Gesetzestext

 

1Gründe für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Nachlaß sind die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung. 2Beantragt der Erbe, der Nachlaßverwalter oder ein anderer Nachlaßpfleger oder ein Testamentsvollstrecker die Eröffnung des Verfahrens, so ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund.

Bisherige gesetzliche Regelungen

 

§ 215 KO [Überschuldung des Nachlasses]

Die Eröffnung des Verfahrens setzt die Überschuldung des Nachlasses voraus.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Eröffnungsgrund für das Nachlasskonkursverfahren nach bisherigem Recht war alleine die Überschuldung des Nachlasses. Die Regelung des § 320 dehnt die Eröffnungsgründe für ein Nachlassinsolvenzverfahren aus auf die Zahlungsunfähigkeit und, sofern der Antrag auf Eröffnung des Verfahrens durch den Erben, den Nachlaßverwalter oder einen anderen Nachlasspfleger oder den Testamentsvollstrecker gestellt wird, auch die drohende Zahlungsunfähigkeit. Die Eröffnungsgründe sind damit mit denjenigen für das Regelinsolvenzverfahren gemäß §§ 1719 formal identisch. Der materielle Gehalt der Eröffnungsgründe ist jedoch von demjenigen des Regelinsolvenzverfahrens zu unterscheiden.

 

Rn 2

Die Ausdehnung der Eröffnungsgründe über die Überschuldung hinaus folgt der Erkenntnis, dass ein Nachlass keine feststehende, in sich beständige und abgeschlossene Vermögensmasse ist, sondern gravierenden Veränderungen unterliegen kann. Der Nachlass kann größer werden oder sich verringern, beispielsweise durch Kursgewinne und Kursverluste von Wertpapieren, die zum Nachlass gehören, den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten, die in bezug auf den Nachlass geführt werden, und insbesondere durch die Entwicklung eines Unternehmens, das zum Nachlass gehört.[1]

 

Rn 3

Nach der Einschätzung des Gesetzgebers ist das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit oder ggf. der drohenden Zahlungsunfähigkeit für die Beteiligten auch leichter feststellbar als eine Überschuldung des Nachlasses, so dass es ggf. früher zu einer Antragstellung kommen kann.[2]

 

Rn 4

Die nunmehrige Konzeption des Gesetzes löst auch die Problematik, dass ein Schuldner verstirbt, nachdem das Insolvenzverfahren über sein Vermögen (wegen Zahlungsunfähigkeit) oder drohender Zahlungsunfähigkeit eröffnet worden ist. Das ursprüngliche Insolvenzverfahren kann ohne weiteres als Nachlassinsolvenzverfahren fortgeführt werden, da der ursprüngliche Eröffnungsgrund weiter relevant ist. Für das frühere Recht war der Übergang vom Konkursverfahren in das Nachlasskonkursverfahren deshalb problematisch, da für das reguläre Konkursverfahren die Zahlungsunfähigkeit Eröffnungsgrund gewesen ist, für das Nachlassinsolvenzverfahren jedoch die Überschuldung des Nachlasses feststehen musste.

[1] Kübler/Prütting, Bd. I, S. 579.
[2] Kübler/Prütting a.a.O.

2. Die Eröffnungsgründe im Einzelnen

2.1 Überschuldung

 

Rn 5

Der Überschuldungsbegriff ist für das Nachlassinsolvenzverfahren zu unterscheiden vom Überschuldungsbegriff des § 19 für das Regelinsolvenzverfahren.

 

Rn 6

Die Definition der Überschuldung in § 19 Abs. 2 bezieht sich auf juristische Personen, die unternehmerisch tätig sind. Je nachdem, welche Fortführungsprognose anzustellen ist, sind die dort vorhandenen Aktiva mit Liquidationswerten oder mit Fortführungswerten anzusetzen.

 

Rn 7

Demgegenüber bedeutet Überschuldung i.S.d. § 320 rechnerische Überschuldung bei Ansatz von Liquidationswerten.[3]

 

Rn 8

Maßgeblich ist die Vermögenssituation des Nachlasses zur Zeit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen Aktiva sind den Nachlassverbindlichkeiten gegenüberzustellen. Überschuldung des Nachlasses ist gegeben, wenn die Vermögenswerte des Nachlasses ggf. nach Liquidierung zur vollen Bedienung aller Nachlassverbindlichkeiten nicht ausreichen.

 

Rn 9

Nachlassverbindlichkeiten sind dabei die Masseverbindlichkeiten gemäß §§ 55, 324 sowie die weiteren Nachlassverbindlichkeiten gemäß §§ 325–327.

 

Rn 10

Soweit Forderungen, die sich gegen den Nachlass richten, betagt, bedingt oder ungewiss sind, finden §§ 41, 42, 45 und 46 Anwendung (vgl. § 2313 BGB).

 

Rn 11

Beruht die Überschuldung allein darauf, dass der Nachlass durch Vermächtnisse und Auflagen beschwert ist, so steht dem Erben unter gewissen Voraussetzungen die sog. Unzulänglichkeits- oder Dürftigkeitseinrede zu (§ 1992 BGB).

[3] Kuhn/Uhlenbruck, KO § 215 Rn. 2.

2.2 Zahlungsunfähigkeit

 

Rn 12

Für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses ist allein auf die im Nachlass vorhandenen flüssigen oder alsbald liquidierbaren Vermögenswerte abzustellen, die sonstigen Vermögensverhältnisse des Erben bleiben außer Betracht; Schuldner i.S.d. § 17 Abs. 2 ist der Nachlass.

 

Rn 13

Für die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit sind den tatsächlich vorhandenen liquiden oder kurzfristig liquidierbaren Mitteln die im Sinne der zivilrechtlichen Bestimmungen fälligen Forderungen gegenüberzustellen. Reichen die Mittel des Nachlasses nicht aus, die bestehenden Forderungen entsprechend ihrer Fälligkeiten in vollem Umfang zu bedienen, liegt Zahlungsunfähigkeit vor.

2.3 Drohende Zahlungsunfähigkeit

 

Rn 14

Auch für den Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist all...

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