Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO bei Verstoß gegen Anordnungen nach dem GewSchG

 

Leitsatz (amtlich)

Hat der Antragsgegner, dem durch Beschluss des AG untersagt worden ist, die von der Antragstellerin bewohnte Wohnung zu betreten bzw. sich der Antragstellerin bis auf eine Entfernung von 100 m zu nähern oder Verbindung zu ihr, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen, gegen diese Anordnung verstoßen und beruft sich darauf, die Androhung mangels ausreichender Sprachkenntnisse nicht zur Kenntnis genommen zu haben, liegt jedenfalls schuldhafte Nichtkenntnis vor, welche die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO rechtfertigt.

 

Normenkette

FGG § 64b Abs. 4; ZPO § 890; GVG § 184

 

Verfahrensgang

AG Schwedt (Beschluss vom 19.10.2005; Aktenzeichen 4 F 190/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf bis zu 600 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. §§ 64b Abs. 4 FGG, 793 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das AG hat gegen den Antragsgegner zu Recht ein Ordnungsgeld festgesetzt.

Dem Antragsgegner ist durch Beschluss des AG vom 19.8.2005 (4 F 163/05) untersagt worden, die von der Antragstellerin bewohnte Wohnung zu betreten, sich der Antragstellerin bis auf eine Entfernung von 100 m zu nähern und Verbindung zur Antragstellerin, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen. Gegen diese Anordnung hat der Antragsgegner nach Erlass des Beschlusses unstreitig verstoßen. In einem solchen Fall findet gem. § 64b Abs. 4 FGG die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, insb. nach § 890 ZPO, statt. Gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ist, wenn der Schuldner der Verpflichtung zuwider handelt, eine Handlung zu unterlassen, wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers ein Ordnungsgeld festzusetzen, wobei dem eine entsprechende Androhung vorauszugehen hat. Die Voraussetzungen für die Festsetzung des Ordnungsgeldes liegen hier vor.

Ein Ordnungsgeld ist dem Antragsgegner bereits durch den Beschluss vom 19.8.2005 angedroht worden. Gegen die Unterlassungsanordnung hat der Antragsgegner verstoßen. Auch kann er sich nicht darauf berufen, den Beschluss vom 19.8.2005 auf Grund mangelnder Sprachkenntnis von seinem Sinn her nicht verstanden zu haben.

Allerdings setzt die Verhängung eines Ordnungsmittels nach § 890 ZPO Verschulden voraus (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 890 Rz. 5; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 890 Rz. 21 ff.). Dabei bedarf es nicht zwingend vorsätzlichen Verhaltens; vielmehr genügt Fahrlässigkeit (Saenger/Pukall, ZPO Handkommentar, § 890 Rz. 7; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 890 Rz. 15; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 890 Rz. 5). Verschulden liegt nur vor, wenn der Schuldner die Androhung kannte oder schuldhaft nicht kannte (Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 890 Rz. 5). Vorliegend kann dahinstehen, ob der Antragsgegner, wie von ihm behauptet, die Androhung mangels ausreichender Sprachkenntnisse nicht zur Kenntnis genommen, also nicht gekannt hat. Denn es liegt dann jedenfalls schuldhafte Nichtkenntnis vor.

Gemäß § 184 GVG ist die Gerichtssprache deutsch. Gerichtliche Entscheidungen ergehen daher in deutscher Sprache. Eine Übersetzung ist von Amts wegen auch dann nicht beizufügen, wenn der Betroffene die deutsche Sprache nicht versteht (Zöller/Gummer, ZPO, 25. Auf., § 184 GVG, Rz. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 64. Aufl., § 184 GVG Rz. 2). Rechtsmittelfristen werden daher auch allein durch Zustellung in deutscher Sprache abgefasster Entscheidungen in Lauf gesetzt (BSG, Urt. v. 22.10.1986 - 9a RV 43/85, MDR 1987, 436). Bestehende Sprach- und Verständigungsschwierigkeiten erfordern zwar eine angemessene Berücksichtigung. Unzureichende Sprachkenntnisse entheben aber nicht jeglicher Sorgfaltspflicht in der Wahrung eigener Rechte (BVerfGE 42, 120, [126 f.]; BSG, Urt. v. 22.10.1986 - 9a RV 43/85, MDR 1987, 436). So ist anzunehmen, dass eine der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtige Partei sich nicht zureichend um die Verfolgung ihrer Interessen kümmert, wenn sie den Inhalt eines gerichtlichen Beschlusses jedenfalls insoweit erfasst hat, dass es sich um ein amtliches Schriftstück handeln könnte, das eine sie belastende Verfügung enthält, und sie sich gleichwohl nicht rasch Gewissheit über den genauen Inhalt verschafft (BVerfGE, 42, 120, [126 f.]). Davon ist vorliegend auszugehen. Der Beschluss des AG vom 19.8.2005 war mit dem "Brandenburgischen Adler" als Landeswappen versehen, sodass der Antragsgegner, der immerhin seit dem Jahr 2002 in Deutschland lebt, von der Zustellung eines amtlichen Schriftstückes ausgehen musste. Dann aber hätte er sich unverzüglich darum bemühen müssen, Kenntnis vom genauen Inhalt des Schriftstücks zu erhalten. Allein die Behauptung, zwei Bekannte, die ihm in der Vergangenheit bei der Übersetzung von Schriftstücken behilflich gewesen seien, seien zum Zeitpunkt der Zustellung des Beschluss...

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