Rn 1

Nachdem in § 1 die Berechnungsgrundlage und in § 2 die Berechnung der Regelvergütung nach dem Wert der Insolvenzmasse geregelt wurde, folgen in § 3 die Kriterien für die Festsetzung einer angemessenen Vergütung des Insolvenzverwalters unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls. § 3 ist damit eine Konkretisierung des bereits in § 63 Abs. 1 Satz 3 InsO enthaltenen materiell-rechtlichen Grundsatzes, dass dem Umfang und der Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters durch Abweichungen von dem nach § 2 ermittelten Regelsatz Rechnung getragen werden muss. Außerdem soll mit der Vorschrift das bereits für die Vorgängerregelung § 4 VergVO aufgestellte verfassungsrechtliche Gebot erfüllt werden, dem Insolvenzverwalter eine angemessene und auf den jeweiligen Einzelfall bezogene Vergütung zu gewähren.[1] § 3 stellt also ein Korrektiv zu den starren, ausschließlich auf den Wert der Insolvenzmasse bezogenen Regelsätzen in § 2 dar, indem die Vorschrift tätigkeitsbezogene Zu- und Abschläge gegenüber der rein statisch ermittelten Regelvergütung ermöglicht[2], der wiederum systematisch ein fiktiver, aber ebenso statischer Normalfall zugrunde liegt. § 3 ist damit eine der zentralen Vorschriften des insolvenzrechtlichen Vergütungsrechts, die nach den gesetzlichen Vorgaben des § 63 Abs. 1 Satz 3 InsO anhand von Regelbeispielen die individuelle Anpassung der Verwaltervergütung in einer unbestimmten Vielzahl denkbarer Fallkonstellationen ermöglichen soll. Es handelt sich also in § 3 im Gegensatz zu § 1 Abs. 2 nicht um eine abschließende Regelung oder eine enumerative Aufzählung der möglichen Zu- und Abschlagsfälle, sondern es wird durch die Verwendung des Begriffs "insbesondere" zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Regelung nur um eine beispielhafte Aufzählung handelt, wodurch gewährleistet ist, dass auch nicht ausdrücklich geregelte Umstände, die Einfluss auf den Umfang und die Schwierigkeit der Geschäftsführung des Verwalters haben, die Höhe der Vergütung beeinflussen können.[3] Mit diesem System kann rechtssystematisch in jedem konkreten Einzelfall eine angemessene Vergütung ermittelt werden.

 

Rn 1a

Allerdings stellen auch die Regelungen der InsVV ungeachtet ihres offenen Vergütungssystems Wertgebühren dar. Diesem System der Wertgebühren ist immanent, dass gleiche Tätigkeiten möglicherweise unterschiedlich vergütet werden, wenn sie sich auf unterschiedliche Gegenstandswerte beziehen. Dies kann dazu führen, dass im Einzelfall eine Tätigkeit nicht auskömmlich vergütet wird, d. h. möglicherweise nicht kostendeckend ist. Nach ausdrücklicher Auffassung des BGH liegt dies dem insolvenzrechtlichen Vergütungssystem zugrunde und ist vom Insolvenzverwalter im Hinblick auf den Grundsatz der Querfinanzierung hinzunehmen[4]. Konsequent müsste dieser Grundsatz dann aber auch dazu führen, dass bei einer hohen Berechnungsgrundlage im Einzelfall eine Vergütung festgesetzt wird, die über eine für die konkrete Tätigkeit angemessene Vergütung hinausgeht, um einen gewissen Ausgleich der nicht auskömmlichen Vergütungen, insbesondere in Kleinverfahren herbeizuführen. Im Widerspruch dazu steht allerdings die Festsetzungspraxis der Insolvenzgerichte in jüngerer Zeit und insbesondere die zunehmend restriktive Vergütungsrechtsprechung des IX. Zivilsenats des BGH. Hier wird immer stärker darauf abgestellt, durch das System der Zu- und Abschläge und insbesondere die durch den BGH entwickelte systemwidrige "Gesamtwürdigung"[5] eine jedem Einzelfall angemessene Vergütung zu bestimmen[6]. Man kann rechtspolitisch sicher darüber diskutieren, ob es vor allem im Hinblick auf den Schutz der Gläubiger aus Art. 14 Abs. 1 GG zulässig ist, dass Insolvenzverfahren mit hohen Vermögenswerten andere massearme Verfahren subventionieren[7]. Folgt man dieser Ansicht, muss der ohnehin in der Praxis nur zu Lasten der Verwalter angewandte Grundsatz der Querfinanzierung aufgegeben werden, allerdings mit der Konsequenz, dass auch in massearmen kleineren Verfahren auskömmliche, vor allem aber kostendeckende Vergütungen festgesetzt werden müssen.

 

Rn 2

Um die schon verfassungsrechtlich gebotene individuelle Anpassung der Verwaltervergütung zu ermöglichen, beabsichtigte der Verordnungsgeber mit den Regelungen in § 3 eine deutliche Wendung hin zu einer Objektivierung der Voraussetzungen für Zu- und Abschläge. Es werden nicht mehr wie in der Vorgängerregelung VergVO ausschließlich unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet. Vielmehr knüpft § 3 als Grundlage für Veränderungen des Regelsatzes nach § 2 durch Zu- oder Abschläge an einen rein tätigkeitsbezogenen und damit auch stärker objektivierbaren Mehr- oder Minderaufwand im Einzelfall an. Allerdings ermittelt sich dieser Mehr- oder Minderaufwand aus dem Abgleich mit einem fiktiven Normalverfahren[8], das den § 63 Abs. 1 Satz 3 InsO und § 3 naturgemäß zugrunde liegt, durch den Gesetz- und Verordnungsgeber aber noch nicht einmal ansatzweise kodifiziert wurde. Die dadurch zwangsläufig entstehende Rechtsunsicher...

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