Gesetzestext

 

(1) 1Der Insolvenzverwalter darf eine bewegliche Sache, zu deren Verwertung er berechtigt ist, für die Insolvenzmasse benutzen, wenn er den dadurch entstehenden Wertverlust von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an durch laufende Zahlungen an den Gläubiger ausgleicht. 2Die Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen besteht nur, soweit der durch die Nutzung entstehende Wertverlust die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers beeinträchtigt.

(2) 1Der Verwalter darf eine solche Sache verbinden, vermischen und verarbeiten, soweit dadurch die Sicherung des absonderungsberechtigten Gläubigers nicht beeinträchtigt wird. 2Setzt sich das Recht des Gläubigers an einer anderen Sache fort, so hat der Gläubiger die neue Sicherheit insoweit freizugeben, als sie den Wert der bisherigen Sicherheit übersteigt.

Bisherige gesetzliche Regelungen

Keine.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt die anderweitige Verwendung beweglicher Sachen. Einerseits soll dem Verwalter die Möglichkeit der Fortführung des schuldnerischen Unternehmens erleichtert werden, indem ihm gestattet wird, dazu auch auf die mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände zurückzugreifen.[1] Die Einheit des Unternehmens bleibt dadurch eher erhalten, und die Chancen sowohl einer Innensanierung als auch diejenigen einer übertragenden Sanierung steigen, da der Verwalter dank der Verwendungsbefugnis öfter in der Lage sein wird, ein funktionierendes Unternehmen am Markt anzubieten.

 

Rn 2

Andererseits muss zugunsten des absonderungsberechtigten Gläubigers sichergestellt bleiben, dass die Haftung der Sicherheit nicht verloren geht, und der Gläubiger kann deshalb eine Entschädigung für die Benutzung verlangen. Die Vorschrift dient der angemessenen Verteilung der wirtschaftlichen Lasten zwischen absonderungsberechtigtem Gläubiger und Insolvenzmasse. Sie enthält zwingendes Recht, welches abweichenden vertraglichen Regelungen vorgeht,[2] so dass sich ein absonderungsberechtigter Gläubiger auch nicht durch Vereinbarungen mit dem Schuldner vor dem Verwendungsrecht des Verwalters schützen kann.

 

Rn 3

Das in Rede stehende Sicherungsgut wird entweder als Betriebsmittel (z.B. Maschinen, Fuhrpark oder sonstige Gegenstände des Anlagevermögens) vom Verwalter genutzt oder als Bestandteil des Produkts (z.B. Rohstoffe) bzw. Hilfsmittel im Produktionsprozess (z.B. Schmieröle für Maschinen) zur Herstellung neuer Sachen benötigt (als Teil des Umlaufvermögens).[3]

[1] Bork, Rn. 369.
[2] BegrRegE, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 402.
[3] Für eine entsprechende Anwendung des § 172 auch auf unkörperliche Gegenstände (z.B. Geschmacksmuster, Patente) Nerlich/Römermann-Becker, § 172 Rn. 47 f.

2. Nutzung einer beweglichen Sache des Anlagevermögens

2.1 Nutzungsbefugnis

 

Rn 4

Der Anwendungsbereich der Vorschrift ergibt sich aus § 166, so dass vom Wortlaut nur Gegenstände erfasst sind, an denen ein Absonderungsrecht besteht. Soweit und in dem Umfang, wie dort eine Verwertungsbefugnis für den Verwalter bestimmt ist (zum Erfordernis des Besitzes vgl. § 166 Rn. 22), ist er auch zur Nutzung – quasi als Minus zur Verwertung – berechtigt. Dabei handelt es sich nur so lange um eine Nutzung, wie die Sache als solche erhalten bleibt und nicht im Rahmen der Verwendung vollständig verbraucht wird[4] (dann kommt allenfalls Abs. 2 in Betracht).

 

Rn 5

Im RegE war der Verbrauch – bei Gestellung einer Ersatzsicherheit – noch ausdrücklich als zulässig vorgesehen worden. Letztlich wurde diese Ansicht jedoch aus Gründen der Vereinfachung nicht übernommen, weil zum einen die Regelungen über Ersatzsicherheiten den Gesetzentwurf unnötig verkomplizierten und zum anderen der Insolvenzverwalter sich zudem in solchen Fällen bei Bedarf die volle Verfügungsbefugnis durch die vollständige Begleichung der gesicherten Forderung verschaffen kann. Ansonsten wird er auf die Möglichkeit einer gesondert mit dem absonderungsberechtigten Gläubiger abzuschließenden Vereinbarung verwiesen.[5] Im Ergebnis ändert die Streichung der Möglichkeit des Verbrauchs in der Praxis wenig, denn es macht für den Verwalter i.d.R. keinen Unterschied, ob er eine Ersatzsicherheit stellt oder den entstehenden Wertverlust – bis hin zur vollständigen Bezahlung des Werts des übernommenen Sicherungsgegenstands – im Falle einer Verwendung, die einem Verbrauch gleichkommt, an den Gläubiger ausgleicht.

 

Rn 6

Die Nutzung muss für die Insolvenzmasse erfolgen und damit der Gesamtheit aller Gläubiger zugute kommen. Für andere Zwecke, z.B. im Interesse eines einzelnen anderen aus- oder absonderungsberechtigten Gläubigers, ist eine Nutzung unzulässig. Fehlt es an einer Nutzung, so ist § 172 auch dann nicht anzuwenden, wenn ein Wertverlust eintritt.[6]

[4] Haarmeyer/Wutzke/Förster, Kap. 5, Rn. 288.
[5] BegrRechtsA, in: Kübler/Prütting, Bd. I, S. 403.
[6] Hess, § 172 Rn. 18, z.B. Wertverlust von Computeranlagen, die einfach stillstehen.

2.2 Analoge Anwendung auf Aussonderungsrechte

 

Rn 7

Der Verwalter soll durch § 172 Abs. 1 in die Lage versetzt werden, die Masse im Interesse einer potentiellen späteren Fortführung des Unternehmens zunächst vor einer partiellen Verwertung durch die absonderungsberechtigten Gläubiger...

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