Gesetzestext

 

(1) Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt.

(2) Unberührt bleiben die §§ 878, 892, 893 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, § 3 Abs. 3, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken, § 5 Abs. 3, §§ 16, 17 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen und § 20 Abs. 3 der Schiffahrtsrechtlichen Verteilungsordnung.

Bisherige gesetzliche Regelungen: § 15 KO – § 103 RegE, § 97 RefE

1. Allgemeines

 

Rn 1

Mit § 91 wird der Schutz der Insolvenzmasse vor Verfügungen des Schuldners (§ 81) und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (§ 89) abgerundet durch den darin enthaltenen möglichst umfassenden Ausschluss sonstigen Rechtserwerbs.[1] Die Vorschrift entspricht im Wesentlichen der bisher gültigen Regelung in § 15 KO und sichert damit auch für die InsO den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung, indem vermieden wird, dass durch einen Rechtserwerb an Massegegenständen auch ohne Zutun des Schuldners oder Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger z.B. durch gestreckte Erwerbshandlungen noch nach Verfahrenseröffnung Vorzugsrechte zugunsten einzelner Verfahrensbeteiligter begründet werden. Sollte ausnahmsweise aus vorrangigen Verkehrsschutzgründen dennoch ein Erwerb stattfinden, bleibt dieser bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 129 ff., 147 daneben immer noch anfechtbar. Außer zu den §§ 81, 89 besteht ein weiterer Zusammenhang der vorliegenden Vorschrift mit den Regelungen in §§ 110, 114 zur Abtretung künftiger bzw. zukünftig fällig werdender Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen. Ebenso wie § 15 KO stellt § 91 einen Auffangtatbestand für die nicht von den §§ 81, 89 erfassten Vorgänge dar, die eine Masseschmälerung nach Verfahrenseröffnung bewirken, und sichert damit die durch das Insolvenzverfahren bewirkte haftungsrechtliche Zuordnung des Schuldnervermögens zur Gläubigerbefriedigung.

[1] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 270.

2. Rechtserwerb nach Verfahrenseröffnung (Abs. 1)

 

Rn 2

Das in § 91 Abs. 1 enthaltene allgemeine Verbot bewirkt einen umfassenden Schutz der Insolvenzmasse. Diese umfasst nach § 35 das Vermögen, das dem Schuldner, ggf. belastet mit Rechten Dritter, zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gehört. Darüber hinaus fallen aber nunmehr auch diejenigen Vermögensgegenstände in die Insolvenzmasse, die der Schuldner während der Dauer des Insolvenzverfahrens erwirbt, wie z.B. die in diesem Zeitraum entstehenden Forderungen des Schuldners. Sowohl an der herkömmlichen Masse, aber auch vor allem an dem sog. Neuerwerb soll nach Verfahrenseröffnung kein Rechtserwerb mehr stattfinden, auch wenn diesem keine Verfügung des Schuldners (sonst ist § 81 einschlägig) oder eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme eines Insolvenzgläubigers (dann ist § 89 einschlägig) zugrunde liegt.

 

Rn 3

Dieses Verbot gilt selbstverständlich nicht für einen sog. insolvenzrechtlich legitimierten Erwerb[2] durch eine Verfügung des Insolvenzverwalters oder im Wege der Zwangsvollstreckung für einen Massegläubiger. Dies ergibt sich für einen Rechtserwerb vom Insolvenzverwalter schon aus § 80; die Zwangsvollstreckung eines Massegläubigers kann nach § 90 allenfalls zeitlich befristet unzulässig sein. Eine ursprünglich mit diesem Inhalt noch im RegEInsO enthaltene Regelung wurde im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens als selbstverständlich gestrichen.[3] Ebenso wenig unter § 91 fällt die Übertragung von Rechten Dritter an Gegenständen der Insolvenzmasse, die vor Verfahrenseröffnung ordnungsgemäß und unanfechtbar begründet wurden, da der Wechsel der Rechtsinhaberschaft an Gegenständen der Insolvenzmasse diese nicht mehr in ihrem Befriedigungswert für die beteiligten Insolvenzgläubiger beeinträchtigt.[4] Deshalb scheitert die Wirksamkeit eines Sicherheitenpoolvertrags entgegen Smid[5] jedenfalls nicht daran, dass ein Sicherungsrecht vom bisherigen Gläubiger auf den Pool (eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts) oder auf einen Treuhänder übertragen wird. Soweit das Absonderungsrecht reicht, gehört die betreffende Sache gewissermaßen nicht zur Insolvenzmasse. Das Verwertungsrecht des Verwalters nach § 166 ändert hieran nichts, und es wird durch die Poolvereinbarung ja auch nicht beeinträchtigt.[6]

 

Rn 4

Als ein von § 91 Abs. 1 umfasster Rechtserwerb in sonstiger Weise kommt beispielsweise ein solcher kraft Gesetzes in Betracht. Ausgeschlossen ist danach eine Ersitzung von Massegegenständen nach § 937 Abs. 1 BGB oder der Fruchterwerb nach den §§ 954 ff. BGB, es sei denn, der Berechtigte hat den Besitz von einem Dritten (nicht vom Insolvenzschuldner) erlangt oder er kann sich auf ein unwiderrufliches Aneignungsrecht berufen.[7]

 

Rn 5

Gesetzliche Pfandrechte mit der Folge der Entstehung eines Absonderungsrechts nach § 50 können nicht mehr entstehen, wenn die gesetzlichen Entstehungsvoraussetzungen nicht vollständig bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht waren. Ein Vermieterpfandrecht kann also nur ...

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