Rn 76

Der starke vorläufige Insolvenzverwalter nimmt mit Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die Arbeitgeberbefugnisse und -pflichten wahr und steht insoweit dem Insolvenzverwalter des eröffneten Verfahrens gleich.[181] Er alleine ist zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen befugt.[182] Allerdings kommen ihm die insolvenzrechtlichen Sonderregelungen der §§ 113 ff. nicht zugute (vgl. die Kommentierung zu § 113 Rdn. 5 und Rdn. 30).[183] Der vorläufige Verwalter kann daher Arbeitsverhältnisse nur unter Berücksichtigung der allgemeinen gesetzlichen bzw. einschlägigen einzel- oder tarifvertraglichen Bestimmungen kündigen. Dabei hat er die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats ebenso zu berücksichtigen wie ansonsten der Arbeitgeber in den im Betriebsverfassungsgesetz bestimmten Fällen.[184] Aufgrund seiner umfassenden Befugnisse kann ein vorläufiger Verwalter auch einen Sozialplan abschließen, der aber nach späterer Verfahrenseröffnung der Möglichkeit eines Widerrufs nach § 124 Abs. 1 unterliegt.

Unternimmt der vorläufige Insolvenzverwalter eine Unternehmensstilllegung ohne die erforderliche Zustimmung des Insolvenzgerichts (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2) eingeholt zu haben, führt dies nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung, da die Vorschrift keine Kündigungsschutznorm ist.[185]

Anhängige Arbeitsrechtsstreite werden durch die Bestellung des starken vorläufigen Insolvenzverwalters unterbrochen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i. V. m. § 240 Satz 2 ZPO). Das Rubrum muss auf den vorläufigen Insolvenzverwalter berichtigt werden und neue Klagen, insb. eine Kündigungsschutzklage, müssen sich gegen ihn richten.[186]

[181] BAG ZInsO 2002, 998 (999); LAG Hamm ZIP 2002, 579 (580 f.).
[182] BAG ZInsO 2006, 388, Tz. 15; MünchKomm-Haarmeyer, § 22 Rn. 62.
[183] BAG ZInsO 2005, 1342 (1342); MünchKomm-Haarmeyer, § 22 Rn. 63; a. A. MünchKommCaspers, vor §§ 113 Rn. 30.
[184] Bei der Freistellung von Arbeitnehmern im Eröffnungsverfahren geht die Rechtsprechung jedoch davon aus, dass die Voraussetzungen zur Anwendung des BetrVG nicht vorliegen: BAG ZInsO 2002, 889 (891) (zu § 87 BetrVG); ZIP 1998, 748 (751) (zu § 99 und § 102 BetrVG).
[186] Uhlenbruck-Ries/Zobel, § 22 Rn. 63.

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