 Abs. 1 UWG anzusehen, wenn ein erheblicher Teil der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher (hier: verschuldeter Verbraucher) der Zielgruppe irregeführt wird (vgl. BGH, 2.10.2003 - I ZR 252/01 = GRUR 2004, 162).(Rz. 56)

2. Die gewerbliche Schuldenregulierung stellt insbesondere dann die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S.d. Art. 1 § 1 RBerG dar, als sich der Berater an die Gläubiger des verschuldeten Verbrauchers wendet und mit ihnen ein Stillhalteabkommen aushandelt (vgl. OLG Brandenburg, 16.2.1999 - 6 U 127/98, OLGReport Brandenburg 2000, 457).(Rz. 61)

3. Die Auswahl eines Rechtsanwalts stellt nach Auffassung des Senats - entgegen der vom BGH vertreten Rechtsansicht (vgl. BGH, 24.6.1987 - I ZR 74/85 =NJW 1987, 3003) - nicht die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dar, die das RBerG verbietet. Wie der weite Begriff der Rechtsbesorgung auszulegen ist, ist Ergebnis einer Abwägung der durch das RBerG geschützten Belange einerseits und der Berufsfreiheit des Einzelnen andererseits (vgl. BVerfG, 27.9.2002, 1 BvR 2251/01 =NJW 2002, 3531).(Rz. 71)

 

Normenkette

InsO § 305; RBerG Art. 1 § 1; BGB § 138; UWG § 8 Abs. 1, 3, § 5 Abs. 1, § 3; UKlaG § 4; BGBEG Art. 40 Abs. 1, Art. 42

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 17.10.2005; Aktenzeichen 12 O 585/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 29.07.2009; Aktenzeichen I ZR 166/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 17.10.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Frankfurt/O. - 12 O 585/04 - wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17.10.2005 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Frankfurt/O. - 12 O 585/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 22 weiterer verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Die Beklagte ist eine österreichische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die weder zur Rechtsberatung zugelassen noch eine Stelle i.S.v. § 305 InsO ist.

Die Beklagte versandte ein Schreiben vom 20.7.2004 an eine Verbraucherin im Bundesland B. (Bl. 30-32 d.A.), in dem es wie folgt heißt:

Sehr geehrte ...

sehr erfolgreich vermittelt unsere renommierte Gesellschaft Lösungen für Ihre finanziellen Probleme und wir möchten Ihnen unsere Dienste anbieten.

Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihnen die Finanzsanierung ab sofort zur Verfügung steht. Wir möchten Ihnen, lieber Kunde, hiermit eine verbindliche Zusage für Ihren genehmigten Finanzsanierungsvertrag wie folgt erteilen:

Vertragsvolumen: 5.000 EUR

monatliche Rate: 121,52 EUR

ca. Laufzeit: 48 Monate

Diesem Schreiben lag ein als "Vermittlervertrag" bezeichneter Vertrag an. Zum Vertragsgegenstand heißt es dort: "Auftragserteilung zur Vermittlung einer Finanz-Sanierung durch Regulierung von Krediten, Darlehen" usw. Der verschuldete Verbraucher vereinbart darin mit der Beklagten eine Vergütung von 247,50 EUR. Dies ist das Entgelt für "Aktenanlage, Kosten für Datenspeicherung in der EDV-Anlage, Erstellung von Listen, Portokosten, Nachnahmegebühr, Telefongebühren, Telefaxgebühren, Kopien, Pauschale für Sachkostenaufwand sowie Einholung des Finanzsanierungsvertrages und Verhandlungen mit der Finanz-Sanierungsgesellschaft". Weiter heißt es: "Eine Rechtsberatung durch (die Beklagte) ist ausgeschlossen. Der ... erteilte Auftrag ist erfüllt mit Ausfertigung und Überstellung der Post (Nachnahme) des unterzeichneten Finanz-Sanierungsvertrages an den Auftraggeber, unabhängig davon, ob dieser Finanz-Sanierungsvertrag vom Auftraggeber (Kunde) unterzeichnet wird."

Die Beklagte vermittelt Verträge mit der österreichischen C. Schuldnerhilfe GmbH (im Folgenden: C.), die ebenfalls keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz besitzt. Die Verträge (Bl. 50-52 d.A.) sind mit "Dienstleistungsvertrag und Entgeltliche Bevollmächtigung zur Schuldnerhilfe" überschrieben. Die C. ist dem verschuldeten Verbraucher ausweislich § 1 Nr. 3 des Dienstleistungsvertrages "bei der Bewältigung verschiedenster verwaltungstechnischer Aufgaben und Probleme im Zusammenhang mit dessen Verschuldung behilflich", insbesondere erfasst es die Schulden und Gläubiger, sichtet das Vermö...

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