Gesetzestext

 

(1) Unzulässig ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen

1. des Bundes oder eines Landes;
2. einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes untersteht, wenn das Landesrecht dies bestimmt.

(2) Hat ein Land nach Absatz 1 Nr. 2 das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person für unzulässig erklärt, so können im Falle der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung dieser juristischen Person deren Arbeitnehmer von dem Land die Leistungen verlangen, die sie im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch über das Insolvenzgeld von der Agentur für Arbeit und nach den Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom Träger der Insolvenzsicherung beanspruchen könnten.

1. Allgemeines

 

Rn 1

Die Vorschrift beinhaltet Einschränkungen des in § 11 niedergelegten Grundsatzes, wonach ein Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder juristischen Person eröffnet werden kann, unabhängig davon, ob es sich um eine juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts handelt.

§ 12 ordnet die Unzulässigkeit des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Bundesrepublik Deutschland und der einzelnen Bundesländer an und sieht eine entsprechende Ermächtigung für die Bundesländer vor, die Unzulässigkeit von Insolvenzverfahren über das Vermögen juristischer Personen des öffentlichen Rechts unter ihrer Landesaufsicht zu bestimmen.[1]

 

Rn 2

Die praktische Relevanz der Frage der Insolvenzfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts ergibt sich überwiegend daraus, dass die fehlende Insolvenzfähigkeit von der Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen für die Aufbringung des Insolvenzgeldes nach dem SGB III und der Mittel für die Insolvenzsicherung nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) entbindet. Nach § 358 Abs. 1 Satz 2 SGB III bleiben für die Berechnung der Umlagen für das Insolvenzgeld die Lohnsummen des Bundes, der Länder, der Gemeinden sowie der Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen das Insolvenzverfahren nicht zulässig ist, und solcher juristischer Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert, unberücksichtigt.

Auch die Bestimmungen zur Insolvenzsicherung des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung bleiben gemäß § 17 Abs. 2 BetrAVG für den Bund, die Länder, die Gemeinden sowie die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen das Insolvenzverfahren nicht zulässig ist, und solchen Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichern, außer Ansatz, sodass auch hier keine Beitragspflicht besteht.

[1] Grundlegend zur Insolvenzfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts: Stoll, KTS 1992, 521; Engelsing, Zahlungsunfähigkeit, 1999; zum Staatsbankrott: Kratzmann, JZ 1982, 319 ff.

2. Insolvenzunfähigkeit des Bundes und der Länder (Abs. 1 Nr. 1)

 

Rn 3

Generell insolvenzunfähig sind die Bundesrepublik Deutschland und die einzelnen Bundesländer. § 12 als Regelung in einem Gesamtvollstreckungsverfahren hat eine Entsprechung in § 882a ZPO und § 15 Nr. 3 EGZPO, welche die Möglichkeit der Einzelzwangsvollstreckung gegen Körperschaften und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts einschränken.

Die Insolvenzunfähigkeit des Bundes und der Länder wird abgeleitet aus dem öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich der Institutionen, der durch ein Insolvenzverfahren nicht beeinträchtigt werden soll. Die Bestimmung dient nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung.[2]

Der Staat bzw. seine verfassungsmäßigen Organe sollen die Tilgung der Verbindlichkeiten ggf. mit verwaltungsrechtlichen Maßnahmen sicherstellen, wozu zahlreiche Möglichkeiten, wie die Erhöhung von Abgaben, die Kürzung staatlicher Leistungen sowie geldpolitische Maßnahmen genutzt werden können.[3]

Mit den öffentlichen Aufgaben des Staates und den verfassungsmäßigen Befugnissen seiner Organe wäre der Übergang oder auch nur die Beeinträchtigung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis von diesen staatlichen Organen auf bzw. durch einen Insolvenzverwalter unvereinbar.[4]

In Betracht kommt der Staatsbankrott, der nicht die Abrechnung für die Vergangenheit, sondern die Schaffung einer Grundlage für die Zukunft darstellt.[5]

[2] HambKomm-InsR/Linker, § 12 InsO Rn. 1.
[3] BVerfG, Urt. v. 14.11.1962, 1 BvR 987/58, BVerfGE 15, 135 ff.; zu den staatlichen Maßnahmen zur Beseitigung von Staatsschulden historisch Uhlenbruck-Hirte, § 12 Rn. 2 ff.
[4] Uhlenbruck-Hirte, § 12 Rn. 2; Oehler, JZ 2005, 290 (596).
[5] BVerfG, Urt. v. 14.11.1962, 1 BvR 987/58, BVerfGE 15, 135 ff.

3. Insolvenzunfähigkeit aus verfassungsrechtlichen Gründen

 

Rn 4

Keine ausdrückliche Regelung enthält § 12 zur Unzulässigkeit eines Insolvenzverfahrens über kirchliches Vermögen. Dies wurde unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als nicht erf...

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