Rn 2

Das in § 91 Abs. 1 enthaltene allgemeine Verbot bewirkt einen umfassenden Schutz der Insolvenzmasse. Diese umfasst nach § 35 das Vermögen, das dem Schuldner, ggf. belastet mit Rechten Dritter, zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung gehört. Darüber hinaus fallen aber nunmehr auch diejenigen Vermögensgegenstände in die Insolvenzmasse, die der Schuldner während der Dauer des Insolvenzverfahrens erwirbt, wie z.B. die in diesem Zeitraum entstehenden Forderungen des Schuldners. Sowohl an der herkömmlichen Masse, aber auch vor allem an dem sog. Neuerwerb soll nach Verfahrenseröffnung kein Rechtserwerb mehr stattfinden, auch wenn diesem keine Verfügung des Schuldners (sonst ist § 81 einschlägig) oder eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme eines Insolvenzgläubigers (dann ist § 89 einschlägig) zugrunde liegt.

 

Rn 3

Dieses Verbot gilt selbstverständlich nicht für einen sog. insolvenzrechtlich legitimierten Erwerb[2] durch eine Verfügung des Insolvenzverwalters oder im Wege der Zwangsvollstreckung für einen Massegläubiger. Dies ergibt sich für einen Rechtserwerb vom Insolvenzverwalter schon aus § 80; die Zwangsvollstreckung eines Massegläubigers kann nach § 90 allenfalls zeitlich befristet unzulässig sein. Eine ursprünglich mit diesem Inhalt noch im RegEInsO enthaltene Regelung wurde im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens als selbstverständlich gestrichen.[3] Ebenso wenig unter § 91 fällt die Übertragung von Rechten Dritter an Gegenständen der Insolvenzmasse, die vor Verfahrenseröffnung ordnungsgemäß und unanfechtbar begründet wurden, da der Wechsel der Rechtsinhaberschaft an Gegenständen der Insolvenzmasse diese nicht mehr in ihrem Befriedigungswert für die beteiligten Insolvenzgläubiger beeinträchtigt.[4] Deshalb scheitert die Wirksamkeit eines Sicherheitenpoolvertrags entgegen Smid[5] jedenfalls nicht daran, dass ein Sicherungsrecht vom bisherigen Gläubiger auf den Pool (eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts) oder auf einen Treuhänder übertragen wird. Soweit das Absonderungsrecht reicht, gehört die betreffende Sache gewissermaßen nicht zur Insolvenzmasse. Das Verwertungsrecht des Verwalters nach § 166 ändert hieran nichts, und es wird durch die Poolvereinbarung ja auch nicht beeinträchtigt.[6]

 

Rn 4

Als ein von § 91 Abs. 1 umfasster Rechtserwerb in sonstiger Weise kommt beispielsweise ein solcher kraft Gesetzes in Betracht. Ausgeschlossen ist danach eine Ersitzung von Massegegenständen nach § 937 Abs. 1 BGB oder der Fruchterwerb nach den §§ 954 ff. BGB, es sei denn, der Berechtigte hat den Besitz von einem Dritten (nicht vom Insolvenzschuldner) erlangt oder er kann sich auf ein unwiderrufliches Aneignungsrecht berufen.[7]

 

Rn 5

Gesetzliche Pfandrechte mit der Folge der Entstehung eines Absonderungsrechts nach § 50 können nicht mehr entstehen, wenn die gesetzlichen Entstehungsvoraussetzungen nicht vollständig bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht waren. Ein Vermieterpfandrecht kann also nur dann begründet werden, wenn der Schuldner als Mieter ihm gehörige und in die Insolvenzmasse fallende Sachen vor Verfahrenseröffnung eingebracht hatte. Das Werkunternehmerpfandrecht (§ 647 BGB) setzt voraus, dass der Unternehmer vor Verfahrenseröffnung den Besitz an dem Massegegenstand vom Schuldner erhalten hatte. Ebenso kann auch ein kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht nur zu einem Absonderungsrecht nach § 51 Nr. 3 führen, wenn sich der Kaufmann vor der Verfahrenseröffnung die Verfügungsmacht über die betreffenden Waren des Schuldners verschafft hatte.[8] Dagegen gilt das Erwerbsverbot nicht bei einem Rechtserwerb kraft eines Gesetzes, das Gemeinwohlinteressen schützen soll. Die staatliche Enteignung eines Vermögensgegenstands während des Insolvenzverfahrens ist also ebenso möglich wie die strafrechtliche Einziehung bzw. Beschlagnahme einzelner Gegenstände zu Sicherungszwecken (§ 74 Abs. 2 Nr. 2, § 74d StGB).[9]

 

Rn 6

Weiter soll § 91 Abs. 1 die Insolvenzmasse vor Zwangsvollstreckungen zugunsten der Neugläubiger des Schuldners schützen.[10] Vor rechtsgeschäftlicher Verschaffung von Rechten an Neugläubiger ist die Insolvenzmasse bereits durch § 81 geschützt, wonach massebezogene Verfügungen des Schuldners zugunsten seiner Neugläubiger absolut unwirksam sind, d.h., der Schuldner kann die Insolvenzmasse nicht zugunsten des Neugläubigers verpflichten. Gleichwohl besteht aber die Möglichkeit, dass dieser Neugläubiger mit seinem titulierten Anspruch in die zur Insolvenzmasse gehörigen Vermögensgegenstände des Schuldners vollstreckt. Einen daraus resultierenden Rechtserwerb durch den Neugläubiger verhindert § 91 Abs. 1. Das daraus resultierende Vollstreckungsverbot ist von den Zwangsvollstreckungsorganen ebenfalls von Amts wegen zu beachten.[11] Wird dennoch vollstreckt, steht ebenso wie nach § 89 dem Insolvenzverwalter die Erinnerung gemäß § 766 ZPO zu, über die wegen des Sachzusammenhangs ebenso wie bei § 90 gemäß § 89 Abs. 3 das Insolvenzgericht entscheidet. Wird vom Neugläubiger behauptet, der durch seine Vollstreckung beansp...

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