Rn 5

Ist über das Vermögen eines Emittenten ein Insolvenzverfahren eröffnet, haben die Vorschriften der InsO grundsätzlich Vorrang vor den Normen des SchVG. Nur § 19 enthält in seinen Absätzen 2 bis 5 den Bestimmungen der InsO ausnahmsweise vorgehende Sondervorschriften.[4] Der Vorrang der InsO reicht wiederum jedoch nur so weit, wie sich der Regelungsgehalt der InsO überhaupt erstreckt. Verhält sich die InsO zu bestimmten Fragen nicht, kommen wieder die Vorschriften des SchVG zur Anwendung.[5]

 

Rn 6

Der Vorrang der InsO betrifft daher insbesondere die Geltendmachung von Zahlungsansprüchen durch die Anleihegläubiger. Insoweit sind für die Rückzahlungsansprüche der Zeichner §§ 87, 174 ff. InsO zu beachten. Die Vorgaben der InsO über die Geltendmachung von Ansprüchen sind im Übrigen auch vom gemeinsamen Vertreter – auch soweit es um seine Vergütungsforderung geht – zu beachten, weshalb deren Feststellung als Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 54 InsO nicht in Betracht kommt.[6] Des Weiteren wird auch eine Sicherung, die ein Schuldverschreibungsgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach dem Antrag durch Zwangsvollstreckung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen erlangt hat, mit der Verfahrenseröffnung unwirksam (§ 88 InsO). Auch sieht sich ein Schuldverschreibungsgläubiger dem Vollstreckungsverbot des § 89 InsO während des laufenden Verfahrens gegenüber. Schließlich muss auch ein Anleihegläubiger damit rechnen, vom Insolvenzverwalter des Emittenten nach den Vorschriften über die Insolvenzanfechtung in Anspruch genommen zu werden, wenn die Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestandes (§§ 129 ff. InsO) vorliegen.

 

Rn 7

Umgekehrt enthält die InsO keine Bestimmungen, die die Beschlussfassung der Anleihegläubiger außerhalb der Gläubigerversammlung i.S.d. § 156 InsO regeln, sodass diesbezüglich auf die Normen des SchVG zurückgegriffen werden kann.[7] Ebenso befasst sich die InsO z.B. nicht mit den für das Innenverhältnis zwischen dem gemeinsamen Vertreter und den Anleihegläubigern geltenden Regelungen. Auch insoweit ist also auf die Vorschriften des SchVG zurückzugreifen.[8]

 

Rn 8

Aus § 19 Abs. 1 kann im Übrigen nicht entnommen werden, dass erst mit Insolvenzeröffnung die Vorschriften der InsO Vorrang vor den Normen des SchVG haben. Vielmehr sind die insolvenzrechtlichen Vorschriften auch schon vor Verfahrenseröffnung, d.h. im Antragsverfahren zu berücksichtigen. Es ist daher z.B. auch einem Schuldverschreibungsgläubiger untersagt, während des Eröffnungsverfahrens, sofern Sicherungsmaßnahmen durch das Insolvenzgericht angeordnet wurden, gegen den Schuldner zu vollstrecken (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InsO).[9]

[5] Rüberg, Die Anleihe in der Insolvenz, S. 42.
[7] A.A. Veranneman-Fürmaier, § 19 Rn. 28.
[8] Rüberg, Die Anleihe in der Insolvenz, S. 42.
[9] In diesem Sinne auch Cranshaw, BKR 2008, 504 (509); Thole, ZIP 2014, 293 (295).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge