Gesetzestext

 

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,

1. wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden ist,
2. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und der Schuldner zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder
3. wenn die Handlung innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und dem Gläubiger zur Zeit der Handlung bekannt war, daß sie die Insolvenzgläubiger benachteiligte.

(2) 1Für die Anwendung des Absatzes 1 Nr. 3 steht der Kenntnis der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. 2Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, daß sie die Benachteiligung der Insolvenzgläubiger kannte.

Bisherige gesetzliche Regelungen: § 30 Nr. 2 KO, § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO§ 146 RegE, § 136 RefE

[Ohne Titel]

 

Rn 1

§ 131 knüpft mit seinen besonderen Voraussetzungen – ebenso wie § 130 – an den Grundtatbestand des § 129 an. Hier werden Fälle der inkongruenten Deckung erfasst, bei denen es sich nach dem Wortlaut des Gesetzestextes um eine solche Rechtshandlung (§ 129 Rn. 4 ff.) handelt, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat (§ 130 Rn. 5), die er entweder gar nicht bzw. nicht in dieser Art oder jedenfalls nicht zu dieser Zeit beanspruchen konnte.

 

Rn 2

Der Umstand, dass eine inkongruente Deckungshandlung vorliegt, erleichtert im Vergleich zu § 130 die Anfechtung. Maßgeblich für das Vorliegen einer Inkongruenz ist die Frage, ob die Deckungshandlung vom Schuldverhältnis zwischen Insolvenzschuldner und Gläubiger abweicht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Inkongruenz ist gem. § 140 derjenige, in dem die Rechtshandlung vollendet worden ist.[1]

[1] MünchKomm-Kirchhof, § 131 Rn. 10.

1. Die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen der inkongruenten Deckung (§ 131 Abs. 1)

 

Rn 3

Nach der Wertung des Gesetzgebers kommen die erleichterten Anfechtungsvoraussetzungen des § 131 dann zum Zuge, wenn Insolvenzgläubiger Sicherungen oder Befriedigungen abweichend von der ursprünglichen Vereinbarung oder ohne jede Vereinbarung erlangen. Für die zu treffende Einordnung in § 130 oder § 131 ist daher der Blick zunächst auf den Inhalt des Kausalgeschäfts zu richten.[2] Sollte das Tatbestandsmerkmal der Inkongruenz nicht mit hinreichender Sicherheit nachweisbar sein, kommt eine Anfechtung nach § 130 als Quasi-Auffangtatbestand in Betracht.[3]

 

Rn 4

Für die im Einzelfall zu treffende Entscheidung, ob eine inkongruente Deckung vorliegt, haben sich im Laufe der Rechtsprechung für die Praxis maßgebliche Fallgruppen herausgebildet, die nachfolgend in den Unterarten der Inkongruenz beschrieben werden.

 

Rn 5

Eine exakte Eingrenzung der Inkongruenz außerhalb der – teilweise nunmehr eindeutig geklärten – Fallgruppen, die Frage also, wann eine hinreichende Abweichung der Deckung vom schuldrechtlichen Anspruch vorliegt, lässt sich allgemein nicht formulieren.[4] Ein entscheidendes Kriterium für die Einordnung einer Abweichung als inkongruent ist jedoch im Zweck der erleichterten Anfechtbarkeit zu sehen: Tritt die Gläubigerbenachteiligung deutlich zutage, ist der Gläubiger vermindert schutzbedürftig und seine Begünstigung gegebenenfalls sogar strafbewehrt.[5]

[2] Kübler/Prütting-Paulus, § 131 Rn. 4 der auf den "Pflichtenplan" des Schuldgrundes abstellt.
[3] MünchKomm-Kirchhof, § 130 Rn. 5.
[4] Für die Praxis wenig hilfreich ist die Aussage, dass "geringfügige Abweichungen" zwischen Anspruch und Deckung nicht schaden, so MünchKomm-Kirchhof, § 131 Rn. 11.
[5] Eine Strafbarkeit kommt unter den Voraussetzungen des § 283c StGB (Gläubigerbegünstigung) in Betracht.

1.1 Nicht zu beanspruchende Deckung

 

Rn 6

Eine Deckung ist nicht zu beanspruchen, wenn der Gläubiger überhaupt keinen Anspruch gegen den Insolvenzschuldner auf die von ihm erbrachte Leistung hat. Unterarten der Deckung sind Befriedigung und Sicherung.

1.1.1 Nicht zu beanspruchende Befriedigung

 

Rn 7

Eine Befriedigung, die nicht beansprucht werden kann, liegt dann vor, wenn der Gläubiger keinen durchsetzbaren Anspruch hierauf hat. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Gläubiger zwar eine Forderung gegen den Schuldner hat, Befriedigung aus dieser aber dann nicht hätte erlangen können, wenn der Schuldner ihm zustehende (Gegen-)Rechte (rechtzeitig) geltend gemacht hätte. Darunter fallen alle Forderungen, denen eine dauerhafte Einrede entgegensteht, auf die sich der Schuldner aber nicht beruft.[6]

 

Rn 8

Gleiches gilt, wenn einem Gläubiger Befriedigung gewährt wird, obwohl das zugrunde liegende Rechtsgeschäft zivilrechtlich anfechtbar ist.[7] Konsequenterweise fallen dann auch wegen Formmangels nichtige, aber durch Erfüllung heilbare Rechtsgeschäfte (§ 311b Abs. 1 Satz 2 BGB) hierunter,[8] da der dahinter stehende Rechtsgedanke der gleiche ist: Der Schul...

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