Rn 8

Die Bindungswirkung gilt nur hinsichtlich der Arbeitnehmer, bezüglich derer im Verfahren nach § 126 eine Sachentscheidung getroffen wurde. Der Wortlaut des § 127 Abs. 1 Satz 1, der davon spricht, dass der Arbeitnehmer in dem Antrag nach § 126 Abs. 1 bezeichnet gewesen sein muss, ist ungenau und daher berichtigend auszulegen. Darauf, ob der Arbeitnehmer in dem Antrag, durch den der Insolvenzverwalter das Verfahren nach § 126 eingeleitet hat, genannt gewesen ist, kann es nicht (allein) ankommen. Denn damit ist noch nicht gesagt, dass auch hinsichtlich dieses Arbeitnehmers eine Sachentscheidung nach § 126 Abs. 1 ergangen ist. Vorstellbar ist etwa, dass hinsichtlich einzelner im Antrag aufgeführter Arbeitnehmer im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht (§ 126 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG) kein mündlicher Antrag gestellt worden ist; in diesem Fall betrifft der von dem Arbeitsgericht erlassene Beschluss diese Arbeitnehmer nicht (§ 126 Rn. 42). Entscheidend ist daher, ob im Verfahren nach § 126 bezüglich des konkreten Arbeitnehmers eine Sachentscheidung getroffen worden ist. Dies setzt voraus, dass der Tenor der nach § 126 ergangenen Entscheidung ausdrücklich auf den konkreten Arbeitnehmer Bezug nimmt, entweder indem im Tenor festgestellt wird, dass die Kündigung dieses Arbeitnehmers (dieses Beteiligten am Beschlussverfahren) sozial gerechtfertigt ist, oder indem der Tenor den Ausspruch enthält, dass der Antrag hinsichtlich dieses Arbeitnehmers abgewiesen wird.[7]

 

Rn 9

Demgegenüber setzt die Bindungswirkung nicht voraus, dass dem betroffenen Arbeitnehmer im Verfahren nach § 126 "ausreichend" rechtliches Gehör gewährt worden ist.[8] Denn solch eine Prüfung würde das Kündigungsschutzverfahren überfrachten, wobei auch unklar ist, wann das rechtliche Gehör "ausreichend" gewesen ist. Der Gesetzgeber sah es als selbstverständlich an, dass die Beteiligungsrechte des Arbeitnehmers im Verfahren nach § 126 gewahrt werden und ihm dort insbesondere rechtliches Gehör gewährt wird (Art. 103 Abs. 1 GG). Geschieht dies nicht, muss der Arbeitnehmer im Verfahren nach § 126 seine Beteiligung mit den dort zur Verfügung stehenden prozessualen Mitteln erzwingen. Ist ihm die verfahrenseinleitende Antragsschrift oder die Ladung zum Anhörungstermin nicht zugestellt worden, ist er an dem Verfahren bereits nicht im Rechtssinne beteiligt gewesen, sodass der dort ergangene Beschluss, auch wenn er im Rubrum als Verfahrensbeteiligter aufgeführt ist, ihn nicht bindet.[9] Sollte er trotz ordnungsgemäßer Zustellung über die Einleitung des Verfahrens nach § 126 im Unklaren gewesen sein, muss er gemäß § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Denn die §§ 578 ff. ZPO gelten auch im Beschlussverfahren (§ 80 Abs. 2 ArbGG: "Vorschriften über […] Wiederaufnahme des Verfahrens").[10]

[7] Vgl. Nerlich/Römermann/Hamacher, InsO, 43. Erg.-Lfg. Mai 2021, § 127, Rn. 6.
[8] A.A. HambKomm-InsR/Ahrendt, 9. Aufl. 2022, § 127 InsO Rn. 3; HK-InsO/Linck, 10. Aufl. 2020, § 127 Rn. 3.
[9] In diesem Sinne auch Kübler/Prütting/Bork/Schöne, InsO, 82. Lfg. 2019, § 127 Rn. 17.
[10] BAG 06.06.2000, 1 ABR 21/99, juris, Rn. 24; BAG 27.08.1968, 1 ABR 6/68, juris, Rn. 19.

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