[1] Rechtsstand: 1.3.2012.

Gesetzestext

 

§ 270 Voraussetzungen[1]

(1) 1Der Schuldner ist berechtigt, unter der Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. 2Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit in diesem Teil nichts anderes bestimmt ist.

(2) Die Anordnung setzt voraus,

1. dass sie vom Schuldner beantragt worden ist und
2. dass keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird.

(3) 1Vor der Entscheidung über den Antrag ist dem vorläufigen Gläubigerausschuss Gelegenheit zur Äußerung zu geben, wenn dies nicht offensichtlich zu einer nachteiligen Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners führt. 2Wird der Antrag von einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses unterstützt, so gilt die Anordnung nicht als nachteilig für die Gläubiger.

(4) Wird der Antrag abgelehnt, so ist die Ablehnung schriftlich zu begründen; § 27 Absatz 2 Nummer 5 gilt entsprechend.

[1] Rechtsstand: 1.3.2012.

1. Bisherige gesetzliche Regelung

 

Rn 1

Durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)[2] blieb § 270 Abs. 1 unverändert. Die bisherige Nr. 2 des § 270 Absatz 2 entfällt jedoch vollständig und die bisherige Nr. 3 wird zur neuen Nr. 2. Der bisherige § 270 Abs. 3 wird zu § 270 c. Stattdessen ist im neuen § 270 Abs. 3 die Beteiligung der Gläubiger geregelt und Abs. 4 sieht für den Fall einer ablehnenden Entscheidung eine Pflicht zur schriftlichen Begründung vor.

[2] Gesetz vom 7.12.2011 (BGBl. I, S. 2582).

2. Überblick: Schuldner unter Aufsicht eines Sachwalters (Abs. 1)

 

Rn 2

Wesentlicher Vorzug der Eigenverwaltung ist die Möglichkeit des Schuldners, selbst Herr im Unternehmen zu bleiben. Der Schuldner ist im Eigenverwaltungsverfahren berechtigt, über die Gegenstände der Insolvenzmasse weiterhin selbst zu verfügen. Im Gegensatz dazu geht im "normalen" Insolvenzverfahren die Verwaltungs- und- Verfügungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter über. Der Schuldner wird bei der Eigenverwaltung jedoch durch den gemäß § 270c gerichtlich bestellten Sachwalter beaufsichtigt. Nach § 270 a.F. konnten die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung oft nicht mit hinreichender Sicherheit dargestellt werden, so dass vor allem aus Sicht des den Antrag stellenden Schuldners eine große Unsicherheit bestand, ob das Gericht auf seinen Antrag hin die Eigenverwaltung anordnen oder schlichtweg einen (vorläufigen) Insolvenzverwalter bestellen würde. Mit den durch das ESUG an § 270 eingeführten Änderungen sollen "alle Beteiligten eine größere Planungssicherheit hinsichtlich des Ablaufs des Verfahrens erhalten".[3] Nach dieser Gesetzesänderung ist nicht mehr davon auszugehen, dass die Anordnung der Eigenverwaltung aus der Sicht des Gesetzgebers eine seltene Ausnahme sein soll.[4] Allerdings werden sich auch in der Zukunft die meisten Verfahren nicht für die Anordnung der Eigenverwaltung eignen.

 

Rn 3

Mit Recht wird darauf hingewiesen,[5] dass selbstverständlich auch die Sanierung im Rahmen der Eigenverwaltung dazu dienen muss, die für die Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehende Masse zu maximieren. Nur unter Einhaltung dieser Prämisse kann eine Reorganisation des Unternehmens zugelassen werden, gleich ob im Verfahren der Eigenverwaltung oder außerhalb. Dass die InsO also die Möglichkeit der Eigenverwaltung bietet und dass das ESUG nunmehr deren Anordnung erleichtern will, bedeutet deswegen nicht, dass dadurch eine Schlechterstellung der Gläubiger in Kauf genommen werden dürfte.

 

Rn 4

Ein Vorteil der Eigenverwaltung ist, dass unternehmerisches Wissen, Kenntnise und Erfahrungen der Geschäftsleitung erhalten bleiben, sofern diese nicht ausgetauscht wird, und dass Kundenbeziehungen daher unverändert bestehen bleiben können. Ein besonderer Aspekt ist auch, dass durch die Erhaltung des Rechtsträgers personengebundene Genehmigungen erhalten bleiben. Auch ein Kostenargument spricht für das Eigenverwaltungsverfahren, weil die Vergütung des Sachwalters nach § 12 InsVV lediglich 60% der Verwaltervergütung beträgt. Nicht vernachlässigt werden darf hierbei aber, dass der Aufgabenbereich des Sachwalters enger gefasst ist als der des Insolvenzverwalters, so dass nicht vom Sachwalter zu übernehmende Aufgaben ggf. gesondert vergütet werden müssen.[6] In der Praxis werden häufig Personen, die bereits erfahrene Insolvenzverwalter sind, zu diesem Zweck als Organ in die Geschäftsleitung des Schuldners bestellt. Unverändert bleibt durch die Anordnung der Eigenverwaltung der zentrale insolvenzrechtliche Grundsatz, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Einzelvollstreckungen auf ein Verfahren der Gesamtvollstreckung übergegangen wird. Bei der Eigenverwaltung wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis jedoch nicht wie im Standardinsolvenzverfahren auf den Insolvenzverwalter, sondern auf den Schuldner selbst übertragen. Der Schuldner wird damit z...

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