Gesetzestext

 

(1) Rechtsstreitigkeiten, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner anhängig sind, können sowohl vom Insolvenzverwalter als auch vom Gegner aufgenommen werden, wenn sie betreffen:

1. die Aussonderung eines Gegenstands aus der Insolvenzmasse,
2. die abgesonderte Befriedigung oder
3. eine Masseverbindlichkeit.

(2) Erkennt der Verwalter den Anspruch sofort an, so kann der Gegner einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rechtsstreits nur als Insolvenzgläubiger geltend machen.

Bisherige gesetzliche Regelungen: § 11 KO – § 97 RegE, § 92 RefE

1. Allgemeines

 

Rn 1

Wie bereits zu § 85 (dort Rn. 1) dargestellt, werden mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 240 ZPO i.d.F. nach Art. 18 Nr. 2 EGInsO alle zu diesem Zeitpunkt unter Beteiligung des Schuldners als Partei anhängigen Rechtsstreitigkeiten unterbrochen, soweit sie die Insolvenzmasse betreffen. Wegen der mit dieser Unterbrechung verbundenen allgemeinen Wirkungen vgl. die Kommentierung zu § 85.

Während die vorangegangene Vorschrift sog. Aktivprozesse betrifft, regelt § 86 die Voraussetzungen, unter denen auch gegen den Schuldner gerichtete Rechtsstreitigkeiten ausnahmsweise aufgenommen werden können, sog. Passivprozesse. Dabei ist nach materieller Betrachtung und unabhängig von der Parteirolle im Rechtsstreit zu beurteilen, ob ein solcher Passivprozess vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn der Rechtsstreit ein gegen den Insolvenzschuldner gerichtetes Recht zum Gegenstand hat, das die Masse betrifft (näher zur Unterscheidung von Aktivprozessen einerseits und Passivprozessen andererseits oben bei § 85 Rn. 5). Jedoch kann nicht jeder auf einen solchen Anspruch gerichtete Rechtsstreit aufgenommen werden. Ist der streitgegenständliche Anspruch im Insolvenzverfahren als Insolvenzforderung gemäß §§ 38, 39 geltend zu machen, so gilt ausschließlich § 87, d.h., eine Aufnahme des Rechtsstreits nach § 86 kommt nicht in Betracht. In diesen Fällen ist der Anspruch zunächst nach den §§ 174 ff. zur Tabelle anzumelden und das Prüfungsergebnis im Prüfungstermin abzuwarten. Wird die angemeldete Forderung vom Insolvenzverwalter oder einem Insolvenzgläubiger bestritten, so bleibt es dem Gläubiger nach § 179 Abs. 1 überlassen, die Feststellung seiner Forderung gegen den Bestreitenden zu betreiben. Liegt für die Forderung noch kein Schuldtitel vor, so ist nach § 180 Abs. 1 auf die Feststellung im ordentlichen Verfahren Klage zu erheben. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Rechtsstreit über die im Prüfungstermin bestrittene Forderung anhängig, so kann nach § 180 Abs. 2 die Feststellung nur durch Aufnahme dieses nach § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreits erfolgen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Aufnahme nach § 86, sondern um einen reinen "Schuldenmassestreit" (siehe auch § 85 Rn. 1 bei Fn. 3).[1]

Die Regelung des § 86 ist über die Verweisung in § 24 Abs. 2 auch schon im Eröffnungsverfahren vollständig und nicht nur teilweise wie § 85 anwendbar (vgl. dazu § 24 Rn. 21 ff.).

[1] Hat nur der Insolvenzschuldner einer angemeldeten Forderungen widersprochen, so kann zwar ein bereits anhängiger Rechtsstreit über die Forderung vom Gläubiger gegen den Schuldner nach § 184 Satz 2 aufgenommen werden. Jedoch hat der Widerspruch des Schuldners (und deshalb auch ein hierüber geführter Rechtsstreit) im Regelinsolvenzverfahren Bedeutung nur für eine nachinsolvenzliche Zwangsvollstreckung (§ 201 Abs. 2, § 215 Abs. 2 Satz 2, § 257 Abs. 1), nicht aber für die Feststellung der Forderung und für die Teilnahme des Gläubigers an den Verteilungen im Insolvenzverfahren (§ 178 Abs. 1 Satz 2).

2. Aufnahme von Passivstreitigkeiten (Abs. 1)

 

Rn 2

Grundsätzlich haben die Gläubiger im Insolvenzverfahren nach § 87 ihre Forderungen und Ansprüche nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren zu verfolgen. Lediglich für bestimmte Ausnahmefälle wird ein Bedürfnis für eine schnelle Klärung der betroffenen Rechtsverhältnisse anerkannt.[2] Dies hat in § 86 Abs. 1 seinen Niederschlag gefunden.

Die Vorschrift spricht zunächst von Rechtsstreitigkeiten, die gegen den Schuldner anhängig sind. Auch hier ist ebenso wie bei § 85 die formale, prozessuale Parteirolle des Schuldners für die Beurteilung nicht entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Rechtsstreit ein Recht betrifft, das, wenn es besteht, in der Insolvenz zur Aussonderung (§ 47) oder zu abgesonderter Befriedigung (§§ 49 ff.) berechtigt oder eine Masseverbindlichkeit (§§ 53 ff.) darstellt, also ein Recht, das zur Minderung der für die Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehenden Teilungsmasse führen würde,[3] sog. Teilungsmassegegenstreit im Gegensatz zum unter Rn. 1 dargestellten Schuldenmassestreit.

 

Rn 3

Weitere Voraussetzung ist, dass der Rechtsstreit zur Zeit der Verfahrenseröffnung gegen den Schuldner anhängig ist. Hierzu ist wiederum unabhängig von einer Zustellung bzw. vom Eintritt der Rechtskraft auf den in § 27 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Abs. 3 geregelten Zeitpunkt abzustellen.[4]

 

Rn 4

Weiter enthält Abs. 1 eine abschließende Aufzählung der Streitgegenstä...

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