Leitsatz (amtlich)

Zum vorübergehenden Ausschluss des Umgangs bei gleichzeitiger Verpflichtung des Obhutselternteils, regelmäßig Fotos des gemeinsamen Kindes zu übersenden und Auskunft über den Gesundheitszustand des Kindes zu erteilen, verbunden mit der Anregung des Beschwerdegerichts, beim AG unverzüglich ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB gegen den Obhutselternteil einzuleiten.

 

Normenkette

BGB §§ 1684, 1686, 1666

 

Verfahrensgang

AG Bernau (Beschluss vom 19.07.2013; Aktenzeichen 6 F 318/13)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Mutter wird der Beschluss des AG Bernau bei Berlin vom 19.7.2013 abgeändert.

Der Vollzug des Beschlusses des AG Bernau bei Berlin vom 12.3.2012 (6 F 109/10) wird bis zum 31.1.2016 ausgesetzt.

Der Mutter wird aufgegeben, dem Vater zum 15.8.2015 und sodann jeweils zum 15.11., 15.2., 15.5. und 15.8. eines jeden Jahres ein Foto des gemeinsamen Kindes zu übersenden, ebenso Fotos des Kindes anlässlich von Feierlichkeiten, die in Bezug auf das Kind stattfinden, wie Feiern des Geburtstages des Kindes oder der Einschulung des Kindes.

Der Mutter wird aufgegeben, dem Vater zum 15.8.2015 und sodann jeweils zum 1.1. und 1.7. eines jeden Jahres Auskunft über den Gesundheitszustand des Kindes zu erteilen und hierzu jeweils aktuelle Atteste der behandelnden Ärzte und Therapeuten des Kindes vorzulegen.

Die Mutter wird darauf hingewiesen, dass das Gericht im Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Anordnungen ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann oder die Anordnung eines Ordnungsgelds keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft anordnen kann.

Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden den Eltern je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Eltern streiten um den Umgang des Vaters mit dem Kind.

F. wurde am... 8.2008 geboren. Bereits nach der Geburt traten bei ihr Behinderungen auf. Durch Feststellungsbescheid des Landesamtes für Soziales und Versorgung vom 17.6.2011 wurde bei F. ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt. Als Gesundheitsstörungen wurden Taubheit und Blutarmut berücksichtigt.

Die Eltern trennten sich im Januar 2009. Die Mutter lebte in einer neuen Partnerschaft mit Herrn M. M. Aus dieser Verbindung ist das Kind J. geboren am... 10.2010, hervorgegangen. Am 11.2.2011 hat die Mutter ihren Partner geheiratet. Unter dem 5.8.2013 haben die Mutter und ihr Ehemann den Antrag gestellt, dass F. von ihrem Stiefvater als Kind angenommen wird. Eine Entscheidung in diesem Adoptionsverfahren (6 F 703/13) ist zunächst mangels vorgelegter Einwilligung des leiblichen Vaters nicht ergangen.

Das weitere Kind der Mutter und ihres Ehemannes, P., ist am... 7.2014 zur Welt gekommen. Unter dem 1.9.2014 hat der Ehemann der Mutter, Herr M. M., erklärt, aufgrund einer Änderung der Familiensituation, d.h. der Trennung von seiner Frau, trete er von seinen Adoptionsabsichten hinsichtlich F.s zurück.

Zwei Strafverfahren gegen den Vater, eines wegen Bedrohung gemäß § 241 StGB (208 Js 5355/08) und eines wegen Körperverletzung gemäß § 223 StGB (218 Js 15202/08), jeweils zum Nachteil der Mutter, stellte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) unter dem 24.4.2008 bzw. 24.2.2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.

Erstmals unter dem 7.8.2009 begehrte der Vater Umgang mit dem Kind. In der Verhandlung vor dem AG vom 28.10.2009 (6 F 465/09) schlossen die Eltern eine Vereinbarung dahin, dass der Vater mit dem Kind zweimal im Monat für die Dauer von einer Stunde begleiteten Umgang haben sollte, wobei dieser Umgang in die Verantwortung des Jugendamtes... gelegt wurde. Eine ausdrückliche Billigung der Vereinbarung durch das AG wurde nicht ausgesprochen. Bei Protokollierung der Vereinbarung wurde einleitend zu Protokoll gegeben, die Eltern schlössen "verfahrensabschließend" die Vereinbarung.

Ein unter dem 24.1.2010 eingeleitetes Umgangsverfahren nahmen die Großeltern väterlicherseits mit Schreiben vom 4.4.2012 zurück.

Mit Schriftsatz vom 29.1.2010 beantragte der Vater im Wesentlichen eine Ausdehnung des begleiteten Umgangs auf zwei Stunden. In jenem amtsgerichtlichen Verfahren (6 F 109/10) ordnete das AG durch Beschluss vom 1.6.2010 die Einholung eines Sachverständi-gengutachtens mit dem ausdrücklichen Auftrag, eine einvernehmliche Regelung zu finden, an. Unter dem 24.9.2010 legte der Sachverständige M. L. in B. sein Gutachten vor. In jenem Gutachten ist davon die Rede, dass sich die Eltern auf einen Umgang des Vaters mit F. 14-tägig für zwei Stunden in Begleitung der Großmutter mütterlicherseits geeinigt hätten. Bei der Umsetzung dieser Vereinbarung war die Mutter aber offenbar nicht mitwirkungsbereit. Hierauf bestellte das AG durch Beschluss vom 18.4.2011 die Verfahrensbeiständin. Im Anhörungstermin vor dem AG vom 19.5.2011 waren beide Elternteile anwesend, ebenso neben dem Vertreter des Jugendamts und der Ve...

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