Leitsatz (amtlich)

Die Äußerung eines Angeklagten gegenüber einem Richter ist nicht als Beleidigung (§ 185 StGB) in Form einer Schmähkritik zu werten, wenn sich die erhobenen Vorwürfe nicht in einer Diffamierung losgelöst von jedem Tatsachenbezug erschöpfen, sondern inhaltlich die gegen den Angeklagten ergangenen Entscheidungen im Strafverfahren betreffen, die zu seiner Inhaftierung geführt haben und von ihm als in hohem Maße ungerecht empfunden werden.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 07.09.2012; Aktenzeichen 27 Ns 38/12)

AG Eberswalde (Aktenzeichen 11 Ds 7/10)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 7. September 2012 bezüglich des die Tat vom 11. August 2009 betreffenden Schuldspruches der Beleidigung sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.

Insoweit wird der Angeklagte auf Kosten der Staatskasse, der auch seine diesbezüglichen notwendigen Auslagen zur Last fallen, freigesprochen.

Die weitergehende Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Eberswalde verhängte gegen den Angeklagten durch Urteil vom 23. Januar 2012 wegen Beleidigung in drei Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 12 Euro. Auf die Berufung des Angeklagten hat ihn das Landgericht Frankfurt (Oder) am 7. September 2012 - nach Einstellung hinsichtlich einer Tat gemäß § 154 Abs. 2 StPO - wegen Beleidigung in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt.

Nach den getroffenen Feststellungen übersandte der Angeklagte von ihm handschriftlich verfasste Schreiben vom 11. August 2009 an die Richterin am Amtsgericht L... und vom 2. November 2009 an den Richter am Amtsgericht G..., die das Landgericht wegen des Inhalts der Schreiben jeweils als Beleidigung wertete (§ 185 StGB). Für die Tat vom 11. August 2009 verhängte die Strafkammer eine Einzelstrafe von 20 Tagessätzen zu je 10 Euro und für die Tat vom 2. November 2009 eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 10 Euro.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.

Die zulässige Revision hat aufgrund der erhobenen Sachrüge teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung des die Tat vom 11. August 2009 betreffenden Schuldspruchs und insoweit zum Freispruch des Angeklagten. Das Landgericht hat den zu Grunde liegenden Sachverhalt rechtsfehlerhaft als Beleidigung gewertet. Die weitergehende Revision dagegen ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den getroffenen Feststellungen befand sich der Angeklagte in anderer Sache aufgrund eines gemäß § 230 StPO ergangenen Haftbefehls des Amtsgerichts Eberswalde vom 19. September 2006 in der Zeit vom 10. Oktober 2006 bis zum 13. Dezember 2006 - mit Unterbrechung für die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe - in Untersuchungshaft. Dem ging voraus, dass der Angeklagte zum Termin der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht am 19. September 2006 nicht erschien und sich mit einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entschuldigte. Die zuständige Richterin L... telefonierte daraufhin mit dem die Bescheinigung ausstellenden Arzt, der mitteilte, dass der Angeklagte nach seiner Einschätzung nicht verhandlungsunfähig sei. Auf eine Beschwerde des Angeklagten teilte ihm die Landesärztekammer mit Schreiben vom 10. Mai 2007 mit, der Arzt habe auf die Frage der Richterin, ob er verhandlungsunfähig sei, dies verneint. Diese Auskunft verstand der Angeklagte falsch und deutete sie so, als sei ihm bescheinigt worden, der Arzt habe am Telefon gegenüber der Richterin mitgeteilt, er sei verhandlungsunfähig gewesen und die Richterin habe sodann unrichtige Angaben gemacht. Die Richterin verurteilte den Angeklagten in dieser Sache zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Im Berufungsverfahren erkannte das Landgericht durch Urteil vom 14. Juli 2009 auf eine Gesamtgeldstrafe von 220 Tagessätzen zu je 5 Euro.

Das vom Angeklagten im Anschluss daran verfasste und an die Richterin adressierte Schreiben vom 11. August 2009 lautet u. a. wie folgt:

"L..., ich bringe Sie auf die Anklagebank, auf Grund Ihrer vorsätzlichen Straftaten begangen an meinem Betrieb und meiner Person und meiner Familie. Es wird Zeit, dass die Justiz von solchen Richtern und Staatsanwälten gesäubert wird. Zur Erinnerung: Falschaussage, vorsätzlich, Lüge vorsätzlich, im Zuge Haft Wulkow ‚06. Die Beweislast gegen Sie ist erdrückend (Landesärztekammer). Ihre primitive Gegenwehr, mit Anzeige - Beleidigung ist lächerlich (...)."

2. Das Landgericht hat den Inhalt des Schreibens zutreffend nicht als eine auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare Tatsachenbehauptung, sondern als Werturteil qualifiziert. Die Annahme der Strafkammer, dass es sich insoweit um eine durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß § 193 StGB nicht gerechtfertigte Beleidigung im Sinne von § 185 StGB handele, weil die Grenzen der Schmähung überschritten...

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