Entscheidungsstichwort (Thema)

Sofortige Beschwerde im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren - keine Verwerfungsbefugnis des Ausgangsgerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahrenskostenhilfeverfahren ist das Ausgangsgericht regelmäßig an der Zulässigkeitsprüfung einer sofortigen Beschwerde mit deren Verwerfung gehindert und zur Begründetheitsprüfung verpflichtet, damit die gesetzliche Anordnung einer Selbstüberprüfung in § 572 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht leerläuft (vgl. Senat, Beschluss vom 15. November 2018 - 13 WF 199/18 -, juris)

2. Die Verwerfungskompetenz für unzulässige Beschwerden liegt in diesen Fällen allein beim Rechtsmittelgericht.

 

Verfahrensgang

AG Strausberg (Aktenzeichen 2.1 F 352/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird die Sache unter Aufhebung des Nichtabhilfebeschlusses vom 13.03.2019 an das Amtsgericht Strausberg zur Durchführung eines Abhilfeverfahrens zurückverwiesen.

 

Gründe

1. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Aufhebung von Verfahrenskostenhilfe für eine Umgangssache.

Das Amtsgericht hat die der Antragsgegnerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe mit Beschluss vom 19.12.2018 nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wegen unzureichender Mitwirkung im Überprüfungsverfahren aufgehoben (42). Der Beschluss ist der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 31.12.2018 zugestellt worden (46).

Mit Schreiben vom 15.02.2019, Eingang beim Amtsgericht am 17.02.2019 hat die Antragsgegnerin unter Hinweis auf eine bereits am 01.10.2018 eingereichte Erklärung sofortige Beschwerde erhoben (46a ff., 117).

Mit Nichtabhilfebeschluss vom 13.03.2019 hat das Amtsgericht die sofortige Beschwerde ohne Sachprüfung dem Senat als verfristet vorgelegt (118).

2. Die nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127, 567 ff ZPO statthafte sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin führt zur Aufhebung des Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses.

Das Amtsgericht hat die ihm nach § 572 Abs. 1 S 1 ZPO obliegende Abhilfeprüfung unterlassen. Diese hat sich mit der Begründetheit zu befassen und ist dem Amtsgericht unabhängig von einer Zulässigkeit eröffnet (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 572 ZPO, Rn. 14 m.w.N.), die im Abhilfeverfahren keine Rolle spielt (vgl. Musielak/Voit/Ball ZPO § 572 Rn. 4), und deren Prüfung § 572 Abs. 2 S 1 ZPO ausdrücklich dem Beschwerdegericht zuweist. Die Befristung der Beschwerde wird damit keineswegs gegenstandslos, sondern versperrt der zu spät eingelegten Beschwerde eine sachliche Überprüfung durch das Beschwerdegericht. Die in § 572 Abs. 1 S 1 ZPO angeordnete Pflicht des Ausgangsgerichts zur Selbstüberprüfung besteht demgegenüber, um nicht ihrerseits leerzulaufen, jedenfalls bei abänderbaren Entscheidungen ohne materielle Rechtskraft (vgl. MüKoZPO/Lipp ZPO § 572 Rn. 7; BeckOK ZPO/Wulf ZPO § 572 Rn. 6). Beschlüsse, mit denen Verfahrenskostenhilfe versagt wird, erlangen keine materielle Rechtskraft (vgl. BGH NJW 2009, 857 Rn. 11; Gottschalk, in: Dürbeck/Gottschalk, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 16. Aufl. Rn. 628 m.w.N.).

Mit der Begründetheit der gegen die Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe gerichteten sofortigen Beschwerde hat sich das Amtsgericht gar nicht befasst. Es hat nicht geprüft, ob das Beschwerdevorbringen zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung ausreichen könnte.

Der Senat könnte den Verfahrensfehler, unter dem das Abhilfeverfahren leidet, bedeutungslos werden lassen und selbst in der Sache entscheiden, müsste dann allerdings die Beschwerde verwerfen (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 572 Abs. 2 ZPO). Er wählt demgegenüber die Aufhebung und Zurückverweisung zur erneuten Durchführung des Abhilfeverfahrens in der Ausgangsinstanz (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 572 ZPO, Rn. 4). So ist sichergestellt, dass die Begründetheit der Beschwerde überhaupt überprüft wird und das Abhilfeverfahren seine Funktion der Selbstkontrolle des erstinstanzlichen Gerichts entfalten kann (vgl. Senat, Beschluss vom 15. November 2018 - 13 WF 199/18 -, juris).

Über die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO).

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO), besteht nicht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13038975

FamRZ 2019, 1155

AGS 2019, 245

FF 2019, 219

NJW-Spezial 2019, 412

NZFam 2019, 553

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