Gesetzestext

 

1Ist ein Gegenstand, dessen Aussonderung hätte verlangt werden können, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder nach der Eröffnung vom Insolvenzverwalter unberechtigt veräußert worden, so kann der Aussonderungsberechtigte die Abtretung des Rechts auf die Gegenleistung verlangen, soweit diese noch aussteht. 2Er kann die Gegenleistung aus der Insolvenzmasse verlangen, soweit sie in der Masse unterscheidbar vorhanden ist.

1. Normzweck

 

Rn 1

§ 48 dient dem Schutz des Aussonderungsberechtigten nach § 47. Ist es zu einer unberechtigten Veräußerung des Aussonderungsgegenstandes gekommen, weist § 48 dem Aussonderungsberechtigten im Wege einer haftungsrechtlichen Surrogation die erworbene Gegenleistung zu.[1] Selbst Veräußerungen durch den Schuldner vor Verfahrenseröffnung lösen eine Ersatzaussonderung aus, auch dann, wenn die Gegenleistung schon vor Verfahrenseröffnung eingezogen wurde. Letzteres aber nur, wenn die Gegenleistung noch unterscheidbar in der Masse vorhanden ist.[2] Ob es sich dabei um einen originär insolvenzrechtlichen Herausgabeanspruch mit Aussonderungskraft im Zuge einer haftungsrechtlichen Surrogation[3] oder um einen schuldrechtlichen Anspruch, den das Gesetz aus Billigkeitsgründen mit Aussonderungskraft versehen hat[4], handelt, kann letztlich dahingestellt bleiben.

[1] Uhlenbruck-Brinkmann, § 48 Rn. 1.
[2] Uhlenbruck-Brinkmann, § 48 Rn. 2.
[3] So u. a. HambKomm-Büchler, § 48 Rn. 1; Uhlenbruck-Brinkmann, § 48 Rn. 1; Graf-Schlicker/Bremen, § 48 Rn. 1.
[4] MünchKomm-Ganter, § 48 Rn. 3; FK–Imberger, § 48 Rn. 2.

2. Norminhalt

2.1 Gegenstand der Ersatzaussonderung

 

Rn 2

Die Ersatzaussonderung setzt zunächst einen Gegenstand voraus, der unter den Anwendungsbereich des § 47 gefallen wäre. Die Voraussetzungen des § 47 sind hier inzident zu prüfen. Es muss also ein Gegenstand veräußert worden sein, der – wenn er nicht veräußert worden wäre – hätte ausgesondert werden können. Zum Zeitpunkt der Veräußerung muss der Gegenstand noch aussonderungsfähig gewesen sein.[5] Ist das Eigentum am Gegenstand beispielsweise durch Verarbeitung nach § 950 BGB vor der ungerechtfertigten Veräußerung untergegangen, besteht kein Aussonderungsanspruch.[6]

 

Rn 3

Ein insolvenzrechtlicher Anfechtungsanspruch kann nicht Gegenstand eines Ersatzaussonderungsrechtes sein, auch wenn ein Anspruch, der entgegen einer vereinbarten Globalzession unberechtigt an einen Dritten abgetreten und von diesem eingezogen wurde, hierdurch zur Masse zurückgelangt ist.[7]

[5] MünchKomm-Ganter, § 48 Rn. 16.
[6] FK-Imberger, § 48 Rn. 6.
[7] Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 11.06.2014, 7 U 89/13, juris.

2.2 Veräußerung

 

Rn 4

Über den der Ersatzaussonderung unterliegenden Gegenstand muss verfügt worden sein. Die pure schuldrechtliche Verpflichtung zur Veräußerung ist nicht ausreichend.[8] Es muss zu einem Rechtsverlust des Berechtigten am Absonderungsgut gekommen sein. In Betracht kommt der gutgläubige Erwerb eines Gegenstandes durch einen Dritten sowie der Einzug einer Forderung.[9] Ist die Rechtsübertragung im Wege der öffentlichen Versteigerung, der Enteignung oder der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 894, 897, 898 ZPO erfolgt, liegt ebenfalls eine Veräußerung i. S. d. § 48 vor.[10]

 

Rn 5

Nicht unter den Begriff der Veräußerung fallen schuldrechtliche Verträge, die lediglich die Gebrauchsüberlassung zum Gegenstand haben, bzw. Realakte wie die Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung.[11] Gleiches gilt für die Beschädigung oder Zerstörung eines Gegenstandes. Dies berechtigt nicht zur Ersatzaussonderung der Schadenersatzforderung.[12]

 

Rn 6

Die Veräußerung muss dem Berechtigten gegenüber wirksam sein.[13] Dies ist zwar umstritten, aber im Ergebnis zu bejahen, weil eine unwirksame Veräußerung das Aussonderungsrecht nach § 47 nicht vereiteln würde.[14] Der Berechtigte könnte und müsste dann seine Rechte gegenüber dem Dritten geltend machen. Für einen Anspruch gegen die Insolvenzmasse und gleichzeitig gegen den Dritten besteht keine Notwendigkeit. Beweisschwierigkeiten können über eine Streitverkündung gegenüber dem Verwalter Rechnung getragen werden.[15]

[8] FK-Imberger, § 48 Rn. 7.
[9] Selbst im Falle einer richterlichen Ermächtigung zum Einzug der Forderung, vgl. BGH NZI 2010, 339 [BGH 21.01.2010 - IX ZR 65/09].
[10] MünchKomm-Ganter, § 48 Rn. 23; HK-Lohmann, § 48 Rn. 6; HambKomm-Büchler, § 48 Rn. 8; Uhlenbruck-Brinkmann, § 48 Rn. 8.
[11] BGHZ, 30, 176 (80).
[12] HK-Lohmann, § 48 Rn. 6.
[13] HK-Lohmann, § 48 Rn. 7; dafür auch MünchKomm-Ganter, § 48 Rn. 43 mit Nachweisen zur Gegenansicht.
[14] MünchKomm-Ganter, § 48 Rn. 43.
[15] HK-Lohmann, § 48 Rn. 7.

2.3 Entgeltlichkeit

 

Rn 7

Der Ersatzaussonderungsanspruch setzt voraus, dass es sich um ein entgeltliches Geschäft gehandelt hat.[16] Bei einer Schenkung besteht naturgemäß keine Gegenleistung, die aus der Masse ersatzauszusondern wäre. § 48 würde ins Leere laufen. Verfügt der Schuldner vor Insolvenzeröffnung unentgeltlich über den aussonderungsfähigen Gegenstand, kommt ein Anspruch gegen den Berechtigten nach §§ 816 Abs. 1 Satz 2, 818 BGB auf Herausgabe des Erlangten oder Wertansatz in Frage. Bei einer g...

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