Gesetzestext

 

(1) Ist im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt, so wird der Schuldner mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gegenüber diesen Gläubigern befreit.

(2) Ist der Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien, so gilt Absatz 1 entsprechend für die persönliche Haftung der Gesellschafter.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Neben der Änderung der Rechtsstellung der Gläubiger (§§ 223-225) kann der gestaltende Teil auch den Schuldner einer vom Gesetz abweichenden Regelung unterwerfen. Da der Schuldner keine Forderungsrechte besitzt und daher nicht erwarten kann, dass ihm durch den Insolvenzplan wirtschaftliche Werte zugewiesen[1] oder entzogen werden, ist für ihn vor allem seine Haftung interessant (ein weiterer Eingriff in seine Rechte ist die Anordnung der Überwachung der Planerfüllung; siehe dazu § 260). In erster Linie dient der Insolvenzplan jedoch den Interessen der Gläubiger an einer wirtschaftlich optimalen Verwertung des Schuldnervermögens und damit einem möglichst großen wirtschaftlichen Erfolg des Insolvenzverfahrens, um so zu einer höchstmöglichen Befriedigung der Forderungen der Gläubiger zu gelangen. Die Interessen des Schuldners haben keine Priorität. Trotzdem kann der Plan auf die Haftung des Schuldners Einfluss nehmen. Dessen Sanierung in Form einer Entschuldung ist regelmäßig Gegenstand eines Insolvenzplanverfahrens.

[1] So die BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 460.

2. Haftung des Schuldners ohne abweichende Regelung im Plan (§ 227 Abs. 1)

 

Rn 2

Dazu sieht § 227 Abs. 1 vor, dass der Insolvenzschuldner – vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung im Plan – von seinen Verbindlichkeiten (ohne Wohlverhaltensphase) in vollem Umfang frei wird, wenn er die im Insolvenzplan vorgesehenen Bedingungen erfüllt. Die Befreiung des Schuldners von seinen Verbindlichkeiten erfasst auch etwaige Gläubigerforderungen aufgrund vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen, wenn im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist.[2] Des Weiteren sind auch Ansprüche sog. Nachzügler (Gläubiger, die ihre Ansprüche nicht zur Insolvenztabelle angemeldet haben), von § 227 Abs. 1 tangiert. Die Planbestimmungen gelten für sie sowohl in negativer als auch in positiver Hinsicht (Teilerlass bzw. Anspruch auf die Planquote).[3] Bei dieser Haftung nach Planvorgaben korrespondiert die Haftung des Schuldners mit den von den Gläubigern für den Plan erbrachten "Opfern", so dass deren "Verzicht" (auf einen Teil ihrer Forderungen oder umgehende anteilige Befriedigung) dem Schuldner zugute kommt.[4] Die Gläubiger verzichten ohne anderweitige Planregelung auf das ihnen eigentlich zustehende Nachforderungsrecht aus § 201 und es kommt zu einer Restschuldbefreiung, auch wenn die Voraussetzungen für diese (vgl. z. B. § 290) gar nicht gegeben sind. § 227 Abs. 1 ist zwingend. Der Schuldner kann außerhalb des Insolvenzplans nicht wirksam auf die restschuldbefreiende Wirkung verzichten.

 

Rn 3

Die im gestaltenden Teil des Insolvenzplans festgelegten Wirkungen treten mit Rechtskraft des Plans, nicht also erst mit dessen Erfüllung ein.[5] Kommt der Schuldner seinen übernommenen Zahlungspflichten nicht nach, leben die Forderungen der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 255 wieder auf.

Anders als bei den Forderungen der Nachranggläubiger, die nach § 225 Abs. 1 als erlassen i. S. d. § 397 BGB gelten, bewirkt der in einem Insolvenzplan für die nicht nachrangigen Gläubiger vorgesehene "Teilverzicht" kein teilweises Erlöschen von deren Ansprüchen. Stattdessen wandeln sich die Forderungen in unvollkommene und damit rechtlich nicht mehr durchsetzbare Ansprüche um, deren Erfüllung aber weiterhin möglich ist.[6] Soweit der BGH in einigen Entscheidungen vom "Erlass" der Forderungen spricht, ist dies missverständlich; meint in der Sache jedenfalls keinen Erlass i. S. d. § 397 BGB.[7]

 

Rn 3a

Die Umwandlung in unvollkommene Ansprüche der Gläubiger (statt des Forderungserlasses) wird vor allem bei Aufrechnungsfragen virulent, da die Gläubiger mit Ansprüchen dieser Art gegenüber Forderungen des Schuldners aufzurechnen versuchen. Gerade bei öffentlich-rechtlichen Gläubigern kann dies für den Schuldner existenzgefährdende Folgen haben, wenn z.B. gegenüber einer Steuererstattung des Schuldners seitens der Steuerbehörde mit einer unvollkommenen Forderung aufgerechnet wird.[8] Um dem entgegen zu wirken, sollte bei der Planerstellung zum einen überlegt werden, in Anlehnung an § 225 Abs. 1 auch für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger im gestaltenden Teil des Plans ausdrücklich einen Erlass i. S. d. § 397 BGB vorzusehen. Zum anderen ist aber zu beachten, dass die Aufrechnung überhaupt nur zulässig ist, soweit die Aufrechnungslage schon bei Insolvenzeröffnung bestand. Daran kann es im Hinblick auf Steuerforderungen in bestimmten Konstellationen (wenn z.B. der Erhebungszeitraum für die Steuer bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch andauerte) fehlen.[9] Gegenüber Ansprüchen aus der Zeit nach Insolvenzeröffnung kann auch im Planverfahren nicht mit ...

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