Rn 137

Eine Beschränkung auf den räumlichen Geltungsbereich der InsO findet nicht statt. Auch im Ausland befindliches Vermögen des Insolvenzschuldners ist gemäß dem Universalitätsprinzip Teil der Insolvenzmasse.[289] Allerdings richtet sich die Massezugehörigkeit (wie z. B. Pfändungsfreiheit) nach der Rechtsordnung der belegenen Sache.[290] Zur Möglichkeit der Insolvenzanfechtung siehe § 129 Rn. 14.

 

Rn 138

Die von deutschen Gerichten angeordnete Beschlagnahme bedarf zu ihrer Wirksamkeit im Ausland der Anerkennung. Das Internationale Insolvenzrecht des jeweiligen Staates bestimmt Bestand und Umfang einer solchen Anerkennung.[291] Die Eröffnung eines deutschen Insolvenzverfahrens wird neuerdings in der Schweiz anerkannt.[292]

 

Rn 139

Schwierigkeiten bei der einzelfallorientierten Anerkennung können durch zwei- bzw. mehrseitige Staatsverträge vermieden werden. Bilaterale Verträge bestehen zurzeit nur mit Österreich, den Niederlanden und der Schweiz,[293] so dass ihre Bedeutung gering ist.[294]

 

Rn 140

Die multilateralen Vorschriften des EuGVÜ[295] und des Lugano-Abkommens[296] gelten für Insolvenzsachen gerade nicht[297] (Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 EuGVÜ). Nachdem das Europäische Insolvenzabkommen[298] nicht ratifiziert wurde, ist die Europäische Insolvenzverordnung[299] (EuInsVO) verabschiedet worden, die inhaltlich in weiten Teilen dem gescheiterten Übereinkommen entspricht. Nach Art. 47 EuInsVO trat diese Verordnung am 31.05.2002 in Kraft und ersetzt die Staatsverträge mit Österreich und den Niederlanden (Art. 44 Abs. 1 Buchst. d) und h) EuInsVO). Eine Modifizierung erhielt die EuInsVO mit Wirkung zum 26.06.2017. Ziel dieser Verordnung ist die Durchsetzung des gemeinschaftsweiten Universalitätsprinzips. So werden sich viele Fragen (wie z. B. der Umfang der Insolvenzmasse) gem. Art. 7 Abs. 2 EuInsVO n. F. zwischen den Staaten der europäischen Gemeinschaft künftig nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung bestimmen (sog. lex fori concursus). Art. 19 EuInsVO n. F. sichert die EU-weite Anerkennung eines Verfahrens. Die Vorschriften der EuInsVO sind für alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark[300] verbindlich.

 

Rn 141

Im Bereich der EU unterbricht die Eröffnung eines deutschen Insolvenzverfahrens entsprechend Art. 37 Abs. 1 EuGVÜ i. V. m. § 240 ZPO das für einen ausländischen Titel laufende inländische Vollstreckbarkeitsverfahren.[301]

 

Rn 142

Für Nicht-EU-Länder bleibt es bei der Fortgeltung der bestehenden Praxis bezüglich der Anerkennung des Insolvenzverfahrens und seiner Prozesshandlungen.[302]

 

Rn 143

Der Insolvenzschuldner ist im Übrigen unabhängig von dem Bestehen zwischenstaatlicher Regelungen nach §§ 97, 98 verpflichtet, dem Insolvenzverwalter – in der nach dem jeweiligen ausländischen Recht notwendigen Form – eine Vollmacht zur Verwertung des Auslandsvermögens zu erteilen.[303]

 

Rn 144

In jedem Fall sind unabhängig von einer gegenseitigen Anerkennung der Vollstreckungswirkung solche Vermögenspositionen, die im Ausland durch dort zulässige Zwangsvollstreckungen in die im Ausland belegene, aber aufgrund des Universalitätsprinzips zur Insolvenzmasse gehörige Vermögensmasse erlangt wurden, an den Insolvenzverwalter nach §§ 812 ff. BGB herauszugeben, wenn im Inland das Verfahren eröffnet war.[304]

[289] Bork, Rn. 441; BGHZ 88, 147 (150).
[290] Gottwald-Gottwald, § 131 Rn. 7 m.w.N.
[291] Siehe Kübler/Prütting/Bork-Kemper, Art. 102 EGInsO Rn. 175 ff.
[292] BezG Zürich ZIP 2001, 165 (167 f.) = NZI 2001, 110.
[293] Siehe dazu Mohrbutter/Ringstmeier-Werner, Rn. 19–21.
[294] Kuhn/Uhlenbruck, §§ 237, 238 Rn. 29.
[295] Übereinkommen der Europäischen Gemeinschaft über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, siehe dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-Albers, Schlussanhang VC1.
[296] Siehe dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann-Albers, Schlussanhang VD1.
[297] Prütting, ZIP 1996, 1277 (1278).
[298] Vom 23.11.1995, Text abgedruckt in ZIP 1996, 976 ff.
[299] Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000 über Insolvenzverfahren; ABl. L 160 S. 1; abgedruckt unter Gruppe 2/46. Zur weiteren Entwicklung siehe Paulus, ZIP 2000, 2189 (2193 ff.) und aktuelle Tendenzen bei Staak, NZI 2001, 186 f.
[300] Vgl. Erwägungsgrund 33 EuInsVO.
[302] Vgl. dazu den Überblick bei Gottwald-Gottwald, § 130 Rn. 139 ff.
[303] BVerfG ZIP 1986, 1336 (1337); Kuhn/Uhlenbruck, § 1 Rn. 6a.
[304] BGHZ 88, 147 (153 ff.).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge