Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindesunterhalt- Leistungsfähigkeit des Barunterhaltsschuldners bei Verbleiben im von ihm finanzierten früheren Familienheim im beiderseitigen Eigentum der Eltern; Verfahrenskostenvorschussanspruch gegen seinen betreuenden Elternteil

 

Leitsatz (amtlich)

1. Geht es um die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners gegenüber einem minderjährigen Kind, ist die Höhe des dem Pflichtigen zuzurechnenden Wohnwertes grundsätzlich mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete zu bemessen (vgl. BGH FamRZ 2014, 923 Rn. 19; Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, § 1 Rn. 577a).

2. Den barunterhaltspflichtigen Elternteil kann die Obliegenheit treffen, einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch (vgl. § 426 Abs. 1 BGB) gegen den betreuenden Elternteil als Vermögenswert, wie andere Ansprüche auch, zur Deckung seiner Mindestunterhaltsverpflichtung zu realisieren.

3. Ein minderjähriges Kind hat in entsprechender Anwendung des § 1360a Abs. 4 BGB für einen Unterhaltsprozess einen Verfahrenskostenvorschussanspruch gegen seinen betreuenden Elternteil (vgl. Staudinger/Klinkhammer (2018) BGB § 1610, Rn. 211), den als Unterhaltspflichtiger eine besondere Verantwortung trifft (vgl. BGH, Beschluss vom 04. August 2004 - XII ZA 6/04 -, Rn. 13, juris) und der nach dem unterhaltsrechtlichen Maßstab der Billigkeit in dem Maße in Anspruch zu nehmen ist, wie dies bei einer eigenen Prozessführung der Fall wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 04. August 2004 - XII ZA 6/04 -, Rn. 20, juris).

 

Verfahrensgang

AG Neuruppin (Aktenzeichen 55 F 201/17)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom 04.07.2018 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

Wert der Beschwerde: bis 5 000 EUR

II. Der Antrag des Antragsgegners, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Der beschwerdeführende Antragsgegner wendet sich gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhalts für den Antragsteller, seinen Sohn.

Dieser ist am ....2012 geboren, einkommens- und vermögenslos und lebt bei seiner Mutter, die ihn gesetzlich vertritt.

Der Antragsgegner hat Leistungsunfähigkeit eingewandt, dazu im Wesentlichen geltend gemacht, sein Einkommen sei zu bereinigen um Zahlungen auf allein durch ihn bediente Kredite zur Finanzierung einer ihm und der Kindesmutter jeweils hälftig gehörende Wohnimmobilie, in der er lebt.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf den der Senat wegen der weiteren Einzelheiten des

erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist (159), hat das Landgericht den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen und laufenden Kindesunterhalts i.H.v. 100 % des Mindestunterhalts ab 01.10.2016 verpflichtet. Zur Einkommensermittlung des Antragsgegners hat es einen Wohnwert in Höhe einer objektiv erzielbaren Marktmiete angenommen und in den Annuitätenraten enthaltene Tilgungsanteile unberücksichtigt gelassen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Abweisungsbegehren uneingeschränkt weiter. Das Amtsgericht habe den Wohnwert zu hoch angesetzt, sowie Tilgungsanteile und berufsbedingte Aufwendungen fehlerhaft unberücksichtigt gelassen.

Er beantragt der Sache nach,

den Antrag des Antragstellers unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses abzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes verweist der Senat auf den Schriftsatzwechsel im Beschwerderechtszug. Er entscheidet, wie angekündigt (187), ohne mündliche Verhandlung (§§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S 2 FamFG), von der weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten waren.

II. Die nach §§ 58 ff FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Das tatsächliche Einkommen des Antragsgegners für 2016 ermittelt sich bereinigt auf 1381,96 EUR (1398,55 EUR -16,59 EUR). Das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen von 1398,55 EUR hat der Antragsgegner eingeräumt (137), eine von ihm zu leistende Winterbauumlage in Höhe von 1,186 % seines Nettoeinkommens hat der Antragsteller nicht bestritten.

Berufsbedingte Aufwendungen in 2016 bleiben mangels konkreter Darlegung (vgl. Nr. 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, fortan auch: LL) unberücksichtigt.

Die Zahlungen von 20 EUR (vgl. 51 ff) monatlich sind ausgewiesen als Vermögensbildung, wären allenfalls im Rahmen einer zusätzlichen Altersvorsorge abzugsfähig und bleiben hier außer Ansatz. Aufwendungen des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils für eine zusätzliche Altersversorgung sind unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig, solange die Leistung des Mindestunterhalts infrage steht (vgl. BGH FamRZ 2013, 616; Nr. 10.1 LL-BRB).

Der Wohnwert entspricht, w...

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