Leitsatz (amtlich)

Öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche nach §§ 7 Abs. 3 BFStrG, 45 Abs. 1 Nr. 2 BbgBKG, 17 Abs. 1 S. 1 BbgStrG sind nicht als lex specialis ggü. den zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen aus Gefährdungs- bzw. Deliktshaftung anzusehen. Vielmehr stehen die jeweiligen Ansprüche konkurrierend nebeneinander, wobei die zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche tatbestandlich umfassender sind und in den öffentlich-rechtlich geregelten Bereich hineinreichen.

Der Träger der Straßenbaulast ist nicht gehalten, Erstattungsansprüche wegen Verunreinigung einer öffentlichen Straße vorrangig im Wege eines öffentlich-rechtlichen Leistungsbescheides geltend zu machen.

 

Verfahrensgang

LG Neuruppin (Urteil vom 14.01.2010; Aktenzeichen 1 O 54/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 14.1.2010 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des LG Neuruppin, Az.: 1 O 54/09, abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.939,29 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.10.2008 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Das kl. Land (= Kl.) macht ggü. dem Bekl. Ersatz der ihm durch die Beseitigung einer von einem bei dem Bekl. versicherten Lkw verursachten Ölspur auf der Bundesautobahn A 20 durch den Einsatz eines Reinigungsunternehmens entstandenen Kosten geltend.

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, zivilrechtliche Ansprüche stünden dem Kl. nicht zu, weil in den Fällen, in denen Behörden Aufgaben der klassischen Gefahrenabwehr wahrnähmen, Kostenerstattungsansprüche im Wege eines öffentlich-rechtlichen Leistungsbescheides geltend zu machen seien. Bei den öffentlich-rechtlichen Ersatzansprüchen handele es sich um eine vorrangige und abschließende Regelung, neben denen die Anwendung zivilrechtlicher Ansprüche nicht zuzulassen sei.

Die Berufung des Kl. hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 517 ff. ZPO eingelegte Berufung des Klägers ist begründet.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in der geltend gemachten Höhe aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 6 Abs. 1 AuslPflVG zu.

1. Der Kläger ist zur Geltendmachung des Anspruchs in eigenem Namen zur Zahlung an sich aufgrund einer verfassungsrechtlich begründeten Prozessstandschaft berechtigt. Der Anspruch nach § 7 Abs. 1 StVG setzt voraus, dass bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges eine Sache beschädigt wird. Hier ist durch die von dem bei dem Mitglied des Beklagten pflichtversicherten Fahrzeug verursachte Ölspur die Bundesautobahn A 20 beschädigt worden, die gem. §§ 2 Abs. 2, 5 Abs. 1 BFStrG im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland als Träger der Straßenbaulast steht. Zwar wird die Verwaltung der Bundesfernstraßen und Bundesautobahnen nach Art. 90 Abs. 2 GG durch die Länder im Auftrag des Bundes durchgeführt, so dass die Straßenbaulast durch die jeweilige Landesbehörde - hier das Landesamt für Straßenwesen - wahrgenommen wird. Die sich aus der Verwaltungskompetenz des Landes ergebende "faktische Baulast" ist jedoch von der "finanziellen Baulast" zu unterscheiden. Diese wirkt sich zwar in erster Linie im Verhältnis von Bund und Land als Träger der Auftragsverwaltung aus, auf sie kommt es aber auch an, wenn es im Verhältnis zu einem Dritten wie hier dem Beklagten nicht um den Ersatz von Schäden durch pflichtwidriges Verwaltungshandeln, sondern um die Kosten vorgenommener, durch die Verkehrssicherung erforderter Maßnahmen geht (vgl. BGH NVwZ 1990, 297 [298]; Sauthoff, Öffentliche Straßen, Rz. 909). Rechtsträger des Anspruchs auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einer Sachbeschädigung einer Bundesautobahn ist danach die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Landesamt für Straßenwesen als Vertretungsbehörde gem. § 3 Abs. 1g FStrVO. In den Fällen, in denen die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften die Fernstraßen im Auftrag des Bundes verwalten, sind sie berechtigt, Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben entstehen, im eigenen Namen kraft unmittelbaren Verfassungsrechts geltend zu machen. Die Übertragung der Erfüllung von originären Bundesaufgaben auf die Länder beinhaltet notwendigerweise auch die Übertragung der Befugnis zur eigenen Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die sich im Zusammenhang mit der Auftragsverwaltung ergeben. Mit der Verfolgung von Ersatzansprüchen wegen Beschädigung der im Eigentum des Bundes stehenden Sache nimmt der Kläger daher in der Art einer verfassungsrechtlich begründeten Prozessstandschaft die ihm gem. Art. 90 Abs. 2 GG übertragenen Aufgaben wahr (vgl. BGH NJW 1979, 864; Schneider MDR 1989, 193 [198]).

Auch die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 7 Abs. 1 StVG liegen vor. Nach dem Schadensbegriff des § 7 StVG, der demjenigen des BGB entspricht, ist eine Sache be...

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