Rn 14

Die Insolvenzordnung verfolgt auch den Erhalt des Unternehmens als Ziel des Verfahrens. Im Laufe des Verfahrens soll durch wirtschaftliche Gesundung ein konkurrenzfähiger Betrieb entstehen. Dieses Ziel ist durch das ESUG noch weiter in den Vordergrund getreten.[24] Hierzu sind häufig einschneidende Veränderungen in der Organisation erforderlich. Daher spricht man anstelle von Sanierung auch von Reorganisation. Auf diese Weise können nicht nur Arbeitsplätze erhalten, sondern vor allem auch die Gläubiger aus den späteren Erträgen des Unternehmens besser befriedigt werden als bei einer Zerschlagung.

 

Rn 15

Allerdings waren mit einem Sanierungsplan über viele Jahre steuerliche Zweifelsfragen verbunden, die daraus resultierten, dass dann, wenn ein Schuldner durch einen Insolvenzplan von Verbindlichkeiten befreit wird, sich sein Betriebsvermögen erhöht, wodurch es zu einem sog. Sanierungsgewinn kommen kann. Dessen Behandlung war seit Jahren Gegenstand von verschiedenen Maßnahmen der Legislative, der Exekutive und der Judikative,[25] die darauf basierten, dass der BFH den als Folge der Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. geschaffenen sog. Sanierungserlass vom 27.03.2003[26] als nicht mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vereinbar ansah.[27] Mittlerweile hat der Sanierungsgewinn wiederum eine gesetzliche Neuregelung erfahren.[28] Im Ergebnis stellt jetzt § 3a Abs. 1 Satz 1 EStG n.F. den durch einen Schuldenerlass bewirkten Sanierungsertrag unabhängig davon steuerfrei,[29] ob der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG oder § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Die Steuerfreiheit ist weder von einem Antrag des Steuerpflichtigen noch vom Ermessen der Finanzverwaltung abhängig. Sie gilt für unternehmensbezogene Sanierungen i.S. des § 3a Abs. 2 EStG, aber auch für bestimmte unternehmerbezogene Sanierungen (§ 3a Abs. 5 EStG). Im Gegenzug für die Steuerfreiheit entfallen die Verlustverrechnung im Sanierungsjahr und alle bestehenden Verlustvorträge aus den Vorjahren (§ 3a Abs. 3 EStG). Die mit dem steuerfreien Sanierungsgewinn im unmittelbaren Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben sind vom Abzug ausgeschlossen (§ 3c Abs. 4 EStG). Die Steuerfreistellung nach § 3a EStG betrifft nicht nur die Einkommen-, sondern über § 8 KStG auch die Körperschaft- und über § 7a GewStG auch die Gewerbesteuer.

Mit dieser Neuregelung hat der Gesetzgeber den Sanierungsplan als Handlungsalternative wesentlich gestärkt, indem steuerliche Zweifelsfragen weitestgehend geklärt wurden.

[24] BT-Drs. 17/5712, S. 1.
[25] Vgl. zusammenfassend: Graf-Schlicker/Paul, § 254 Rn. 7, 5. Aufl. 2019.
[26] BMF-Schreiben v. 27.03.2003 – IV A 6 – S 2140 – 8/03, BStBl. I 2003, 240 = ZIP 2003, 690; dazu Strüber/v. Donat BB 2003, 2036.
[27] BFH, Beschl. v. 28.11.2016, GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393 = ZIP 2017, 338 = ZInsO 2017, 340, dazu EWiR 2017, 149 (Möhlenkamp); Mohr, BB 2017, 673; Schüppen, ZIP 2017, 752; Sistermann/Beutel, DStR 2017, 1065.
[28] Einerseits durch Art. 2 bis 4 und 6 des Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen v. 24.06.2017, BGBl. I 2017, 2074 und andererseits durch das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, BGBl. I, 2018, 2338; vgl. hierzu Burwitz, NZG 2018, 1383; Korn, DStR 2019, 1; Eisolt/Janjuah, ZInsO 2018, 2790.
[29] Nach dem sog. Sanierungserlass wurde nur die durch den Schuldenerlass entstandene Ertragsteuer erlassen.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge