Verfahrensgang

AG Königs Wusterhausen (Entscheidung vom 03.06.2019; Aktenzeichen 2 OWi 59/19)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 3. Juni 2019 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die der Betroffenen darin entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 31 km/h zu einer Geldbuße von 160,00 € verurteilt und mangels grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers kein Fahrverbot verhängt.

Nach den getroffenen Feststellungen befuhr die Betroffene mit dem PKW mit amtlichem Kennzeichen ... in S... OT G... die R... in Fahrtrichtung B..., 590m vor der Beschilderung des Ortausgangs, mit einer Geschwindigkeit von 81 km/h, wobei sie "in der Annahme, die Ortschaft bereits verlassen zu haben," die innerorts geltende Höchstgeschwindigkeit überschritt, was sie unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können. Im Hinblick auf die Besonderheiten der Örtlichkeit der Messstelle, an der die ortsunkundige Betroffene die bebaute Ortslage bereits mehrere 100 m verlassen habe, hat das Amtsgericht in subjektiver Hinsicht einen groben Pflichtverstoß verneint.

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Cottbus Rechtsbeschwerde eingelegt, die Verletzung sachlichen Rechts gerügt und die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch beantragt. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist dem Rechtsmittel beigetreten.

II.

Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei eine grobe Pflichtverletzung verneint und deshalb folgerichtig von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen.

Zwar kommt angesichts des festgestellten Verkehrsverstoßes der Betroffenen die Anordnung eines Fahrverbotes wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht, weil die Zuwiderhandlung eine grobe Pflichtverletzung indiziert, bei der nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ein Fahrverbot zu verhängen ist. Darüber hinaus liegt nach der Rechtsprechung des Senats ein Ausnahmefall, der ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigt, nicht ohne weiteres bereits dann vor, wenn ein Fahrzeugführer nach Verlassen des Ortskerns aufgrund dünner werdender Besiedelung und weitgehend fehlender Bebauung angenommen hat, sich bereits außerhalb der Ortschaft zu befinden (Senat, Beschl. v. 31. Mai 2016 - [2 B] 53 Ss-OWi 116/16 [57/16]; Beschl. v. 2. November 2017 [2 B] 53 Ss-OWi 576/17 [267/17]; vgl. auch BayObLG NZV 1997, 89, 90; OLG Hamm DAR 2001, 322, 323). Entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung steht dieser Fall dem bloßen Übersehen eines Verkehrszeichens nicht gleich: Im Gegensatz zu demjenigen, der infolge eines auf einfacher Fahrlässigkeit beruhenden Augenblicksversagens eine die Höchstgeschwindigkeit regelnde Beschilderung nicht wahrnimmt und deshalb über die Geschwindigkeitsbeschränkung irrt, begeht derjenige, der kein Verkehrsschild übersehen hat, sondern dies lediglich glaubt und aufgrund äußerer Umstände irrig eine Aufhebung der zunächst wahrgenommenen Geschwindigkeitsbeschränkung annimmt und seine Fahrgeschwindigkeit daraufhin erhöht, einen grundlegend anders gelagerten und regelmäßig gravierenderen Pflichtenverstoß. Ursächlich für den Irrtum über die geltende Höchstgeschwindigkeit ist in diesem Fall nicht eine bloß flüchtige Unaufmerksamkeit, sondern im Regelfall entweder ein gänzlich unaufmerksames, die Geschwindigkeitsregelungen ignorierendes Fahrverhalten oder aber ein aktiver gedanklicher Prozess, bei dem der Betroffene Vermutungen über die Fortgeltung der Geschwindigkeitsbeschränkung anstellen und dabei besorgen muss, mit der Annahme, das Ortsausgangsschild übersehen zu haben, falsch zu liegen (Senat, Beschl. v. 2. November 2017 [2 B] 53 Ss-OWi 576/17 [267/17]).

Die angefochtene Entscheidung kann gleichwohl Bestand haben, weil im Hinblick auf die Lage der Messstelle, die nach den zugrunde liegenden tatgerichtlichen Feststellungen mehrere 100 m außerhalb der bebauten Ortslage, an einem vereinzelten rechtzeitigen Gehöft, in einem Bereich rechts und links befindlicher Felder und einer alleeartig mit Bäumen gesäumten Straße gelegen ist, außergewöhnliche Besonderheiten gegeben sind, aufgrund derer das Amtsgericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei davon ausgehen durfte, dass die ortsunkundige Betroffene bei ihrer Annahme, sich bereits außerorts zu befinden, einen in subjektiver Hinsicht weniger schwerwiegenden, auf flüchtiger Unaufmerksamkeit beruhenden und nicht als grob zu bewertenden Pflichtenverstoß begangen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1, Abs. 2 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 13471656

SVR 2...

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