Rn 1

Soweit Miet- oder Pachtverhältnisse gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 ungeachtet der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbestehen, regelt die Vorschrift Möglichkeiten einer vorzeitigen Beendigung der Verträge für den Insolvenzverwalter, soweit der Schuldner Mieter oder Pächter ist. Bezieht sich das Mietverhältnis auf den Wohnraum des Schuldners, besteht kein Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters, dieser kann vielmehr gegenüber dem Vermieter erklären, dass Ansprüche nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist nicht mehr im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.

Abs. 1 wurde durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens[1] mit Wirkung ab 1.7.2007 teilweise neu gefasst. An Stelle der Verweisung auf die einschlägige gesetzliche Kündigungsfrist für eine Kündigung durch den Insolvenzverwalter ist vorbehaltlich einer kürzeren Frist eine Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende bestimmt. Die Neuregelung ist gemäß Art. 103c Abs. 1 EGInsO auf Insolvenzverfahren anwendbar, die ab dem 1.7.2007 eröffnet worden sind, wohingegen für Insolvenzverfahren mit Eröffnungsdatum bis zum 30.6.2007 noch die bisherige Gesetzesfassung maßgeblich bleibt.

 

Rn 2

Abs. 1 regelt den Fall, dass dem Schuldner der Mietgegenstand bereits vor Verfahrenseröffnung überlassen war, Abs. 2 denjenigen Fall, dass eine Überlassung noch nicht stattgefunden hatte.

 

Rn 3

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Norm ist der Bestand eines Miet- oder Pachtvertrags über einen unbeweglichen Gegenstand[2] oder über Räume[3], welche der Schuldner angemietet oder angepachtet hat. Soweit schon vor Verfahrenseröffnung eine wirksame (vgl. § 112) vermieterseitige Kündigung des Miet- oder Pachtverhältnisses erfolgt ist, bleibt für das Sonderkündigungsrecht des Insolvenzverwalters oder die Ausübung des Rücktrittsrechtes gem. Abs. 2 nur insoweit Raum, als hierdurch eine frühere Vertragsbeendigung herbeigeführt werden kann.

 

Rn 4

Anders als nach dem Recht der KO bestehen Miet- oder Pachtverhältnisse über bewegliche Gegenstände und Rechte grundsätzlich nicht über den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung hinaus fort, sondern unterliegen dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters gem. § 103; eine Ausnahme hiervon gilt nur für Verträge, die der Regelung des § 108 Abs. 1 Satz 2 unterfallen.

Für Miet- oder Pachtverträge und diesen gleichgestellte Verträge (insbesondere Leasingverträge), die sich auf bewegliche Gegenstände und Rechte ("sonstige Gegenstände") beziehen, die einem Dritten im Zusammenhang mit der Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten zur Sicherheit übertragen wurden, regelt § 108 Abs. 1 in der Insolvenz des Vermieters/Verpächters den Fortbestand des Vertragsverhältnisses über den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung hinaus (vgl. die dortige Kommentierung).

 

Rn 5

Abs. 1 statuiert in der Insolvenz des Mieters/Pächters eines unbeweglichen Gegenstandes oder von Räumen ein ordentliches Sonderkündigungsrecht aus Anlass des Insolvenzverfahrens nur für den Insolvenzverwalter, dem anderen Teil steht ein besonderes Kündigungsrecht insoweit nicht zu.

 

Rn 6

Insbesondere der Ausschluss eines besonderen Kündigungsrechts für den Vermieter bzw. Verpächter in der Insolvenz des Mieters/Pächters stellt eine bedeutsame Änderung der früheren Rechtslage nach der KO und der GesO dar.

 

Rn 7

Dem Insolvenzverwalter soll hierdurch insbesondere ermöglicht werden, ein Schuldnerunternehmen, das auf gemieteten Flächen betrieben wird, fortzuführen, wodurch der Haftungswert des vom Schuldner begründeten Mietverhältnisses realisiert wird.[4]

 

Rn 8

Zur Erreichung dieses Ziels werden die aus dem Verhalten des Schuldners vor Verfahrenseröffnung bzw. vor Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultierenden Kündigungsrechte noch weiter eingeschränkt, vgl. § 112.

 

Rn 9

Durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze (InsOÄndG)[5] wurde Abs. 1 Satz 2 dahin gehend modifiziert, dass dem Insolvenzverwalter dann kein Sonderkündigungsrecht zusteht, wenn sich das Mietverhältnis auf die Wohnung des Schuldners bezieht. In diesem Fall kann der Insolvenzverwalter lediglich gegenüber dem Vermieter eine (einseitige, empfangsbedürftige) Erklärung abgeben, dass dieser Ansprüche aus dem Mietverhältnis, die nach Ablauf der Frist fällig werden, zu der eine Sonderkündigung des Insolvenzverwalters gem. Abs. 1 Satz 1 wirksam würde, wenn sie möglich wäre, nicht mehr im Insolvenzverfahren geltend machen kann.

 

Rn 10

Im Hinblick auf Abs. 1 Satz 3 hat der Insolvenzverwalter nach der Vorstellung des Gesetzgebers eine nicht zutreffende Erklärung abzugeben, da er einerseits zu erklären haben soll, dass Ansprüche "im Insolvenzverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können", andererseits der Vermieter gem. Abs. 1 Satz 3 die Ansprüche sehr wohl im Insolvenzverfahren, wenn auch als Insolvenzforderung gem. § 38 geltend machen kann. Gemeint ist, dass die nach Ablauf der maßgeblichen Frist fällig werdenden Miet- bzw. Pachtforderungen nicht mehr als Masseverbindlichkei...

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