Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrenskostenhilfe für Scheidungsverfahren - Erfolgsaussicht für passiven Antragsgegner; regelmäßige Beiordnung eines Rechtsanwalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gegenüber einem erfolgversprechenden Scheidungsantrag ergeben sich im Scheidungsverfahren wegen dessen eheerhaltenden Tendenz Besonderheiten für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe an die Antragsgegnerin. Dieser ist nicht nur Verfahrenskostenhilfe zu gewähren, wenn sie sich gegen den Scheidungsantrag verteidigen will, sondern auch bei Passivität, nämlich ohne Rücksicht darauf, ob sie der Scheidung widerspricht oder ihr zustimmt und zum Versorgungsausgleich keinen eigenen Antrag stellt (vgl. BGH FamRZ 2014, 551 Rn. 8; Staudinger/Rauscher (2018) BGB § 1564, Rn. 140 Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Auflage 2016, Rn. 495, jew. m.w.N.).

2. Im Scheidungsverfahren richtet sich die Beiordnung nach §§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 121 Abs. 2 ZPO. Es gilt das Gebot der Waffengleichheit (vgl. BGH FamRZ 2011, 1138 Rn. 22).

 

Verfahrensgang

AG Senftenberg (Aktenzeichen 33 F 71/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Senftenberg vom 04.02.2019 (Erlassdatum 12.02.2019) aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen, das über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entscheiden soll.

 

Gründe

1. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Versagung von Verfahrenskostenhilfe für ein Scheidungsverfahren.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist, hat das Amtsgericht die Bewilligung abgelehnt. Die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung lasse sich nicht beurteilen, da die Antragsgegnerin sich zum Scheidungsantrag nicht positioniert habe.

2. Die nach §§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 127, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg.

Eine Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 Abs. 1 S. 1 ZPO) lässt sich mit der gegebenen Begründung nicht verneinen.

Gegenüber einem erfolgversprechenden Scheidungsantrag - der Antrag des Antragstellers entspricht den Erfordernissen des § 133 FamFG und das Trennungsjahr (§ 1566 Abs. 1 BGB) ist abgelaufen - ergeben sich im Scheidungsverfahren - der Antrag ist der Antragsgegnerin zugestellt (14r) - wegen dessen eheerhaltenden Tendenz Besonderheiten für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe an die Antragsgegnerin. Dieser ist nicht nur Verfahrenskostenhilfe zu gewähren, wenn sie sich gegen den Scheidungsantrag verteidigen will, sondern auch bei Passivität, nämlich ohne Rücksicht darauf, ob sie der Scheidung widerspricht oder ihr zustimmt und zum Versorgungsausgleich keinen eigenen Antrag stellt (vgl. BGH FamRZ 2014, 551 Rn. 8; Staudinger/Rauscher (2018) BGB § 1564, Rn. 140 Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Auflage 2016, Rn. 495, jew. m.w.N.).

Die Beiordnung richtet sich nach §§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 121 Abs. 2 ZPO. Es gilt das Gebot der Waffengleichheit (vgl. BGH FamRZ 2011, 1138 Rn. 22).

Der Senat hat die Sache zurückverwiesen, damit das Amtsgericht die dort bislang unterlassene Prüfung der Hilfsbedürftigkeit nachholen kann, § 572 Abs. 3 ZPO. Die Antragsgegnerin hat Unterhaltsansprüche gegenüber anderen Personen verneint (1 VK), obwohl nach dem Akteninhalt ein Verfahrenskostenvorschussanspruch gegen den Antragsteller (§§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 4 S. 1 BGB) in Betracht kommen könnte (vgl. 3).

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 113 Abs. 1 S 2 FamFG, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO), besteht nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13059828

FamRZ 2019, 1631

FuR 2019, 611

JurBüro 2019, 432

AGS 2019, 531

RVGreport 2020, 113

NZFam 2019, 457

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