Zusammenfassung

 
Überblick

Gegenstand der Mitbestimmung in § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist die technische Datenerhebung und Datenverarbeitung nur insoweit, als sie die Überwachung von Verhalten und Leistung der Arbeitnehmer betrifft. Außerhalb derartiger Angelegenheiten besteht kein Mitbestimmungsrecht. So muss mit dem Betriebsrat keine Einigung darüber erzielt werden, ob für die Arbeitsprozesse und -abläufe überhaupt technische Einrichtungen eingeführt werden und zur Anwendung gelangen. Die Beteiligung findet nur unter dem Gesichtspunkt der Verhaltens- und Leistungskontrolle statt. Aus ihr ergibt sich ein allgemeines Mitbestimmungsrecht in Bezug auf den Schutz der Beschäftigtendaten nach § 26 BDSG bzw. der DSGVO.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen richtet sich nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

1 Allgemeines

Der Betriebsrat hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen.

Der Persönlichkeitsschutz ist der zentrale Zweck der Mitbestimmungsnorm. Durch die technische Ermittlung von Verhaltens- und Leistungsdaten geht eine besondere Gefahr aus, denn der Arbeitnehmer ist einer anonymen Kontrolle ausgesetzt. Zudem ermöglicht die Datenverarbeitung und Aufzeichnung, dass Informationen stets verfügbar bleiben und nicht "vergessen" werden können. Die Mitbestimmung soll verhindern, dass der Arbeitnehmer zum Objekt einer Überwachungstechnik gemacht wird.[1]

Ihm kann daher im Mitbestimmungsverfahren nicht verboten werden, technische Einrichtungen zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer einzusetzen. Bei Einführung und Anwendung ist allerdings zwingend der Betriebsrat zu beteiligen. Nach dem Bundesarbeitsgericht ist Inhalt des Mitbestimmungsrechts nicht der Schutz der Arbeitnehmer vor einer Überwachung ihres Verhaltens und ihrer Leistung, sondern der Schutz vor den besonderen Gefahren einer Überwachung unter Einsatz technischer Einrichtungen.[2]

Dem Mitbestimmungsrecht kommen 3 Ziele zu:

  • präventiver Schutz vor rechtlich unzulässigen Eingriffen,
  • Mitbeurteilungsrecht bei der oft schwierigen Ermittlung der Grenze zwischen zulässigem und unzulässigem Eingriff,
  • Mitgestaltung im Rahmen zulässiger Eingriffe.

Bei der Ausübung des Mitbestimmungsrechts müssen Arbeitgeber und Betriebsrat gemäß § 75 Abs. 2 BetrVG die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer schützen und fördern. Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG erfasst technische Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dazu gehört auch die "bloße" technische Auswertung von manuell erhobenen Informationen durch eine technische Einrichtung.[3] Gegenstand der Überwachung muss das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer sein.

Um die Mitbestimmungsrechte auszulösen, muss die Überwachung mittels einer "technischen Einrichtung" erfolgen. Technisch ist die Einrichtung dann, wenn sie ein optisch, mechanisch, akustisch oder elektronisch funktionierendes Gerät darstellt. Angesichts fortschreitender Digitalisierung ist die Zahl der technischen Überwachungseinrichtungen fast unübersehbar geworden. In dem Moment, wo ein digital gesteuerter Prozess Beschäftigtendaten erfasst, handelt es sich um eine solche Überwachungseinrichtung.[4] Dabei muss die Überwachung durch die Einrichtung über das individuelle Wahrnehmungsvermögen eines kontrollierenden Menschen hinaus erweitert werden, sodass der Überwachungsvorgang vom menschlichen Wahrnehmungsvermögen mehr oder weniger abgekoppelt und unabhängig wird. Gefordert wird zudem eine eigenständige Kontrollwirkung der technischen Einrichtung.

 
Praxis-Beispiel

Keine technische Einrichtung

  • Überwachung durch Personen, etwa Vorgesetzte, Privatdetektive, Werkschutz, Revisoren etc.[5],
  • manuelle Arbeitszeitmessung mittels Stoppuhr.[6]
  • Kundenbefragung[7], anders aber, wenn sie z. B. durch Plattformen oder Social Media im Internet erfolgt.
  • sonstige organisatorische Maßnahmen zur Verhaltens- und Leistungskontrolle, wie selbst erstellte Tätigkeitsberichte, Erledigungslisten, Arbeitsbücher, persönlich auszufüllende Zeitkarten,
  • Festsetzungsmechanismus für die Bandgeschwindigkeit (mangels eigenständiger Kontrollwirkung),
  • Warnlampen, Drehzahlmesser, Stückzahlzähler, soweit nur Daten der Maschine abgefragt und keine Bediener- oder Benutzerkontrolle damit verbunden werden,
  • Nutzung von Navigationsprogrammen wie Google Maps zu Abrechnungszwecken.
 
Praxis-Beispiel

Technische Einrichtungen

  • Film- oder Fernsehkameras, Multimomentkameras,
  • Abhör- oder Tonbandaufzeichnungsgeräte,
  • EDV-Anlagen mit bestimmter Software, die eine Aussage über Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer ermöglichen,
  • Stechuhr, Zeitstempler, Zeiterfassungsanlagen,
  • Erfassung von Telefongespräche...

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