Entscheidungsstichwort (Thema)

Auswirkungen der Vorschrift des § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II auf den Unterhaltsprozess

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Auswirkungen der Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II, wonach bei der Ermittlung des für die Leistungsbemessung zu berücksichtigenden Einkommens Aufwendungen zur Erfüllung gesetzlicher Unterhaltsverpflichtungen bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegten Betrag abzusetzen sind, auf den Unterhaltsprozess.

 

Normenkette

BGB § 1603 Abs. 2; SGB II § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

AG Schwedt (Urteil vom 08.06.2006; Aktenzeichen 4 F 60/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8.6.2006 verkündete Urteil des AG Schwedt abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Anhebung titulierten Kindesunterhalts ab Oktober 2005.

Der am 3.10.1993 geborene Kläger ist das Kind des am 16.10.1970 geborenen Beklagten. Er lebt im Haushalt der Mutter. Der Beklagte ist außerdem Vater der beiden Kinder K., geboren am 4.8.2003, und T., geboren am 11.2.2005. Die Ehe der Mutter des Klägers mit dem Beklagten wurde durch Urteil des AG vom 6.11.2003 (4 F 6/03) geschieden. Durch Beschluss des AG vom 14.11.2002 (4 FH 24/02) wurde der Beklagte verpflichtet, für den Kläger ab 1.8.2002 monatlichen Unterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe zu zahlen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger im Hinblick auf die Vollendung des 12. Lebensjahres Unterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe.

Durch das angefochtene Urteil vom 8.6.2006 hat das AG der Klage in der Weise stattgegeben, dass es unter Abänderung des Beschlusses vom 14.11.2002 für die Zeit von Oktober 2005 bis Juni 2007 Unterhalt i.H.v. monatlich 269 EUR und ab 1.7.2007 Unterhalt i.H.v. 100 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe zuerkannt hat. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er trägt vor:

Das vom AG angenommene erzielbare Einkommen sei zu hoch angesetzt. Er verfüge über keine abgeschlossene Berufsausbildung und könne sich daher nur auf Tätigkeiten als Hilfsarbeiter oder auf Anlerntätigkeiten bewerben. Seine Einkünfte in der Vergangenheit hätten bei zwischen 1.200 DM und max. 2.000 DM gelegen. Seit Mai 2001 sei er arbeitsuchend. Ein fiktives Nettoeinkommen aus Vollzeitbeschäftigung als Hilfsarbeiter liege bei höchstens 900 EUR.

Entgegen der Auffassung des AG müssten auch seine weiteren Kinder T. und K. berücksichtigt werden. Er erbringe zwar gegenwärtig keine Zahlungen. Es könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass Unterhaltsansprüche für diese Kinder nicht mehr geltend gemacht würden. In den Rechtswahrungsanzeigen des Landkreises

Uckermark sei er davon in Kenntnis gesetzt worden, dass der Unterhaltsanspruch infolge der Unterhaltsvorschussleistungen auf das Jugendamt übergegangen sei. Somit müsse er damit rechnen, dass das Jugendamt in diesem Umfang auch rückwirkend Zahlungsansprüche geltend mache. Daher sei eine Mangelverteilung unter Einbeziehung aller drei Kinder durchzuführen.

Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor:

Zu Recht habe das AG ein fiktives Einkommen des Beklagten von 1.100 EUR angenommen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte mit Rücksicht auf § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II zur Erfüllung titulierter Unterhaltsansprüche hinzuverdienen könne.

Wegen des Weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat die gesetzliche Vertreterin des Klägers und den Beklagten angehört.

Die gesetzliche Vertreterin des Klägers hat erklärt:

Der Beklagte und ich haben am 1.12.1993 geheiratet. Während unserer Ehe lag das höchste Einkommen, das der Beklagte erzielt hat, bei etwa 2.000 DM.

Der Beklagte hat erklärt:

Aufgrund einer Nebentätigkeit erziele ich seit November 2006 ein zusätzliches Einkommen i.H.v. 138 EUR monatlich.

II. Die zulässige Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil ist abzuändern und die Klage abzuweisen. Der Kläger kann höheren Unterhalt, als durch den Beschluss des AG vom 14.11.2002 (4 FH 24/02) tituliert, nicht verlangen.

1. Die Abänderungsklage des Klägers, mit der er höheren Unterhalt, als bislang tituliert, geltend macht, ist zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob es sich, wie vom AG angenommen, um eine Abänderungsklage nach § 323 ZPO handelt, oder ob mit Rücksicht darauf, dass der bestehende Titel im vereinfachten Verfahren nach §§ 645 ff. ZPO ...

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