Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Darlegungslast des Pflichtverteidigers betreffend die Erforderlichkeit von Mandantenbesuchen in der Haftanstalt. Umkehr der Beweislast nur bei Anhaltspunkten für (nicht kostenschonende) missbräuchliche Prozessführung

 

Normenkette

RVG § 46 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Neuruppin (Entscheidung vom 26.02.2014)

LG Neuruppin (Entscheidung vom 29.01.2014)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Verteidigers gegen die Beschlüsse der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 29. Januar 2014 und 26. Februar 2014 wird die Pflichtverteidigervergütung auf 2.606,44 Euro festgesetzt.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Auf Antrag des Angeklagten vom 09. November 2012 bestellte der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin am 05. April 2013 den Beschwerdeführer zum Pflichtverteidiger, nachdem er ausweislich der Vollmachtsurkunde vom 28. Oktober 2012 zunächst als Wahlverteidiger des Angeklagten tätig geworden war. Mit Anklage der Staatsanwaltschaft Neuruppin vom 13. Juli 2012 wurden dem Angeklagten und zwei weiteren Tätern bandenmäßige Begehung von 15 Taten des Einbruchsdiebstahls zur Last gelegt. Der Angeklagte befand sich bei Anklageerhebung in anderer Sache in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Neuruppin-Wulkow, er verbüßte eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren. Die Hauptverhandlung begann am 06. August 2013, es folgten drei weitere Termine im August 2013, das Urteil erging gegen alle drei Angeklagten am 12. September 2013. Der Angeklagte wurde u. a. aufgrund seines Geständnisses unter Einbeziehung der Strafen aus der vorangegangenen Verurteilung und Freispruch im Übrigen wegen Diebstahls in neun besonders schweren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren, die Mitangeklagten zu Bewährungsstrafen verurteilt. Das Urteil wurde nach Ablauf der Rechtsmittelfrist rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 16. September 2013, eingegangen am 19. September 2013, hat der Beschwerdeführer die Festsetzung und Erstattung von Kosten für die Pflichtverteidigung in Höhe von insgesamt 2.606,44 Euro, darunter Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgeld für insgesamt 8 Besuche in der JVA Luckau-Duben beantragt. Für 7 der Besuche hat er im Hinblick auf einen Besuch bei einem weiteren Gefangenen jeweils nur die halbe Gebühr gem. Nr. 7003 RVG, § 14 RVG beantragt. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 setzte die Urkundsbeamtin die Gebühren und Auslagen in Höhe von 2.322,03 Euro fest und wies den Antrag im Übrigen zurück. Nur vier der beantragten Besuche seien erstattungsfähig, nämlich der vom 06. November 2012 aufgrund der zuvor erhaltenen Anklageschrift, der vom 28. Dezember 2012 aufgrund der zuvor gewährten Akteneinsicht, der vom 26. März 2013 aufgrund der diesbezüglichen richterlichen Verfügung vom 08. März 2013 und der vom 05. Juli 2013 aufgrund der notwendigen Vorbereitung auf die am 06. August 2013 beginnende Hauptverhandlung. Hinsichtlich der darüber hinaus erfolgten Besuche am 21. Januar 2013, 22. Februar 2013, 15. Mai 2013 und 20. Juni 2013 sei weder ersichtlich noch vorgetragen, warum sie notwendig gewesen seien.

Mit seiner Erinnerung vom 13. November 2013 trägt der Beschwerdeführer vor, die vier Besuchstermine seien notwendig gewesen. Seinem Mandanten seien erhebliche, überdurchschnittliche Taten vorgeworfen worden. In Verfahren mit mehreren Angeklagten seien die Verteidiger untereinander berechtigt, die Sache inhaltlich zu besprechen, sogenannte Sockelverteidigung. Auch über solche Bemühungen habe der Angeklagte in Kenntnis gesetzt werden müssen. Der Erinnerung des Bezirksrevisors vom 16. Dezember 2013 gegen den Beschluss vom 17. Oktober 2013 half die zuständige Rechtspflegerin mit Beschluss vom 13. Januar 2014 ab und setzte die Gebühren und Auslagen des Beschwerdeführers unter Zurückweisung seiner Erinnerung auf 2.300,61 Euro fest. Dem Einwand des Bezirksrevisors entsprechend habe der Beschwerdeführer den Angeklagten am 06. November 2012 und 28. Dezember 2012 nicht in der JVA Luckau-Duben, sondern in der JVA Neuruppin-Wulkow besucht, weswegen der Beschwerdeführer Fahrtkosten in Höhe von 24,42 Euro zurückzuerstatten habe. Hiergegen hat sich der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 23. Januar 2014 mit der Begründung gewandt, er habe den Angeklagten sehr wohl an den beiden maßgeblichen Terminen in Luckau-Duben aufgesucht.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29. Januar 2014 hat der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin die Erinnerungen des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Die Festsetzung der Vergütung der Haftbesuche hätte in Gänze unterbleiben können, da ihre Vielzahl den Rahmen einer glaubhaften Erforderlichkeit sprenge und ihre Notwendigkeit nicht dargetan sei. Zwar sei die Darlegungslast eines Verteidigers auf formelle Gesichtspunkte beschränkt, jedoch könnten so ungewöhnlich viele Haftbesuche wie hier nicht allein mit dem Vorliegen eines Umfangsverfahrens dargelegt werden. Der Beschwerdeführer hätte in seinem Verg...

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