Rn 2

Dazu sieht § 227 Abs. 1 vor, dass der Insolvenzschuldner – vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung im Plan – von seinen Verbindlichkeiten (ohne Wohlverhaltensphase) in vollem Umfang frei wird, wenn er die im Insolvenzplan vorgesehenen Bedingungen erfüllt. Die Befreiung des Schuldners von seinen Verbindlichkeiten erfasst auch etwaige Gläubigerforderungen aufgrund vorsätzlich begangener unerlaubter Handlungen, wenn im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist.[2] Des Weiteren sind auch Ansprüche sog. Nachzügler (Gläubiger, die ihre Ansprüche nicht zur Insolvenztabelle angemeldet haben), von § 227 Abs. 1 tangiert. Die Planbestimmungen gelten für sie sowohl in negativer als auch in positiver Hinsicht (Teilerlass bzw. Anspruch auf die Planquote).[3] Bei dieser Haftung nach Planvorgaben korrespondiert die Haftung des Schuldners mit den von den Gläubigern für den Plan erbrachten "Opfern", so dass deren "Verzicht" (auf einen Teil ihrer Forderungen oder umgehende anteilige Befriedigung) dem Schuldner zugute kommt.[4] Die Gläubiger verzichten ohne anderweitige Planregelung auf das ihnen eigentlich zustehende Nachforderungsrecht aus § 201 und es kommt zu einer Restschuldbefreiung, auch wenn die Voraussetzungen für diese (vgl. z. B. § 290) gar nicht gegeben sind. § 227 Abs. 1 ist zwingend. Der Schuldner kann außerhalb des Insolvenzplans nicht wirksam auf die restschuldbefreiende Wirkung verzichten.

 

Rn 3

Die im gestaltenden Teil des Insolvenzplans festgelegten Wirkungen treten mit Rechtskraft des Plans, nicht also erst mit dessen Erfüllung ein.[5] Kommt der Schuldner seinen übernommenen Zahlungspflichten nicht nach, leben die Forderungen der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 255 wieder auf.

Anders als bei den Forderungen der Nachranggläubiger, die nach § 225 Abs. 1 als erlassen i. S. d. § 397 BGB gelten, bewirkt der in einem Insolvenzplan für die nicht nachrangigen Gläubiger vorgesehene "Teilverzicht" kein teilweises Erlöschen von deren Ansprüchen. Stattdessen wandeln sich die Forderungen in unvollkommene und damit rechtlich nicht mehr durchsetzbare Ansprüche um, deren Erfüllung aber weiterhin möglich ist.[6] Soweit der BGH in einigen Entscheidungen vom "Erlass" der Forderungen spricht, ist dies missverständlich; meint in der Sache jedenfalls keinen Erlass i. S. d. § 397 BGB.[7]

 

Rn 3a

Die Umwandlung in unvollkommene Ansprüche der Gläubiger (statt des Forderungserlasses) wird vor allem bei Aufrechnungsfragen virulent, da die Gläubiger mit Ansprüchen dieser Art gegenüber Forderungen des Schuldners aufzurechnen versuchen. Gerade bei öffentlich-rechtlichen Gläubigern kann dies für den Schuldner existenzgefährdende Folgen haben, wenn z.B. gegenüber einer Steuererstattung des Schuldners seitens der Steuerbehörde mit einer unvollkommenen Forderung aufgerechnet wird.[8] Um dem entgegen zu wirken, sollte bei der Planerstellung zum einen überlegt werden, in Anlehnung an § 225 Abs. 1 auch für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger im gestaltenden Teil des Plans ausdrücklich einen Erlass i. S. d. § 397 BGB vorzusehen. Zum anderen ist aber zu beachten, dass die Aufrechnung überhaupt nur zulässig ist, soweit die Aufrechnungslage schon bei Insolvenzeröffnung bestand. Daran kann es im Hinblick auf Steuerforderungen in bestimmten Konstellationen (wenn z.B. der Erhebungszeitraum für die Steuer bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch andauerte) fehlen.[9] Gegenüber Ansprüchen aus der Zeit nach Insolvenzeröffnung kann auch im Planverfahren nicht mit Insolvenzforderungen seitens der Gläubiger aufgerechnet werden.

 

Rn 3b

Auch Absonderungsgläubiger unterfallen den Wirkungen von § 227 Abs. 1, wenn der Insolvenzplan keine andere Regelung trifft. Sieht der Insolvenzplan vor, dass die Forderungen der Absonderungsgläubiger (wie diejenigen aller anderen Gläubiger auch) ebenfalls durch einen Teilverzicht reduziert werden, wirkt sich das unmittelbar auf die Erlösberechtigung am Sicherungsrecht aus. Der Absonderungsgläubiger kann dann nur noch in der Höhe am Verwertungserlös partizipieren wie er nicht auf seine Forderung verzichtet hat. Vor diesem Hintergrund muss für Absonderungsgläubiger im Plan regelmäßig i. S. v. § 227 Abs. 1 "etwas anderes bestimmt" werden.

 

Rn 3c

Zu beachten ist ferner, dass die Umwandlung des "erlassenen" Teils der Forderung in einen unvollkommenen Anspruch die Finanzverwaltung nicht an der Inanspruchnahme eines Haftungsschuldners nach § 191 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AO hindert,[10]

Schließlich erstreckt sich die Erlassfunktion wegen des Grundsatzes der Akzessorietät zwischen der Gesellschaftsverbindlichkeit und der persönlichen Haftung des Gesellschafters auch auf dessen Haftung.[11]

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