Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung der Einigungsgebühr gem. RVG-VV Nr. 1000, 1003 setzt voraus, dass die Parteien einen vom Gericht protokollierten Vergleich abschließen. Ein Anerkenntnis der Klageforderung nach Teilklagerücknahme erfüllt diese Anforderungen nicht.

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 1000, 1003

 

Verfahrensgang

LG Potsdam (Beschluss vom 06.04.2005; Aktenzeichen 10 O 452/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Potsdam vom 6.4.2005 - 10 O 452/04 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert beträgt 656,56 EUR.

 

Gründe

I. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG nahm die Klägerin einen Teil ihrer Zinsforderung zurück, die Beklagte erkannte den Klaganspruch im Übrigen an. Das LG hat die Beklagte durch Anerkenntnisurteil verurteilt, die mit der Klageforderung geltend gemachte Forderung nebst 2 % Zinsen zu zahlen, und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Der Rechtspfleger des LG hat mit Beschl. v. 6.4.2005 die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten festgesetzt und dabei die von der Klägerin zur Festsetzung angemeldete 1,0 Einigungsgebühr gem. RVG-VV Nr. 1000, 1003 i.H.v. 566 EUR zzgl. Mehrwertsteuer unberücksichtigt gelassen.

Gegen diesen Beschluss, der ihr am 7.4.2005 zugestellt worden ist, wendet sich die Klägerin mit ihrer am 19.4.2005 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, die Einigungsgebühr sei zu Unrecht abgesetzt worden.

Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschl. v. 13.6.2005 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem OLG Brandenburg zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat der Rechtspfleger des LG die Festsetzung der Einigungsgebühr gem. RVG-VV Nr. 1000, 1003 abgelehnt. Diese Gebühr ist nicht entstanden. Diese Gebühr setzt - wie die Vorgängervorschrift des § 23 BRAGO - voraus, dass die Parteien einen vom Gericht protokollierten Vergleich abschließen.

Zwar wird in der kostenrechtlichen Literatur unter Bezugnahme auf ältere Rechtsprechung immer noch die Auffassung vertreten, ein Anerkenntnis der Klageforderung nach Teilklagerücknahme könne die Einigungsgebühr auslösen (so z.B. Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. 2005, 1.000 RVG-VV Rz. 9 m.w.N.). Jedoch ist die gegenteilige Auffassung für die Vergleichsgebühr gem. § 23 BRAGO schon vor längerer Zeit höchstrichterlich bestätigt worden (BGH v. 26.9.2002 - III ZB 22/02, BGHReport 2003, 96 = MDR 2002, 1395 = NJW 2002, 3713), auch wenn diese Entscheidung offenbar noch nicht allseits bekannt ist (anders ist die Entscheidung OLG Naumburg, Beschl. v. 23.3.2004 - 12 W 22/04, OLGReport Naumburg 2005, 52 = Juris, nicht zu erklären).

Die Festsetzung der von der unterlegenen an die obsiegende Partei zu erstattenden Kosten erfordert klare, praktikable Berechnungsgrundlagen. Bei einer Streitbeilegung der hier in Rede stehenden Art, bei der es nicht zur Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs kommt, sondern die durch einseitige Prozesshandlungen der Parteien erreicht wird, ist oft nicht klar, ob die Handlung auf einem Konsens der Parteien beruht und ob damit darin auch materiell-rechtlich ein Vergleich liegt oder nicht. Es ist nicht Aufgabe des Rechtspflegers, im Kostenfestsetzungsverfahren diese Frage aufzuklären.

Wollen die Parteien im Kostenfestsetzungsverfahren eine Vergleichsgebühr festsetzen lassen, müssen sie einen als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleich protokollieren lassen. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall die Feststellung eines vertraglichen Konsenses der Parteien, der materiell-rechtlich die Begriffsmerkmale eines Vergleichs i.S.d. § 779 BGB erfüllt, ohne Schwierigkeiten möglich ist (BGH v. 26.9.2002 - III ZB 22/02, BGHReport 2003, 96 = MDR 2002, 1395 = NJW 2002, 3713 [3714]).

Nichts anderes gilt nach neuem Recht. Wie § 23 BRAGO nimmt auch RVG-VV Nr. 1000 auf § 779 BGB Bezug und verzichtet lediglich auf das Tatbestandsmerkmal des "gegenseitigen Nachgebens". Danach ist jedoch ebenfalls ein Vertragsabschluss erforderlich, dessen Existenz im Rahmen der Kostenfestsetzung geprüft werden muss. Ohne Schwierigkeiten kann eine Einigung bejaht werden, wenn ein Vergleich gerichtlich protokolliert wird. Gelangt die - anwaltlich beratene - Partei ohne förmlichen Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs zu einem Vollstreckungstitel, ist der Nachweis einer Einigung im Einzelfall schwierig. Deshalb gelten auch hier die vom BGH zur Vergleichsgebühr entwickelten Grundsätze. Danach kann im Kostenfestsetzungsverfahren vom Kostengläubiger nicht geltend gemacht werden, eigentlich hätten die Parteien einen Vergleich abgeschlossen, obwohl das Gericht einen Vergleich nicht protokolliert hat.

Es ist gerichtsbekannt, dass Parteien den Weg der Teilklagerücknahme und des Anerkenntnisses der verbleibenden Klageforderung wählen und gerade ...

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