Rn 59

Die Schutzrichtung des § 15a ist eine doppelte, nämlich zum einen das vorhandene Vermögen den bestehenden Gläubigern zu erhalten und zum anderen den Geschäftsverkehr davor zu schützen, mit der insolvenzreifen Gesellschaft in Vertragsbeziehung zu treten. Einbezogen in den Schutzbereich sind alle Gläubiger, und zwar unabhängig davon, ob sie ihre Forderung vor oder nach Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit gegen die Gesellschaft erworben haben.[181] Gleichgültig ist auch die Rechtsnatur des Anspruchs (vertragliche oder gesetzliche Grundlage).

 

Rn 60

Ausgenommen vom Schutzbereich sind allerdings die Gesellschaft selbst sowie die Gesellschafter.[182] Letzteres gilt aber nicht, wenn der Gesellschafter durch die Insolvenzverschleppung (auch) in seiner Gläubigerstellung beeinträchtigt wird.[183] Hier liegt aber – mit Blick auf § 51a GmbHG – ein Mitverschulden desselben recht nahe. Nicht einbezogen in den Schutzbereich sind zudem diejenigen Gläubiger, die ihre Ansprüche erst mit oder aber erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erworben haben.[184] Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht endet nämlich spätestens mit der Eröffnung des Verfahrens oder Ablehnung des Antrags mangels Masse (siehe oben Rn. 30). Gläubiger, die ihre Ansprüche gegen die Gesellschaft erst nach diesem Zeitpunkt etwa durch cessio legis erwerben, fallen daher nicht in den Schutzbereich der Norm.[185] Aus diesem Grund kann die Bundesagentur für Arbeit nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 15a Abs. 1 Ersatz dafür verlangen, dass sie infolge Zahlungsrückständen des Arbeitgebers Insolvenzgeld zahlen muss.[186] Schadensersatzansprüche wegen Insolvenzverschleppung kann sie auch nicht aus übergeleitetem Recht geltend machen, da von der gesetzlichen Abtretung (§ 169 SGB III) zugunsten der Bundesagentur für Arbeit nur die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt, nicht aber deren Schadensersatzansprüche gegen das Leitungsorgan erfasst sind.[187]

[181] BGHZ 29, 100 (104); 100, 19 (21); 126, 181 (190 f.); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 GmbHG Rn. 64; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baumert, § 64 GmbHG Rn. 77 f.; Scholz/ K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 176.
[182] Scholz/K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 175, 178; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 GmbHG Rn. 64; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Baumert, § 64 GmbHG Rn. 77; Wagner ZInsO 2008, 622 (624); a. M. (Schutz der Gesellschafter) RGZ 81, 269 (271); (Schutz der Gesellschaft) BGHZ 29, 100 (103); siehe auch Uhlenbruck/Hirte, § 15a Rn. 59 f (differenzierter).
[183] Vgl. für Genossenschaft BGH ZIP 2010, 776, (779) [BGH 01.02.2010 - II ZR 209/08].
[184] Vgl. BGHZ 108, 134 (136 f.); 110, 343 (361); OLG Frankfurt NZG 1999, 947 (Zahlung von Konkursausfallgeld); LG Stuttgart EWiR 2008, 615 (616); Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. zu § 64 GmbHG Rn. 65; Scholz/K. Schmidt, § 64 GmbHG Rn. 177.; a. M. Piekenbrock ZIP 2010, 2421 (2427 ff.).
[186] BGHZ 108, 134 (136 f.); LAG Hamm EWiR 2001, 871 [LAG Hamm 31.01.2001 - 4 Ta 359/00]; LAG Rheinland-Pfalz NZA-RR 2002, 433; ArbG Offenbach ZIP 2002, 997 (998); siehe auch OLG Jena ZIP 2002, 631; OLG Saarbrücken ZIP 2007, 328.; a.M. Piekenbrock ZIP 2010, 2421 (2427 ff.).
[187] BAG ZIP 2002, 992 f. [BAG 20.03.2002 - 5 AZB 25/01]; LAG Hamm EWiR 2001, 871; ArbG Offenbach ZIP 2002, 997 (998); siehe auch OLG Saarbrücken ZIP 2007, 328; OLG Frankfurt DStR 1999, 1784 (Haas).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge